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10 VerfassungsrechtLeitsatz
Zurückweisung der im Zusammenhang mit der Vergabe von Fördermitteln erhobenen Ministeranklage gegen einen Landesrat mangels Erfüllung der FormerfordernisseSpruch
Der Beschluß des Kärntner Landtages vom 25. September 1990, mit dem gegen Landesrat M R Anklage gemäß den Art142 und 143 B-VG (Ministeranklage) erhoben wird, wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1. Dem von der Ersten Präsidentin des Kärntner Landtages mit Schreiben vom 27. September 1990, Ldtgs.Zl. 78-6/26, vorgelegten beglaubigten Protokoll über die Sitzung des Kärntner Landtages vom 25. September 1990 ist zu entnehmen, daß der Kärntner Landtag in dieser Sitzung einen "Abänderungsantrag" gemäß §54 der Geschäftsordnung des Kärntner Landtages angenommen hat, dessen Punkt 2 wie folgt lautet:
"Gegen LR M R wird Anklage gemäß der Art142 und 143 B-VG (Ministeranklage) beim Verfassungsgerichtshof wegen Verdachtes strafgerichtlich zu verfolgender Handlungen und wegen Verdachtes des Bruches der Landesverfassung gemäß Art44 Abs1 in Verbindung mit Art36 L-VG sowie Verdachtes des Bruches der Bundesverfassung (Art127 B-VG) sowie Verdachtes der Verletzung der Geschäftsordnung des Amtes der Landesregierung vom 8. April 1975, LGBl. Nr. 79/75, in der Fassung LGBl. Nr. 50/81 in Verbindung mit der Geschäftsaufteilung vom 30. 10. 1984, LGBl. Nr. 70/84 und Verdachtes der Nichtbeachtung der Richtlinien für die Förderung von Siedlungswasserbauten aus Landesmitteln (Fassung 1983) bzw. aufgrund des Verdachtes anderer durch den Verfassungsgerichtshof im Zuge seiner Prüfung festgestellter Gesetzesverletzungen erhoben:
LR M R hat zugelassen, daß eine Förderungszusage vom 9. 12. 1985 an die Firma Z GesmbH von LH-Stv. E F, der dazu keine Kompetenz hatte, unterzeichnet worden ist. Nachdem LR M R am 17. 9. 1985 den Antrag zur Förderung regionaler Abwasseranlagen in die Landesregierung eingebracht hat, ergibt sich daraus zwingend, daß er von seinem weiteren Handlungsbedarf und seiner Zuständigkeit in dieser Frage Kenntnis haben mußte. Aufgrund des Budgetbeschlusses des Kärntner Landtages vom 29. 10. 1985 wurde dem Referat von LR M R ein Betrag von 30 Mio. Schilling unter dem VA 62011 "Seenreinhaltung und regionale Anlage- und Sonderfinanzierung/Beiträge an Gemeinden als Wasserverbände" zur Vollziehung übertragen. In Kenntnis seiner Zuständigkeit hat er zugelassen, daß das unzuständige Mitglied der Landesregierung, LH-Stv. E F die Förderungszusage über diese Mittel an das gemäß Wasserbautenförderungsgesetz nicht empfangsberechtigte Unternehmen "Zellstoff Villach" erteilt hat.
