Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AlVG 1977 §1 Abs1 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde der H in G, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in G, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des Landesarbeitsamtes Steiermark vom 9. Oktober 1992, Zl. IVc 7022 B - Dr. Puy/S, betreffend Anspruch auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.900,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, die nach der Aktenlage vom 22. November 1962 bis 28. Juni 1992 als Aushilfskellnerin tageweise in einem Restaurationsbetrieb tätig war, beantragte am 29. Juni 1992 die Gewährung von Arbeitslosengeld. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Arbeitsamtes vom 31. August 1992 abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides heißt es nach Zitierung der §§ 7 Z. 2 und 14 AlVG, daß der Beschwerdeführerin 20 Tage arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung "fehlen" würden (ergänze: zur Erfüllung der Anwartschaft auf das Arbeitslosengeld). Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.
Mit Bescheid vom 9. Oktober 1992 hat die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben. Begründend heißt es in diesem Bescheid, daß bei wiederholter Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes die Anwartschaft erfüllt sei, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 52 Wochen oder in den letzten zwölf Monaten (Rahmenfrist) insgesamt 20 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei (§ 14 Abs. 2 AlVG). Die Rahmenfrist verlängere sich gemäß § 15 Abs. 1 AlVG um Zeiten, in denen der Arbeitslose u.a. arbeitssuchend bei einem österreichischen Arbeitsamt gemeldet war, Krankengeld bezogen oder sich in Spitalspflege befunden hat. Bei der Beschwerdeführerin habe es sich um eine wiederholte Geltendmachung des Arbeitslosengeldes gehandelt, wobei sie nachgewiesen habe, daß sie vom 22. November 1962 bis 28. Juni 1992 als Aushilfskellnerin in einer näher bezeichneten Brauhausrestauration beschäftigt gewesen sei, und zwar tageweise. Da sie innerhalb der Rahmenfrist vom 29. Juni 1991 bis 28. Juni 1992 nicht 140, bzw. vom 29. Juni 1990 bis 28. Juni 1992 nicht 364 Tage arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei, habe das Arbeitsamt den Antrag auf Arbeitslosengeld ablehnen müssen. Dem Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin (welches im wesentlichen darauf hinauslief, daß sie seit 1984 - richtig: 1962 - immer tageweise beim letzten Arbeitgeber gearbeitet und daher Anspruch auf Auszahlung des Arbeitslosengeldes hätte) entgegnete die belangte Behörde, daß die Beschwerdeführerin "nach den vorgelegten Unterlagen bzw. den beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger gespeicherten Daten" innerhalb der erstgenannten Rahmenfrist nur an 118 Tagen (16 Wochen und 6 Tage) bzw. innerhalb der zweitgenannten Rahmenfrist nur an 219 Tagen (31 Wochen und 2 Tage) arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei und damit die Anwartschaft gemäß § 14 Abs. 2 AlVG nicht erfüllt habe. Die von der Beschwerdeführerin vertretene Ansicht, daß bei einer Beschäftigung an Einzeltagen die Woche "nur mit fünf Tagen zu rechnen" sei, finde im Gesetz keine Deckung und es könne daher keine Berechnung in diesem Sinne erfolgen. Auch müsse der Ansicht der Beschwerdeführerin, es sei schon im Hinblick auf die gesetzlichen Ruhetage nicht möglich, in 20 Wochen 140 Versicherungstage zu erbringen, widersprochen werden. Da die Beschwerdeführerin nur für jeden einzelnen Tag, an dem sie gearbeitet habe (und nicht auch für ihre dazwischenliegenden Ruhetage) Beiträge zur Arbeitslosenversicherung geleistet hätte, könne in dieser Regelung keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes erblickt werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, der Sache nach Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 2 AlVG 1977 hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer (neben Arbeitsfähigkeit, Arbeitswilligkeit und Arbeitslosigkeit) die Anwartschaft erfüllt (und die Bezugsdauer noch nicht erschöpft) hat.
Gemäß § 14 Abs. 2 AlVG 1977 ist (außer im Falle der erstmaligen Inanspruchnahme des Arbeitsgeldes) die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten zwölf Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 20 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Die Anwartschaft ist im Falle einer weiteren Inanspruchnahme auch dann erfüllt, wenn der Arbeitslose die Anwartschaft gemäß § 14 Abs. 1 erster Satz erfüllt (das heißt, wenn er in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches insgesamt 52 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war).
Die Rahmenfristen des § 14 Abs. 1 bis 3 AlVG verlängern sich um verschiedene, im § 15 Abs. 1 genannte Zeiträume, die im Falle der Beschwerdeführerin nach der Aktenlage - deren Richtigkeit auch in der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen wird - nicht in Betracht kommen.
Ebensowenig ist strittig, daß die Beschwerdeführerin während der genannten Rahmenzeiträume weniger gemeldete Arbeitstage als die dort genannten, erforderlichen arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungszeiten aufzuweisen hat. Zutreffend gehen die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auch davon aus, daß die Prüfung der Frage, ob und in welchem Umfang die Beschwerdeführerin durch diese Beschäftigung während der Rahmenfristen Zeiten der Arbeitslosenversicherung erworben hat, von der belangten Behörde im Rahmen der ihr obliegenden Prüfung dieser Frage als Vorfrage zu beurteilen ist, zumal eine Entscheidung dieser Frage als Hauptfrage durch die dazu berufene Gebietskrankenkasse nicht vorliegt (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 20. Mai 1987, Zl. 86/08/0179, und vom 9. Februar 1993, Zl. 92/08/0103). Nicht strittig ist auch, daß die Beschwerdeführerin während des hier maßgebenden Zeitraumes in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG beschäftigt und daher (zu Recht) in der Unfall-, Kranken- und Pensionsversicherung nach dem ASVG vollversichert und gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG arbeitslosenversichert gewesen ist.
