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L80006 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung BebauungsplanNorm
B-VG Art7 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde des J in G, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 14. November 1991, Zl. A 17-K-7.921/1991-1, betreffend Versagung der Baubewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus dem Beschwerdevorbringen in Verbindung mit dem angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:
Auf den dem Beschwerdeführer gehörigen Grundstücken 927/2, 927/4 und 130, alle inneliegend in EZ nn KG X, befand sich bis zu seinem Einsturz ein Wohnhaus; nach Widmung von Teilflächen dieser Grundstücke mit Bescheid des Magistrates Graz-Baurechtsamt vom 13. März 1990 wurde mit Bescheid des Magistrates Graz-Baurechtsamt vom 2. April 1990 die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung a) eines unterkellerten eingeschoßigen Wohnhauszubaues mit ausgebautem Dachgeschoß und im Kellergeschoß untergebrachter Pkw-Kleingarage, b) des Umbaues des Altbestandes (Sanierung) und c) einer Senkgrube auf diesem Bauplatz erteilt. Im Zusammenhang mit der Errichtung des bewilligten Zubaues bzw. der beabsichtigten Sanierung des Altbestandes kam es zu einem unerwarteten Einsturz der wesentlichen Teile des tragenden Mauerwerks des Altbestandes; dieser Einsturz hätte entsprechende Neuaufführungen notwendig gemacht.
Dementsprechend stellte der Beschwerdeführer am 4. Februar 1991 ein Bauansuchen um idente Wiederherstellung des (zufolge Baugebrechens eingestürzten) Altbestandes. Dieses Bauansuchen wurde mit Bescheid des Stadtsenates Graz vom 20. September 1991 abgewiesen, da das Bauvorhaben einen unlösbaren Widerspruch zu der bestehenden Flächenwidmung "Freiland" aufweise, die Ausnahmebestimmung des § 25 Abs. 3 Z. 2 des Stmk. Raumordnungsgesetzes (ROG) aber mangels Vorliegens eines Elementarereignisses bzw. einer landwirtschaftlichen Nutzung nicht anzuwenden sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz die gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Dazu führte die belangte Behörde aus, daß auch dann, wenn der Einsturz eines erheblichen Teiles des Altbestandes tatsächlich "zufolge Störung des labilen Gleichgewichtes im Zuge von Baumaßnahmen" erfolgt sein sollte, der Einsturz in keiner Weise infolge eines Elementarereignisses erfolgt sei. Sowohl aus der Systematik der zitierten Norm als auch der in ständiger Rechtsprechung gebotenen engen Auslegung von Ausnahmebestimmungen zur Hintanhaltung der Zersiedelung im Freiland sei zu erkennen, daß nur ein tatsächliches Elementarereignis, wie z.B. Blitzschlag, Lawinenabgang, Erdbeben, einen Ersatzbau im Freiland ermöglichen würde. Davon könne aber hier keine Rede sein. Vielmehr sei die Baubewilligung des konsentierten Altbestandes endgültig untergegangen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluß vom 5. Oktober 1992, B 2/92, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Dabei führte der Verfassungsgerichtshof u.a. aus, es liege im Rahmen der rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers und erscheine auch nicht unsachlich, wenn das Gesetz in bestimmten außergewöhnlichen Fällen (Elementarereignis) Ausnahmen in bezug auf eine Widmung vorsehe.
In dem an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Ergänzungsschriftsatz beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Er erachtet sich dadurch beschwert, daß die Ausnahmebestimmung des § 25 Abs. 3 Z. 2 ROG nicht angewendet wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:
Gemäß § 25 Abs. 3 Z. 2 des Stmk. Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. Nr. 127, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 41/1991 (ROG), dürften im Freiland (neben der in Z. 1 genannten bestimmungsgemäßen, in der Regel also landwirtschaftlichen Nutzung bzw. nach Z. 3 für Kleingartenanlagen) bestehende Bauten im unbedingt notwendigen Abstand zum bisherigen Standort ersetzt werden, wenn sie sich infolge von Elementarereignissen oder im öffentlichen Interesse (Erfordernisse der Ver- und Entsorgung, des Verkehrs, der Landesverteidigung, der Verbesserung des Orts- und Landschaftsbildes und des Hochwasserschutzes) als erforderlich erweisen und die Bestimmung des Abs. 4 bezüglich der Bebauungsdichte und der Geschoßfläche eingehalten wird.
Im vorliegenden Fall ist lediglich die Auslegung der Wortgruppe "infolge von Elementarereignissen" strittig, weil das Grundstück unbestritten im Freiland liegt, öffentliche Interessen nicht geltend gemacht wurden und das Gebäude des Beschwerdeführers auch nicht landwirtschaftlichen Zwecken dienen soll. Nach Ansicht des Beschwerdeführers kann es durch diese Einschränkung nur Ziel des Gesetzgebers gewesen sein, sämtliche Schadensereignisse zu erfassen, die für den jeweiligen Bauwerksinhaber "höhere Gewalt" waren, um so sicherzustellen, daß ihm nicht durch die Freilandausweisung seines Grundstückes ungerechtfertigte Nachteile erwüchsen; diese Überlegung werde auch durch die Möglichkeit verstärkt, innerhalb der Grundstückgrenze sogar die Vergrößerung von Bauten bis auf das Doppelte zu ermöglichen. Andererseits sei es gleichheitswidrig, die Vernichtung eines Hauses durch Feuer als Folge eines Blitzschlages anders zu behandeln als infolge einer Brandstiftung.
Es kann nun dahingestellt bleiben, ob die von der belangten Behörde gewählte einschränkende Interpretation des "Elementarereignisses" dem Willen des Gesetzgebers entspricht oder ob dieser Begriff nicht im Sinne aller von außen kommenden Ereignisse zu verstehen ist. Außerhalb des äußersten Wortsinns des Begriffes "Elementarereignis" liegt aber jedenfalls der Einsturz eines Hauses bei dem Versuch, es zu "sanieren", da bei derartigen Bauführungen stets mit einem Einsturz infolge Störung des labilen Gleichgewichtes gerechnet werden muß, weshalb gegen ein solches Ereignis - anders als bei einem Elementarereignis - entsprechende Vorkehrungen getroffen werden können. Derartige Ereignisse bilden einen in der Rechtssphäre des Bauwerbers liegenden Umstand, dessen Nichtberücksichtigung in § 25 Abs. 3 ROG in keinem Fall als gleichheitswidrig anzusehen ist. An dieser Auslegung kann auch die vom Gesetzgeber eingeräumte Möglichkeit, konsentierte Bauten unter bestimmten weiteren Voraussetzungen auf das Doppelte zu vergrößern, nichts ändern, da in diesen Fällen dem bestehenden Baukonsens in einem beschränkten Umfang der Vorrang vor den Intentionen der Flächenwidmung eingeräumt wurde. Hier ist jedoch der Baukonsens durch die - wie immer - erfolgte Zerstörung des Altbestandes untergegangen.
Die belangte Behörde hat daher zumindest im Ergebnis zu Recht das Bauansuchen des Beschwerdeführers abgewiesen. Damit ergibt sich bereits aus dem Beschwerdevorbringen, daß durch den angefochtenen Bescheid Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzt wurden. Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne weiteres Verfahren abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993060033.X00Im RIS seit
11.07.2001