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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1991 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des R in H, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. Juli 1992, Zl. 4.322.172/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. Juli 1992 wurde ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer - einem albanischen Staatsangehörigen, der am 17. Juli 1991 in das Bundesgebiet einreiste - kein Asyl gewähre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die belangte Behörde vertritt in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Auffassung, eine den Beschwerdeführer betreffende Verfolgungsgefahr sei weder durch die vergangenen Ereignisse noch durch die notorische aktuelle Situation in Albanien bescheinigt. Sie begründet dies - ohne sich mit den Angaben des Beschwerdeführers über die Gründe, die ihn zum Verlassen seines Heimatlandes bewogen hätten, auseinanderzusetzen und Feststellungen darüber zu treffen - ausschließlich damit, daß alles, was der Beschwerdeführer vorgebracht hätte, sich auf die Situation in seinem Heimatland zur Zeit des stalinistischen Regimes und vor allem während der Umbruchszeit 1991/1992 bezogen habe. In der Zwischenzeit habe sich jedoch die Lage in Albanien in geradezu spektakulärer und dramatischer Weise geändert. Die derzeit auch effektiv in Kraft stehende Verfassung vom 29. April 1992 gewähre die liberalen Grundrechte wie Glaubens-, Presse- und Versammlungsfreiheit, das Streikrecht, Freizügigkeit und Privateigentum und sichere deren Beachtung durch Institutionen der gewaltenteilenden parlamentarisch-pluralistischen Demokratie. Im Laufe des Jahres 1991 seien sämtliche politischen Häftlinge freigelassen worden. Es seien keine Fälle staatlicher Verfolgung bestimmter Personen oder Personengruppen aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sonstigen sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung mehr bekannt geworden. Habe sich in einem Staat ein derartiger Umbruch ereignet, daß von einer Identität der aktuellen Staatsform und daraus folgender Staatspraxis mit der alten auch im weitesten Sinne nicht mehr gesprochen werden könne, das Selbstverständnis der neuen sich vielmehr vom Kontrast zur bisherigen "herschreibe", trete der Fall ein, daß Ereignissen in der Vergangenheit eine Indizwirkung bestehender Verfolgungsgefahr nicht mehr zukommen könne. Zwar könne die triste wirtschaftliche Lage im Heimatland des Beschwerdeführers ebensowenig geleugnet werden wie die hohe Kriminalitätsrate; diese sicherlich bedauerlichen Mißstände stellten jedoch keine "Verfolgung" durch staatliche Organe im Sinne des § 1 Asylgesetz 1991 dar.
Diese Begründung vermag den angefochtenen Bescheid nicht zu tragen. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im Erkenntnis vom 20. Jänner 1993, Zlen. 92/01/0761, 0762, dargelegt, daß weder die geänderte Verfassungsrechtslage noch die Freilassung politischer Gefangener die Richtigkeit der Behauptungen des Beschwerdeführers, es bestehe auf Grund der faktischen Verhältnisse in seinem Heimatland für ihn weiterhin wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen seiner politischen Gesinnung, ausschließe. Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, daß die belangte Behörde entgegen der Vorschrift des § 37 AVG dem Beschwerdeführer nicht Gelegenheit gab, zu dem von ihr angenommenen Sachverhalt Stellung zu nehmen. Bei dieser Sachlage zeigt der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen, die tatsächlichen Verhältnisse in seinem Heimatland hätten sich nicht geändert und er habe nach wie vor im Falle der Rückkehr mit Repressalien zu rechnen, einen relevanten Verfahrensmangel auf. Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung des Verfahrensmangels zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben, ohne daß es eines Eingehens auf die weiteren Beschwerdeausführungen bedurft hätte.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Parteienvernehmung Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992010905.X00Im RIS seit
20.11.2000