TE Vwgh Erkenntnis 1993/4/13 92/05/0219

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Veröffentlicht am 13.04.1993
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Index

L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L81704 Baulärm Oberösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §68 Abs1;
AVG §8;
BauO OÖ 1976 §57 Abs2;
BauO OÖ 1976 §64;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des A in P, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Gemeinderat der Gemeinde P wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend ein Ansuchen um Erteilung einer Benützungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

In Anwendung des § 42 Abs. 4 VwGG wird gemäß § 57 Abs. 5 der O.ö. Bauordnung i.V.m. § 73 AVG die Benützungsbewilligung für die mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde P vom 8. August 1988, Zl. Bau-403/686-1988, bewilligten Bauvorhaben versagt.

Die Gemeinde P hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 8. August 1988 bewilligte der Bürgermeister der Gemeinde P dem Ersten Gemeinnützigen Kleingartenverein P die Errichtung von zwei Gemeinschaftshäusern für den Campingplatzbetrieb auf dem Grundstück 294/1, KG P I. Unter Punkt 5) wurde vorgeschrieben, daß die Einreichunterlagen entsprechend den Festlegungen im Befund der Verhandlungsschrift umzuändern seien. Insbesondere seien sämtliche Abstände einzutragen und es sei ein Projekt über die Abwasserbeseitigung vorzulegen. In der Verhandlung war festgehalten worden, daß die Situierung der eingeschoßigen Holzriegelbauwerke in Abweichung vom Einreichplan so erfolgen werde, daß die Gebäude von der östlichen Grundgrenze zur Parzelle 277/1 einen Mindestabstand von 5 m, und untereinander einen Abstand von 10 m erhalten. Von der nördlichen Grundgrenze zur Parzelle 293/3 werde ein Abstand von rund 22 m eingehalten. Eigentümer der für die Bebauung vorgesehenen Grundflächen ist der Beschwerdeführer.

In der Folge wurden die Baulichkeiten abweichend von der erteilten Baubewilligung errichtet, wie einem Aktenvermerk vom 6. Dezember 1988 zu entnehmen ist. Mit Eingabe vom 12. Jänner 1990 ersuchte der Beschwerdeführer um behördliche Überprüfung, ob die bisher durchgeführten Baumaßnahmen den Bestimmungen der O.ö. Bauordnung (BO) bzw. der

O.ö. Feuerpolizeiordnung entsprechen. Gleichzeitig teilte er mit, daß vom ehemaligen Pächter des Grundstückes, dem Kleingartenverein, die Hütten errichtet worden seien. In einer weiteren Eingabe vom selben Tag ersuchte der Beschwerdeführer um die Erteilung der Benützungsbewilligung. Eine für 5. Februar 1990 anberaumte Verhandlung wurde wieder abgesetzt, weil der Obmann des Kleingartenvereins P dem Gemeindeamt telefonisch mitteilte, daß die Objekte noch nicht fertiggestellt seien und er daher gegen eine Kollaudierung sei. Nach einem erfolglosen Schriftwechsel stellte der Beschwerdeführer den beim Gemeindeamt P am 16. Oktober 1990 eingelangten Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht an den Gemeinderat. Nach Einholung von Rechtsauskünften beim Amt der O.ö. Landesregierung forderte der Bürgermeister den Beschwerdeführer mit einem Schreiben vom 2. November 1992 auf, den Nachweis zu erbringen, daß er als Bauherr berechtigt sei, um die Erteilung der Benützungsbewilligung anzusuchen. Der Obmann des Kleingartenvereines P habe nämlich mitgeteilt, daß er Bauherr der Anlage sei. Der nunmehr anwaltlich vertretene Beschwerdeführer teilte in einem Schriftsatz vom 11. November 1992 der Gemeinde mit, daß der Beschwerdeführer als grundbücherlicher Eigentümer in jedem Fall berechtigt sei, einen Antrag auf Erteilung der Benützungsbewilligung zu stellen. Der Kleingartenverein P habe mit der Angelegenheit nichts mehr zu tun, wobei in diesem Zusammenhang auf ein beim Bezirksgericht Linz anhängiges Verfahren verwiesen wurde. Die Behörden seien von Amts wegen verpflichtet, den maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln, es entspreche daher nicht dem Gesetz, die Entscheidung von einer Beweisführung durch den Antragsteller abhängig zu machen.

