TE Vwgh Erkenntnis 1993/4/14 93/18/0103

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Veröffentlicht am 14.04.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z1;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
MRK Art8 Abs2;
StGB §127;
StGB §129;
StGB §46 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des D in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 18. Jänner 1993, Zl. SD 639/92, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Gegen den Beschwerdeführer, einen polnischen Staatsangehörigen, wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 18. Jänner 1993 gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das "Bundesgebiet der Republik Österreich" erlassen.

In sachverhaltsmäßiger Hinsicht ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer im Zeitraum zwischen den Jahren 1984 und 1991 insgesamt viermal, davon dreimal wegen Diebstahls (davon zweimal wegen Einbruchsdiebstahls) rechtskräftig gerichtlich verurteilt worden sei und er sich von Mai 1987 bis September 1992 unerlaubt in Österreich aufgehalten habe (wofür er auch wegen Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes bestraft worden sei). Die dreimalige Verurteilung wegen Diebstahls erfülle den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG, und zwar in zweifacher Hinsicht, da der Beschwerdeführer einmal zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten verurteilt worden sei, und die den Verurteilungen zugrunde liegenden strafbaren Handlungen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhten. Damit sei auch nach § 18 Abs. 1 leg. cit. die Annahme gerechtfertigt, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährde bzw. den im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. Angesichts der sich über mehrere Jahre erstreckenden Straftaten des Beschwerdeführers, seiner mehrfachen Rückfälligkeit und der Verbüßung der letzten Strafe erst im Juli 1992 sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ungeachtet der bedingten Entlassung aus der Strafhaft zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, nämlich der Verhinderung strafbarer Handlungen und dem Schutz der Rechte Dritter, dringend geboten. Was die privaten (familiären) Interessen des Beschwerdeführers anlange, sei darauf zu verweisen, daß der Beschwerdeführer, der seit 1986 in Österreich lebe, sich hier seit 1987 ohne Aufenthaltsberechtigung, also illegal, aufhalte. Die Dauer seines Aufenthaltes könne daher bei der gebotenen Interessenabwägung ebensowenig relevant ins Gewicht fallen wie der Umstand, daß er im Jahr 1990, also während seines illegalen Aufenthaltes, die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossen habe. Bindungen zu seinem siebenjährigen Sohn, für den er jahrelang nicht einmal finanzielle Unterstützung geleistet habe, seien offensichtlich nicht gegeben. Auch der Umstand, daß der Beschwerdeführer nach seiner Haftentlassung eine Beschäftigung angenommen habe, sei nicht zu berücksichtigen gewesen. Die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wögen demnach schwerer als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Gattin. Die Voraussetzung des § 20 Abs. 2 FrG (deren Vorliegen die Verhängung des Aufenthaltsverbotes unzulässig machen würde) sei im Beschwerdefall nicht gegeben.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde, mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 18 Abs. 1 und 2 Z. 1 sowie der §§ 19 und 20 Abs. 1 - Abs. 2 ist sachverhaltsbezogen ohne Belang - FrG lauten:

§ 18. (1) Gegen einen Fremden ist ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt

1. die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder

2. anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

1. von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist; einer solchen Verurteilung ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht dann gleichzuhalten, wenn sie den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.

§ 19. Würde durch eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Ziele dringend geboten ist.

§ 20. (1) Ein Aufenthaltsverbot darf nicht erlassen werden, wenn seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen.

2. Die in der Sachverhaltsdarstellung angeführten drei rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen wegen Diebstahls (davon zwei wegen Einbruchsdiebstahls) blieben in der Beschwerde unbestritten. Zu Recht sah die belangte Behörde daher den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG als verwirklicht an. Sie hatte demnach vom Vorliegen einer "bestimmten Tatsache im Sinne des Abs. 1" (des § 18 FrG) auszugehen. Die darauf gründende rechtliche Beurteilung, es sei die Annahme gerechtfertigt, daß der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich die in der zuletzt zitierten Norm genannten öffentlichen Interessen gefährde bzw. ihnen zuwiderlaufe, ist angesichts der Schwere der den Verurteilungen zugrunde liegenden Gesetzesverstöße - das Verbrechen des Einbruchsdiebstahls ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren bedroht (§ 129 StGB) -, der in der wiederholten Begehung des Delikts des Diebstahls zum Ausdruck kommenden Neigung des Beschwerdeführers, die österreichische Rechtsordnung beharrlich zu mißachten, und im Hinblick auf den seit der jüngsten Verurteilung verstrichenen kurzen Zeitraum nicht als verfehlt zu erkennen.

3. Kommt den besagten Verurteilungen wegen Diebstahls unter dem Gesichtspunkt der Gefährdung öffentlicher Interessen schon für sich gesehen erhebliches Gewicht zu, so wird dieses im vorliegenden Fall noch durch die gerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Körperverletzung im Jahr 1985, vor allem aber durch den sich auf fünfeinhalb Jahre (Mai 1987 bis September 1992) erstreckenden unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich beträchtlich verstärkt. Dieses maßgebliche öffentliche Interesse ist jedenfalls so beschaffen, daß es die belangte Behörde ungeachtet des mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verbundenen Eingriffes in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in unbedenklicher Weise zu dem Ergebnis gelangen ließ, es sei diese Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, näherhin zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen des Beschwerdeführers und zum Schutz der Rechte anderer, dringend geboten (§ 19 FrG).

Gleichfalls keinen Bedenken begegnet das Ergebnis der behördlichen Interessenabwägung im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG. Zutreffend verwies die belangte Behörde darauf, daß angesichts seines zum Großteil illegalen Aufenthaltes im Bundesgebiet die damit verbundene Integration nicht entscheidend zugunsten des Beschwerdeführers ins Gewicht fällt. Gleiches gilt in bezug auf die während des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers von ihm mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossene Ehe. Daß die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Bindung zu seinem siebenjährigen Sohn als "offensichtlich nicht gegeben" erachtete, kann im Hinblick auf die unbestritten gebliebene Feststellung im bekämpften Bescheid, daß der Beschwerdeführer jahrelang seiner Alimentationsverpflichtung nicht nachgekommen sei, keineswegs als unschlüssig erkannt werden. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer ab 29. April 1991 bis zu seinem Strafantritt im Feber 1992 und nach seiner Haftentlassung seit Mitte August 1992 wieder einer Beschäftigung nachgeht, ist - im Gegensatz zur Ansicht der Beschwerde - rechtlich nicht bedeutsam, da auf das damit angesprochene berufliche Fortkommen des Beschwerdeführers nach § 20 Abs. 1 FrG - anders als früher gemäß § 3 Abs. 3 FrPolG - im Rahmen der Interessenabwägung nicht Bedacht zu nehmen ist. Der in diesem Zusammenhang behauptete Verfahrensmangel liegt somit nicht vor. Was schließlich die bedingte Haftentlassung des Beschwerdeführers (§ 46 Abs. 1 StGB) anlangt, so steht diese Tatsache - anders als die Beschwerde meint - der Unbedenklichkeit des Ergebnisses der Interessenabwägung durch die belangte Behörde nicht entgegen, oblag es ihr doch, eigenständig zu prüfen, ob und in welchem Ausmaß eine Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen (hier: der Verhinderung strafbarer Handlungen) anzunehmen ist. Die angebliche Rechtswidrigkeit ist somit auch in dieser Hinsicht zu verneinen.

4. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993180103.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

27.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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