TE Vfgh Beschluss 1990/11/26 G116/90

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Veröffentlicht am 26.11.1990
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Verfahrensanordnung
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit

Leitsatz

Abweisung eines Verfahrenshilfeantrags zur Einbringung einer "Individualbeschwerde" gegen die Ersatzfreiheitsstrafe als aussichtslos; Versäumung der Beschwerdefrist; kein Bescheidcharakter der Aufforderung zum Strafantritt; keine Zulässigkeit eines Individualantrags mangels unmittelbarer Betroffenheit

Spruch

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. Mit Schriftsatz vom 6. Juni 1990 beantragte der Einschreiter die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur "Einbringung einer Individualbeschwerde gegen die Ersatzarreststrafen im Verwaltungsstrafrecht". Von Ersatzfreiheitsstrafen würden nur minderbemittelte Staatsbürger betroffen, während sich finanziell besser gestellte Staatsbürger freikaufen könnten.

1.2. Über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes, darzulegen, ob der Antragsteller nach Bewilligung der Verfahrenshilfe eine Beschwerde gemäß Art144 B-VG oder einen Antrag gemäß Art140 B-VG einzubringen beabsichtige, legte dieser einen Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 30. Dezember 1988, einen Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Juli 1989 (mit diesem wurde der Antrag des Einschreiters auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gegen den vorgenannten Bescheid abgewiesen) und eine Aufforderung zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe vom 22. Mai 1990 vor und führte aus, er werde einen Verfahrenshelfer bitten zu prüfen, ob es möglich sei, sowohl einen Individualantrag als auch eine Beschwerde gemäß Art144 B-VG gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 30. Dezember 1988 und gegen die Aufforderung zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe vom 22. Mai 1990 einzubringen.

2.1. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Einschreiter die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Beschwerde gemäß Art144 B-VG gegen den unter 1.2. genannten Bescheid bzw. gegen die Aufforderung zum Strafantritt oder zur Einbringung eines Antrages gemäß Art140 B-VG begehrt, weil beide Rechtsbehelfe im gegenständlichen Fall keine Aussicht auf Erfolg haben.

2.2. Die Einbringung einer auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 30. Dezember 1988, der dem Einschreiter am 18. Jänner 1989 zugestellt wurde, erwiese sich als verspätet, weil die sechswöchige Beschwerdefrist des §82 Abs1 VerfGG zum Zeitpunkt der Postaufgabe des vorliegenden Antrages (6. Juni 1990) schon verstrichen war; eine Unterbrechung dieser Frist trat somit nicht ein (§464 Abs3 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG).

2.3. Wollte sich der Einschreiter aber gegen die Aufforderung zum Strafantritt beschweren, ist er darauf zu verweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 4981/1965, 9046/1981, VfGH vom 3.10.1988, B1198/88, und vom 27.11.1989, B945/89) dieses Schreiben keinen Bescheid, sondern lediglich die nachdrückliche Erinnerung an einen bereits im Strafbescheid enthaltenen Befehl, die nicht in Beschwerde gezogen werden kann, darstellt. In Ermangelung eines tauglichen Beschwerdegegenstandes erwiese sich eine künftige, auf Aufhebung dieser Aufforderung gerichtete Beschwerde daher ebenfalls als aussichtslos.

2.4. Aber auch ein nach Bewilligung der Verfahrenshilfe eingebrachter Individualantrag gemäß Art140 B-VG hätte keine Aussicht auf Erfolg. Wie sich aus der Vorlage des Bescheides der Oberösterreichischen Landesregierung vom 30. Dezember 1988, aber auch aus weiteren, beim Verfassungsgerichtshof von demselben Einschreiter eingebrachten und zu B1035/90 und B1154/90 protokollierten Anträgen auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung von Beschwerden gegen Strafbescheide, in denen für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt wurde, ergibt, war bzw. sind verwaltungsbehördliche Strafverfahren bereits anhängig. Somit fehlt aber die für einen Individualantrag auf Gesetzesprüfung in Art140 Abs1 B-VG festgelegte Voraussetzung, daß das (angefochtene) Gesetz (insbesondere) ohne Erlassung eines Bescheides für die antragstellende Person wirksam geworden ist.

3. Bei dieser Sach- und Rechtslage war der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wegen offenbarer Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung (§63 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG) mit in nichtöffentlicher Sitzung gefaßtem Beschluß (§72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG) abzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Verfahrenshilfe, Bescheidbegriff, Verfahrensanordnung, Ersatzfreiheitsstrafe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:G116.1990

Dokumentnummer

JFT_10098874_90G00116_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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