Da bereits am 12. 12. 1985 aufgrund dieser gesetzwidrigen Förderungszusage eine erste Teilrate aus VA 62011 von S 30 Mio. zur Auszahlung kam und diese Auszahlung, von der im Kompetenzbereich des LR M R angesiedelten Abteilung 18 W vorgenommen worden ist und nicht von der im Kompetenzbereich des LH-Stv. E F angesiedelten Abt. 4 (Finanzabteilung) ist schlüssig von der Tatsache auszugehen, daß LR M R bekannt war, daß ein unzuständiges Regierungsmitglied die Unterschrift vom 9. 12. 1985 geleistet hat. Da in den nachfolgenden Jahren aufgrund dieser Förderungszusage weitere Teilraten zur Auszahlung kamen, und die jährlichen Budgeterfordernisse der Abt. 18 W von LR M R an LH-Stv. E F bekanntgegeben worden sind, ist evident, daß LR M R davon Kenntnis haben mußte. LR M R hat damit die in der Bundesverfassung und Landesverfassung normierten Sorgfaltspflichten bei der Tätigkeit des Landes Kärnten als Träger von Privatrechten gröblich verletzt. Weiters hat LR M R gegen die aufgrund der Verfassung sich ergebene Richtlinienkompetenz des Kollegiums der Landesregierung verstoßen. Und zwar hat die Kärntner Landesregierung mit Beschluß vom 24. 4. 1983 (Richtlinien für die Förderung von Siedlungswasserbauten aus Landesmitteln, Zahl: Bau 18W-3/11/1983) im Rahmen dieser Richtlinienkompetenz eine Selbstbindung vorgenommen, welche ausschließlich durch sie selbst wieder abänderbar gewesen wäre. Diese Abänderung wurde von der Landesregierung nicht vorgenommen, sondern LR M R hat diesen Förderungsfall richtlinienwidrig beurteilt und der Landesregierung zur Beschlußfassung vorgelegt. Er hat damit eine verfassungswidrige Abänderung der Richtlinien eigenmächtig vorgenommen und dadurch schuldhaft eine Gesetzesverletzung begangen.
Die zitierten Richtlinien der Landesregierung sind als Verordnung der Landesregierung im selbständigen Wirkungsbereich anzusehen, sodaß sich bereits hiedurch eine unmittelbare Gesetzesverletzung durch die Nichteinhaltung der Richtlinien ergibt. Der Verordnungscharakter ergibt sich aufgrund der Außenwirkung dieser Richtlinien. Es mag zwar entgegengehalten werden, daß die Richtlinien nicht im Landesgesetzblatt kundgemacht worden sind, jedoch ergibt sich zwingend eine ausreichende Publizität aufgrund der tagtäglich erfolgenden Anwendung gerade dieser Richtlinien. Überdies sind diese Richtlinien in der zuständigen Abteilung 18 W der Kärntner Landesregierung und anderen Behörden und Institutionen, insbesondere in den Wasserbauämtern und Kammern aufgelegen und es der Kärntner Landesregierung und anderen Behörden und Institutionen, insbesondere in den Wasserbauämtern und Kammern aufgelegen und es war für jedermann möglich, Einsicht in diese Richtlinien zu nehmen. Die Publizität ergibt sich auch aus der parallel durchgeführten Beurteilung und Handhabung im Rahmen der Förderungspraxis jener Förderungsvergaben aufgrund des Wasserbautenförderungsgesetzes und der Vergabe von Landesmitteln aufgrund dieser Richtlinien."
2.a) Gemäß §72 Abs1 VerfGG 1953 werden u.a. die von einem Landtag beschlossenen Anklagen beim Verfassungsgerichtshof durch Übermittlung einer beglaubigten Abschrift des Protokolls über die Sitzung erhoben, in der der Anklagebeschluß gefaßt worden ist. Gemäß §72 Abs2 leg.cit. hat der Vertretungskörper zugleich die Mitglieder zu bezeichnen, die mit der Vertretung der Anklage vor dem Verfassungsgerichtshof beauftragt sind.
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Beschluß VfSlg. 10314/1984 ausgesprochen, daß im Hinblick auf die staatsrechtliche Bedeutung eines derartigen Aktes ein Schriftsatz nur dann als Anklage im Sinne des Art142 B-VG angesehen werden kann, wenn er diese Qualifikation mit voller Deutlichkeit erkennen läßt. Er muß daher den im §207 Abs2 bis 4 StPO für eine Anklageschrift verlangten Voraussetzungen entsprechen. Dies ergibt sich auch aus dem Umstand, daß gemäß §81 VerfGG 1953 für Verfahren über die nach Art142 und 143 B-VG erhobenen Anklagen, soweit im VerfGG 1953 keine abweichende Bestimmung getroffen ist, die Strafprozeßordnung sinngemäß gilt.
