TE Vwgh Erkenntnis 1993/4/14 93/18/0112

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Veröffentlicht am 14.04.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z6;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des N, zuletzt in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 16. Februar 1993, Zl. Fr 1926/92, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 16. Februar 1992 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und 2 Z. 6 Fremdengesetz - FrG ein bis zum 31. August 1997 befristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet erlassen.

In der Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe am 6. September 1991 bei der österreichischen Botschaft in Ankara einen Sichtvermerksantrag eingebracht, wobei er als Reiseziel die Adresse seines Bruders in Österreich angegeben und als Reisezweck "Besuch" (für die Dauer eines Monats) angegeben habe. Auf Grund des von dieser Botschaft am 6. September 1991 erteilten, bis 6. Oktober 1991 gültigen Sichtvermerkes sei der Beschwerdeführer am 13. September 1991 mit dem Flugzeug eingereist. Am 24. September 1991 habe der Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft X einen Asylantrag gestellt und angegeben, mit einem türkischen Lkw über Bulgarien und Jugoslawien nach Ungarn und von dort illegal über die grüne Grenze in das Bundesgebiet eingereist zu sein und über keinen Reisepaß zu verfügen. Am 3. August 1992 habe er bei dieser Behörde eine Beschäftigungsbewilligung vorgewiesen und "aus diesem Grunde" seinen Asylantrag zurückgezogen. Gleichzeitig habe er seinen, den erwähnten Sichtvermerk enthaltenden Reisepaß vorgewiesen.

Der Behörde seien zahlreiche Asylanträge nur zum Zwecke der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung und späteren Erlangung einer Beschäftigungsbewilligung bekannt. Die "Ernstlichkeit" des Asylantrages des Beschwerdeführers sei auch aus dem Umstand zu entnehmen, daß er diesen nach Erhalt der Beschäftigungsbewilligung zurückgezogen habe. Seither halte sich der Beschwerdeführer ohne Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet auf. Durch die Angaben des Beschwerdeführers bei der österreichischen Vertretungsbehörde sei nicht nur der Tatbestand im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG (früher des § 3 Abs. 2 Z. 6 Fremdenpolizeigesetz) erfüllt, sondern würden durch dieses Verhalten die für die Einwanderung und Arbeitsaufnahme geltenden Rechtsvorschriften verletzt und sei dadurch eine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung gegeben. Das Aufenthaltsverbot sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Gründe, insbesondere der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, notwendig. Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes würden unverhältnismäßig schwerer wiegen als die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers: In Österreich halte sich dessen Bruder auf. Im Heimatland des Beschwerdeführers würden seine Gattin, seine vier Kinder sowie zwei Brüder und drei Schwestern leben. Wenn auch auf Grund der Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine gewisse Integration feststellbar sei, so sei dennoch anzuführen, daß seine überwiegenden familiären Bindungen in seinem Heimatland gegeben seien. Die Ausübung des Berufes durch den Beschwerdeführer sei auch außerhalb des Bundesgebietes möglich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 18 Abs. 1, Abs. 2 Z. 6 sowie der §§ 19 und 20 Abs. 1 FrG lauten:

§ 18. (1) Gegen einen Fremden ist ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt

1. die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder

2. anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

6. gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 Abs. 1 und 3 zu verschaffen.

§ 19. Würde durch eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Ziele dringend geboten ist.

§ 20. (1) Ein Aufenthaltsverbot darf nicht erlassen werden, wenn seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen.

Was zunächst die Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG anlangt, so übersieht der Beschwerdeführer, daß sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ansicht der belangten Behörde entnehmen läßt, der Beschwerdeführer habe anläßlich des Sichtvermerksantrages bei der österreichischen Vertretungsbehörde in Ankara unrichtige Angaben über den Zweck und die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht, um sich die Einreise in das Bundesgebiet zu verschaffen. Die Beschwerdeausführungen, welche diese Annahme der belangten Behörde nicht in Zweifel stellen, sondern sich vielmehr mit den Angaben des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit seinem Asylantrag befassen, gehen daher am Wesentlichen vorbei. Zu Recht hat die belangte Behörde daher den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG als verwirklicht angesehen. Sie hatte demnach vom Vorliegen einer "bestimmten Tatsache im Sinne des Abs. 1" (des § 18 FrG) auszugehen. Die darauf gründende rechtliche Beurteilung, es sei die Annahme gerechtfertigt, daß der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich die in der zuletzt zitierten Norm genannten öffentlichen Interessen gefährde bzw. ihnen zuwiderlaufe ist angesichts des von der belangten Behörde unbedenklicherweise als erwiesen angenommenen Sachverhaltes nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Was die Vorschrift des § 19 FrG anlangt, so setzt die dort vorgesehene "Schranke" ("dringend geboten") voraus, daß durch eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen würde. Dazu ist festzuhalten, daß - wie auch der Gesetzgeber durch die konditionale Einleitung dieser Vorschrift ("Würde ...") zu erkennen gegeben hat - nicht jede solche Maßnahme einen derartigen Eingriff darstellt. Ist aber ein solcher Eingriff zu verneinen, so kommt die Einschränkung des § 19 FrG von vornherein nicht in Betracht. Ein derartiger Fall liegt hier, wie sich aus den oben dargestellten, in Hinsicht auf das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde ergibt, vor.

Da sich somit die Frage, ob ein Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer "dringend geboten" ist, nicht stellt, bedarf es auch keiner Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG, weil diese als die im Verhältnis zu jener des § 19 leg. cit. speziellere Abwägung nur dann vorzunehmen ist, wenn die Erlassung des Aufenthaltsverbotes als im Sinne des § 19 dringend geboten erachtet wurde.

Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993180112.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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