Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AWG 1990 §42 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Degischer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der S in N, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 20. Februar 1991, Zl. R/3-M-686/42, betreffend Übertretung des Sonderabfallgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren der Beschwerdeführerin wird abgewiesen.
Begründung
Die Bezirkshauptmannschaft erließ gegenüber der Beschwerdeführerin das mit 16. November 1990 datierte Straferkenntnis, dessen Spruch nachstehenden Wortlaut hat:
"Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:
Sie haben als im Sinne des § 9 VStG 1950 zur Vertretung nach außen berufenes Organ (handelsrechtl. Geschäftsführerin) der B Ges.m.b.H., in S, zu verantworten, daß diese Gesellschaft in der Zeit von 12.4.1990 bis 11.7.1990 im Standort S die Tätigkeit eines Sonderabfallsammlers entgegen dem § 11 Sonderabfallgesetz ohne Erlaubnis des Landeshauptmannes ausgeübt hat, indem diese Gesellschaft Sonderabfälle wie im beiliegenden Verzeichnis angeführt gesammelt hat.
Übertretungsnorm: § 22 Abs. 1 lit. i Sonderabfallgesetz, BGBl. Nr. 186/83 i.d.F. BGBl. Nr. 256/89
Strafnorm: § 22 Abs. 1 Sonderabfallgesetz
Über Sie wird folgende Geldstrafe verhängt: S 100.000.-
Ersatzfreiheitsstrafe: 10 Tage
Vorgeschriebener Kostenbeitrag: S 10.000.-
Rechtsgrundlage: § 64 Abs.2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1950."
Das als "Beiblatt" zu diesem Straferkenntnis bezeichnete "Verzeichnis" lautet wie folgt:
"Am 12.4.1990
800 kg Altöl von Fa.L
(SchlüsselNr. 54102)
" 400 kg ölhältige Abfälle u. Ölfilter
(SchlNr. 54928) von Fa. O
" 1550 kg Altöl (SchlNr. 54102) von Fa. W
" 200 kg Nitroverdünnung (SchlNr. 55359) von
Fa. C
" 200 kg Klemtex Reinigungsmittel (SchlNr. 52402)
von Fa. G
" 1400 kg Altöl (SchlNr. 54102) von Fa. C
" 800 kg Altöl (SchlNr. 54102) von Fa. LA
" 240 kg Ölfilter (SchlNr. 54928) von Fa. P
am 28.5.19900,
2 m3 ölhältige Abfälle (SchlNr. 54928) von Fa. L
am 7.6.1990
0,4 m3 ölhältige Abfälle u. Filter
(SchlNr. 54928) von Fa. H
400 kg Altöl (SchlNr. 54102) von Fa. H
am 11.7.1990 200 kg ölhältige
Abfälle (SchlNr. 54928) von
Fa. WA
" 240 kg ölhältige Abfälle (SchlNr. 54928) von
Fa. L
" 1000 kg Altöl (SchlNr. 54102) von Fa. WA
" 400 kg ölhältige Abfälle (SchlNr. 54928) von
Fa. O
" 400 kg Lackreste (SchlNr. 55502) von Fa. WI
" 1000 kg Altöl (SchlNr. 54102) von Fa. W
" 900 kg Altöl (SchlNr. 54102) von unbekannter Fa.
" 200 kg ölhältige Abfälle (SchlNr. 54928) von
Fa. K
" 200 kg Fixierbad (SchlNr. 52707) von
Fa. Qu
" 400 kg Entwickler (SchlNr. 52723) von
Fa. Qu
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 20. Februar 1991 wurde der gegen dieses Straferkenntnis eingebrachten Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben.
Mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 29. September 1992, Zl. B 385/91-6, wurde die Behandlung der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - gemäß § 34 Abs. 2 VwGG ergänzte - Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Mit dem am 1. Juli 1990 erfolgten Inkrafttreten des Abfallwirtschaftsgesetzes, BGBl. Nr. 325/1990, ist zufolge dessen § 42 Abs. 1 das Sonderabfallgesetz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 256/1989 außer Kraft getreten, woraus folgt, daß der Beschwerdeführerin hinsichtlich des nach dem 30. Juni 1990 gelegenen Tatzeitraumes eine Übertretung einer während dieses Zeitraumes nicht mehr dem Rechtsbestand angehörenden Vorschrift angelastet worden ist. Der von der belangten Behörde bestätigte erstinstanzliche Schuldspruch ist daher insofern rechtswidrig, als die Beschwerdeführerin einerseits nach dem 30. Juni 1990 keiner Erlaubnis des Landeshauptmannes gemäß § 11 des SONDERABFALLGESETZES bedurft hätte, um die ihr angelastete "Tätigkeit eines Sonderabfallsammlers" auszuüben, und verstößt andererseits gegen § 44a Z. 2 VStG, weil hinsichtlich des nach dem genannten Tag liegenden Tatzeitraumes nicht mehr die Vorschrift des § 22 Abs. 1 lit. i des Sonderabfallgesetzes als die durch die Tat verletzte Verwaltungsvorschrift angeführt werden durfte. Mit dem in diesem Zusammenhang in der Gegenschrift gegebenen Hinweis auf § 1 Abs. 2 VStG ist für den Standpunkt der belangten Behörde nichts zu gewinnen, weil darin lediglich vorgesehen ist, daß sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht richtet, es sei denn, daß das zur Zeit der Fällung des Bescheides in erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre. Diese Norm hat also nur die "Strafe", sohin die Sanktion, die nach § 44a Z. 3 VStG im Spruch des Straferkenntnisses anzuführen ist, zum Gegenstand, während es im Zusammenhang mit den vorstehenden Erwägungen darum geht, welche Verwaltungsvorschrift durch die Tat verletzt worden ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1979, Zl. 1429/77, wiedergegeben bei Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, II. Band, S. 47, E.Nr. 26). Wenngleich angesichts der für die Beschwerdeführerin gegenüber dem Abfallwirtschaftsgesetz günstigeren Strafdrohung des Sonderabfallgesetzes dessen Strafbestimmungen auch nach deren Außerkrafttreten hinsichtlich des während ihrer Wirksamkeit gesetzten Verhaltens zufolge der Vorschrift des § 1 Abs. 2 VStG mit Recht angewendet worden sind, war es aber - wie die Beschwerdeführerin zutreffend aufgezeigt hat - rechtswidrig, der Beschwerdeführerin auch hinsichtlich des nach dem Inkrafttreten des Abfallwirtschaftsgesetzes gesetzten Tatverhaltens eine Übertretung des Sonderabfallgesetzes anzulasten.
Durch den angefochtenen Bescheid sind daher Rechte der Beschwerdeführerin verletzt worden, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben war, ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen eingehen zu müssen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren der Beschwerdeführerin war abzuweisen, weil an Stempelgebühr für die in dreifacher Ausfertigung vorzulegende Beschwerdeergänzung lediglich S 360,-- zu entrichten waren.
Schlagworte
Mängel im Spruch Nichtangabe der verletzten Verwaltungsvorschrift Strafnorm Mängel im Spruch Nichtanführung unvollständige AnführungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992050299.X00Im RIS seit
20.11.2000