In der Zwischenzeit hatte der Beschwerdeführer bereits am 27. August 1992 Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. Mit Verfügung vom 4. September 1992 leitete der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 35 Abs. 3 VwGG das Vorverfahren ein. Der belangten Behörde wurde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG eine Frist von drei Monaten zur Erlassung des versäumten Bescheides eingeräumt bzw. sie aufgefordert, gemäß § 36 Abs. 1 VwGG die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

Mit Schreiben vom 30. November 1992 teilte der Bürgermeister dem Verwaltungsgerichtshof mit, daß eine bescheidmäßige Erledigung noch nicht erfolgt sei, da der Beschwerdeführer bisher nicht nachweisen hätte können, daß er der rechtmäßige Bauherr im Verfahren sei. Am 23. November 1992 sei eine Verhandlung durchgeführt worden und entsprechend dem Ergebnis dieser Verhandlung im Einvernehmen mit dem Beschwerdeführer festgestellt worden, daß dennoch für die Behörde ein geeigneter Beweis der Bauherrnschaft unerläßlich sei und eine bescheidmäßige Erledigung erst bei Vorliegen eines solchen Beweises möglich sei.

Am 23. November 1992 fand in Anwesenheit des Beschwerdeführers eine mündliche Verhandlung statt, bei der festgestellt wurde, daß die bewilligten Hütten abweichend von der erteilten Baubewilligung errichtet worden sind. Der vorgesehene Abstand der nördlichen Hütte zur nördlichen Grundgrenze von rund 22 m sei eingehalten worden, es sei jedoch eine Verschiebung nach Osten erfolgt und der geringste Abstand betrage hier ca. 7,5 m an Stelle der im Einreichplan vorgesehenen rund 9 m. Die zweite Hütte weise vom nördlichen Objekt an der engsten Stelle zwischen den Außenwänden einen Abstand von lediglich 3,9 m auf, von der östlichen Grundgrenze betrage der Abstand wiederum ca. 7,5 m. Diese Änderung der laut Baubescheid unter Punkt 6) vorgeschriebenen Situierung stelle jedenfalls eine Maßnahme dar, die eine Baubewilligung im Sinne des § 57 Abs. 5 BO erfordere und demnach sei die Benützungsbewilligung zu versagen. Eine Verschiebung eines Gebäudes um 1,5 m bzw. der Abstände untereinander von über 6 m sei als nicht unwesentlich zu betrachten und übe dies einen Einfluß auf den Brandschutz sowie das Orts- und Landschaftsbild aus. Nach weiteren Feststellungen bezüglich der Bauausführung wurde die Frage erörtert, ob der Beschwerdeführer als Bauherr zur Stellung des Ansuchens um Erteilung der Benützungsbewilligung berechtigt sei. Der Beschwerdeführer bemerkte in diesem Zusammenhang, daß ihm der Obmann des Kleingartenvereines P die Schlüssel für die bauliche Anlage übergeben habe und er daraus schließe, daß der Kleingartenverein mit den Baulichkeiten nichts mehr zu tun habe. Dem hielt die Gemeinde entgegen, daß im Bauakt kein schlüssiger Beweis für den Übergang der Bauherrneigenschaft vom Kleingartenverein P auf den Beschwerdeführer aufscheine. Dieser Beweis könne daher nur in einer eindeutigen Erklärung des Baubewilligungsinhabers erblickt werden, aus der hervorgehe, daß der Kleingartenverein P seinen Rechtsstatus als Baubewilligungsinhaber an den Grundeigentümer abtrete, oder allenfalls durch ein Gerichtsurteil, das über die Bauherrnfrage Aufschluß gebe. Dem Beschwerdeführer wurde in Aussicht gestellt, daß eine bescheidmäßige Entscheidung über das Ansuchen um Erteilung der Benützungsbewilligung erst nach Vorliegen geeigneter Unterlagen betreffend die Beantwortung der Bauherrnfrage möglich sei.

