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24/01 Strafgesetzbuch;Norm
FrG 1993 §18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll,
Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 5. März 1993, Zl. Fr 481/93, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 5. März 1993 wurde über den Beschwerdeführer, einen pakistanischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und 2 Z. 1 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Sachverhaltsmäßig ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer am 2. April 1990 vom Kreisgericht Krems wegen §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Monaten und am 12. Juni 1992 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen §§ 12, 146, 147 Abs. 3 StGB rechtskräftig zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt worden sei. Im Hinblick auf die zweitgenannte Verurteilung sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG als verwirklicht anzusehen. Damit sei auch die Annahme gerechtfertigt, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährde oder anderen im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe.
Im Rahmen der Interessenabwägung kam die belangte Behörde zu dem Ergebnis, daß durch die offenkundige Neigung des Beschwerdeführers zur Negierung österreichischer strafgesetzlicher Vorschriften die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten sei. Den allenfalls dagegenstehenden Privatinteressen des Beschwerdeführers - nicht unbeachtliche Integration aufgrund seines viereinhalbjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet, Arbeit als selbständiger Kolporteur, Erforderlichkeit medizinischer Betreuung nach einem Verkehrsunfall - komme keine erhebliche Bedeutung zu. Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes würden unverhältnismäßig schwerer wiegen als die nicht unbeträchtlichen Auswirkungen dieser Maßnahme auf den privaten Bereich des Beschwerdeführers. Eine allfällige weitere Heilbehandlung sei auch außerhalb des Bundesgebietes möglich.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 18 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1 sowie der §§ 19 und 20 Abs. 1 FrG lauten:
§ 18. (1) Gegen einen Fremden ist ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt
1. die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder
2. anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder
1. von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist; einer solchen Verurteilung ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht dann gleichzuhalten, wenn sie den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.
§ 19. Würde durch eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Ziele dringend geboten ist.
§ 20. (1) Ein Aufenthaltsverbot darf nicht erlassen werden, wenn seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:
1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;
2.
die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen.
2.
Im Hinblick auf die - in der Beschwerde unbestritten gebliebene - rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 15 Monaten ging die belangte Behörde zutreffend von der Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG aus. Auch ihre darauf gründende Auffassung, es rechtfertige diese "bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1" (des § 18 FrG) die dort umschriebene Annahme, ist angesichts der dem Beschwerdeführer zur Last fallenden Rechtsverletzungen aus jüngster Vergangenheit nicht als rechtswidrig zu erkennen. Vorbehaltlich der Zulässigkeit dieser Maßnahme im Grunde des § 19 und des § 20 Abs. 1 (Abs. 2 dieser Bestimmung kommt sachverhaltsbezogen nicht in Betracht) war daher gegen den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot zu erlassen.
3. Der Beschwerdeführer wurde rechtskräftig wegen des Verbrechens des schweren Betruges (§ 147 Abs. 3 StGB) verurteilt. Wie gravierend dieser Gesetzesverstoß vom Gesetzgeber eingestuft wird, läßt der dafür vorgesehene Strafrahmen: Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren deutlich erkennen. Zu Recht hat demnach die belangte Behörde dieser Verurteilung des Beschwerdeführers, in der eine grobe Mißachtung des Rechtsgutes des Eigentums zum Ausdruck kommt, sehr großes Gewicht beigemessen. Sie hat aber auch - entgegen der Ansicht der Beschwerde - rechtlich einwandfrei die aus dem Jahr 1990 stammende rechtskräftige gerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 1 StGB zur Gewichtung des für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interesses berücksichtigt. Dem stand der Umstand, daß diese Verurteilung für sich allein gesehen keine "bestimmte Tatsache" im Sinne des § 18 Abs. 1 FrG darstellt, nicht entgegen, wurde doch mit diesem nicht das Vorliegen des maßgeblichen öffentlichen Interesses überhaupt dargetan, sondern das Gewicht des in der Verurteilung wegen schweren Betruges begründeten öffentlichen Interesses noch zusätzlich unterstrichen.
Diesem sehr gewichtigen maßgeblichen öffentlichen Interesse hatte die belangte Behörde an relevanten privaten Interessen des Beschwerdeführers dessen viereinhalbjährigen Aufenthalt in Österreich sowie die - behauptetermaßen notwendige - (weitere) medizinische Betreuung des Beschwerdeführers nach einem Verkehrsunfall - eine Berücksichtigung des beruflichen Fortkommens ist nach § 20 Abs. 1 FrG nicht vorgesehen - gegenüberzustellen und diese gegenläufigen Interessen gegeneinander abzuwägen. Diese Privatinteressen - daß die medizinische Betreuung des Beschwerdeführers auch in einem anderen Land weitergeführt werden könne, wurde im angefochtenen Bescheid zutreffend aufgezeigt - sind indes keineswegs von solchem Gewicht, daß die Ansicht der belangten Behörde, es sei das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im § 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (näherhin zum Schutz der öffentlichen Ordnung sowie der Rechte anderer und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen) dringend geboten (§ 19 FrG), als rechtswidrig zu erkennen wäre. Gleiches gilt hinsichtlich der Abwägung im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG. Denn die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wiegen angesichts der dargestellten, insgesamt betrachtet geringen privaten Interessen jedenfalls nicht schwerer als die sich aus dem maßgeblichen öffentlichen Interesse ergebenden nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung.
4. Was schließlich die in der Beschwerde bekämpfte Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes anlangt, so ist zunächst darauf hinzuweisen, daß § 21 Abs. 1 FrG im Fall des § 18 Abs. 2 Z. 1 leg. cit. die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes ausdrücklich für zulässig erklärt. Wenn die belangte Behörde im vorliegenden Fall die Verhängung dieser Maßnahme ohne Befristung für angebracht hielt, so kann ihr im Hinblick auf § 21 Abs. 2 FrG insoweit in Anbetracht der wiederholten Gesetzesverstöße und der sich darin manifestierenden Neigung des Beschwerdeführers zur beharrlichen Mißachtung der österreichischen Rechtsordnung nicht entgegengetreten werden, ist es doch von daher gesehen ohne weiteres nachvollziehbar, daß sie sich außerstande sah vorherzusehen, wann die Gründe für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes wegfallen würden (vgl. dazu aus der ständigen hg. Rechtsprechung zum Fremdenpolizeigesetz, die auch im Geltungsbereich des Fremdengesetzes zum Tragen kommt, etwa das Erkenntnis vom 3. Dezember 1992, Zl. 92/18/0341).
5. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren, somit auch ohne Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages hinsichtlich der Vorlage einer weiteren Beschwerdeausfertigung für den Bundesminister für Inneres, als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993180142.X00Im RIS seit
20.11.2000