Weiters muß eine solche Anklage schon im Hinblick auf §15 Abs2 VerfGG 1953 ein bestimmtes Begehren enthalten (vgl. auch hiezu VfSlg. 10314/1984).
b) Gemäß §73 VerfGG 1953 sind, wenn eine Anklage auch gemäß Art143 des B-VG erhoben wird, in der Anklageschrift die dem Beschuldigten zur Last gelegten strafbaren Handlungen nach allen ihren gesetzlichen, die Anwendung eines bestimmten Strafsatzes bedingenden Merkmalen, ihre gesetzliche Benennung und die Stellen des Strafgesetzes, deren Anwendung beantragt wird, anzuführen.
3. Der Beschluß des Kärntner Landtages erfüllt alle diese Erfordernisse nicht.
a) Da es sich um eine sowohl auf Art142 als auch auf Art143 B-VG gestützte Anklage handelt und in dieser keine äußere Trennung entsprechend diesen beiden Verfassungsbestimmungen vorgenommen wurde, bleibt es vollkommen offen, inwieweit dem Beschuldigten nur eine Rechtsverletzung im Sinne des Art142 B-VG oder auch eine strafbare Handlung im Sinne des Art143 B-VG zur Last gelegt wird.
Daß ferner der Beschluß des Landtages, soweit er sich auf Art143 B-VG gründet, den Voraussetzungen des §73 VerfGG 1953 in keiner Weise entspricht, ist offenkundig. Da es sich um einen einheitlichen Schriftsatz handelt, bewirkt schon dieser der Anklage im Sinne des Art143 B-VG anhaftende Mangel die Unzulässigkeit der gesamten Anklage.
b) Der auf Art142 Abs2 litc B-VG gegründete Beschluß des Kärntner Landtages ist aber auch als solcher nicht zulässig.
Den Bestimmungen des §207 Abs2 und 3 StPO über die Anklageschrift ist zu entnehmen, daß die Anklageschrift in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise erkennen lassen muß, welcher inkriminierte Tatbestand als Gesetzesverletzung im Sinne des Art142 Abs2 litc B-VG gewertet wird. Der vorliegende Beschluß entspricht dieser Voraussetzung nicht. Er nennt zwar verschiedene Rechtsvorschriften, doch fehlt eine in Einzelheiten gehende Zuordnung des behaupteten rechtswidrigen Verhaltens zu konkreten gesetzlichen Bestimmungen.
c) Verstärkt wird dieser Mangel noch durch den Umstand, daß der Beschluß kein ausdrücklich formuliertes bestimmtes Begehren im Sinne des §15 Abs2 VerfGG 1953 enthält. (Ein solches bestimmtes Begehren war in der Anklage enthalten, über die mit Erk. VfSlg. 10510/1985 meritorisch entschieden wurde.)
4.a) Hervorzuheben bleibt noch, daß der - sprachlich teilweise schwer verständliche - Beschluß des Landtages offenbar (vgl. die Wortreihe "bzw. auf Grund des Verdachtes anderer durch den Verfassungsgerichtshof im Zuge seiner Prüfung festgestellter Gesetzesverletzungen") dem Verfassungsgerichtshof die Aufgabe übertragen will, von sich aus nach weiteren Gesetzesverletzungen zu forschen. Dies widerspricht offenkundig dem in den Art142 und 143 B-VG zum Ausdruck kommenden Anklageprinzip.
b) Im Hinblick auf die aus anderen Gründen gegebene Unzulässigkeit des Beschlusses war nicht weiter darauf einzugehen, daß der Beschluß entgegen dem §72 Abs2 VerfGG 1953 nicht die Mitglieder des Kärntner Landtages bezeichnet, die mit der Vertretung der Anklage vor dem Verfassungsgerichtshof beauftragt sind.
5. Dies konnte in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 litc VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Anklage, Ministeranklage, AnklageprinzipEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1990:E1.1990Dokumentnummer
JFT_10098987_90E00001_00