Mit Verfügung vom 24. Dezember 1992 forderte der Verwaltungsgerichtshof den Obmann des Ersten Gemeinnützigen Kleingartenvereines P auf, binnen drei Wochen bekanntzugeben, ob und aus welchen Gründen er weiterhin als Bauherr im Sinne des § 57 BO zu beurteilen sei. Mit einem Telefax vom 3. Februar 1993 gab der Obmann bekannt, daß er als Bauherr des Baubewilligungsverfahrens die im Generalpachtvertrag vereinbarte Umwidmungsgarantie durch den Grundbesitzer nicht erhalten habe. Der Grundbesitzer habe den Generalpachtvertrag gelöst und weigere sich auch, für den entstandenen Schaden aufzukommen. Die Holzhäuser samt Kanal, Telefon usw. seien dem Grundbesitzer übergeben worden. Der Verein sei genötigt gewesen, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, habe aber bis heute noch keinen Zuspruch auf Schadenersatz erhalten. Als Nichtjurist sei er sich im unklaren, ob und wann unter diesen Voraussetzungen die Bauherrneigenschaft verloren gegangen sei. Dieses Schreiben wurde dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde mit Verfügung vom 15. Februar 1993 zur Kenntnis gebracht. Der Vertreter des Beschwerdeführers äußerte sich in einem Schriftsatz vom 11. März 1993 dahin, daß aus dem Telefax hervorgehe, daß der Kleingartenverein nunmehr keine rechtliche oder tatsächliche Beziehung zum Grundstück habe. Im Hinblick auf die dingliche Wirkung des Baubewilligungsbescheides sei der Beschwerdeführer Bauherr und habe daher Anspruch auf eine Benützungsbewilligung.

Auch die belangte Behörde vertrat in einem Schreiben vom 15. März 1993 die Auffassung, daß im Hinblick auf die Übergabe der Holzhäuser samt Kanal an den Grundbesitzer der Schluß gezogen werden könne, daß nunmehr der Beschwerdeführer als Bauherr der Anlage anzusehen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 27 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

Da die belangte Behörde als oberste Behörde im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde über den vom Beschwerdeführer gestellten Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat, erweist sich die Beschwerde als zulässig.

Gemäß § 57 Abs. 2 Satz 1 der O.ö. Bauordnung hat bei Neu-, Zu- und Umbauten von Gebäuden der Bauherr um die Erteilung der Benützungsbewilligung bei der Baubehörde anzusuchen. Nach Abs. 5 dieser Gesetzesstelle ist die Benützungsbewilligung zu versagen, wenn Planabweichungen festgestellt werden, die eine Baubewilligung erfordern (§ 53 Abs. 2), oder wenn Mängel hervorgekommen sind, die eine ordnungsgemäße Benützung im Sinne des § 23 hindern.

Da im Beschwerdefall als Bauherr im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens nicht der Grundeigentümer, sondern der Erste Gemeinnützige Kleingartenverein P aufgetreten ist, war zu prüfen, ob der Beschwerdeführer entsprechend der Vorschrift des § 57 Abs. 2 Satz 1 BO um die Erteilung der Benützungsbewilligung ansuchen durfte. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren hat nun ergeben, daß der Grundeigentümer zu Recht als Bauherr um die Erteilung der Benützungsbewilligung angesucht hat, ist er doch bezüglich der erteilten Baubewilligung als Rechtsnachfolger des früheren Bauwerbers zu beurteilen, wie sich ja die grundsätzliche Zulässigkeit eines Wechsels des Bauwerbers aus den Bestimmungen über die dingliche Wirkung eines Baubewilligungsbescheides nach § 64 BO ergibt (vgl. in diesem Zusammenhang auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Mai 1990, Zl. 90/05/0068). Die belangte Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, über das Ansuchen des Beschwerdeführers eine inhaltliche Erledigung zu treffen, zumal auf Grund der im Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz verankerten Grundsätze der Amtswegigkeit des Verfahrens und der Erforschung der materiellen Wahrheit die Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes Aufgabe der Behörde ist.

Die beantragte Benützungsbewilligung war jedoch zu versagen, weil die Holzhäuser abweichend von dem bewilligten Bauvorhaben jedenfalls nicht den vorgesehenen Mindestabstand von 10 m zueinander einhalten, wie dem Beschwerdeführer schon in einem Schreiben des Bürgermeisters der Gemeinde P vom 4. Oktober 1990 mitgeteilt worden ist. Daß die Objekte auch sonst abweichend von der Baubewilligung errichtet wurden, wurde anläßlich der Verhandlung am 23. November 1992 festgestellt und der Beschwerdeführer ist diesen Feststellungen nicht entgegengetreten. Im Rahmen dieses Verfahrens war nicht zu prüfen, ob die Erwirkung einer nachträglichen Baubewilligung in Betracht kommt.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG und die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Baurecht Grundeigentümer Rechtsnachfolger Rechtskraft Besondere Rechtsprobleme Person des Bescheidadressaten dingliche Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992050219.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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