Strittig ist lediglich, ob die belangte Behörde zu Recht eine Versicherungspflicht nur an den einzelnen Tagen der Beschäftigung annehmen durfte, oder ob sie - wie die Beschwerdeführerin meint - eine durchlaufende Versicherungspflicht anzunehmen gehabt hätte, wobei in diesem Falle die Anwartschaft für das Arbeitslosengeld erfüllt wäre.
Die belangte Behörde ist ohne weiteres davon ausgegangen, daß eine Versicherungspflicht der Beschwerdeführerin nur an den einzelnen Tagen der Beschäftigung bestanden hat. In ihrer im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erstatteten Gegenschrift führt sie dazu aus, daß die Beschwerdeführerin in keinem Stadium des Verfahrens auf ein durchlaufendes Beschäftigungsverhältnis hingewiesen hätte, daß eine tageweise Beschäftigung von "Aushilfskellnerinnen" durchaus üblich sei und die bei der Beschwerdeführerin seit 30 Jahren bestehende Tätigkeit als Aushilfskellnerin auch nicht auf ein Abgehen von dieser Art des Vertragsverhältnisses für einzelne Tage schließen lasse; auch nach der Art der Beschäftigung an unterschiedlichen Tagen und in unterschiedlicher Dauer sei davon auszugehen gewesen, daß die Tätigkeit der Beschwerdeführerin entweder von Mal zu Mal vereinbart worden oder überhaupt erst nach jeweiliger Verständigung seitens des Dienstgebers zustande gekommen sei. Die Beschwerdeführerin habe nämlich keine "periodisch wiederkehrende Leistung" erbracht, sei auch nicht überwiegend am Wochenende und auch nicht durchschnittlich an drei Tagen in der Woche beschäftigt gewesen. Es lägen vielmehr völlig unterschiedliche Beschäftigungstage und ein völlig unterschiedlicher Einsatz pro Woche vor, wobei dies die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift für die 26. Woche 1991 bis zur 26. Woche 1992 durch eine Auflistung der jeweiligen Wochentage der Beschäftigung veranschaulicht. Diese Unregelmäßigkeit der Beschäftigung lasse es nach Auffassung der belangten Behörde nicht zu, daß von einem durchlaufenden Beschäftigungsverhältnis gesprochen werden könne.
Der Verwaltungsgerichtshof hat schon in seinem Erkenntnis vom 23. Juli 1970, Slg. Nr. 7859/A, sowie in den Erkenntnissen vom 27. März 1990, Zl. 89/08/0204, und vom 25. September 1990, Zl. 89/08/0119, ausgesprochen, daß für die Frage des Vorliegens einer durchlaufenden oder bloß tageweisen Versicherungspflicht bei tageweiser Beschäftigung zunächst maßgebend ist, ob eine Vereinbarung über eine im voraus bestimmte (oder doch bestimmbare) periodisch wiederkehrende Leistungspflicht (täglich, wöchentlich, monatlich) abgeschlossen wurde. Im Falle des Vorliegens einer solchen Vereinbarung besteht durchgehende Versicherungspflicht. Bei Fehlen einer solchen Vereinbarung stellen tatsächlich periodisch wiederkehrende Leistungen ein Indiz für eine im vorhinein zumindest schlüssig getroffene Vereinbarung dar (vgl. die Erkenntnisse vom 16. Jänner 1990, Zl. 88/08/0260, vom 27. März 1990, Zl. 89/08/0204, und vom 25. September 1990, Zl. 89/08/0334).
Die belangte Behörde hätte daher zunächst die Frage prüfen müssen, ob, bejahendenfalls welche Vereinbarungen zwischen der Beschwerdeführerin und dem Dienstgeber über die näheren Umstände der Erbringung der Dienstleistung im Jahre 1962 (oder auch in der Folge zu einem vor Beginn der Rahmenfristen liegenden Zeitpunkt) getroffen wurden. Hätte die Beschwerdeführerin eine im vorhinein bestimmte (oder doch bestimmbare) periodisch wiederkehrende Arbeitspflicht getroffen, so wäre das Vorliegen eines durchlaufenden versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen. Ein durchlaufendes Beschäftigungsverhältnis wäre auch dann anzunehmen, wenn sich der Dienstgeber verpflichtet hätte, die Beschwerdeführerin in einem bestimmten Mindestausmaß von Arbeitsstunden in Anspruch zu nehmen (bzw. zu bezahlen: vgl. das Erkenntnis vom 30. April 1991, Zl. 90/08/0134 mwH) oder wenn die Beschwerdeführerin zur Arbeitsleistung bei Inanspruchnahme auf Abruf verpflichtet war (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 27. März 1990, Zl. 89/08/0204) und nicht - wie im Falle des Erkenntnisses vom 23. Juli 1970, Slg. Nr. 7859/A - die Erbringung der abgerufenen Arbeitsleistung jederzeit auch ablehnen konnte. Der Einwand der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe keine "regelmäßigen" Arbeitsleistungen an bestimmten Wochentagen erbracht, verkennt, daß die periodische Wiederkehr der Arbeitsleistung nicht notwendigerweise regelmäßig an bestimmten Wochentagen erfolgen muß (vgl. das bereits erwähnte Erkenntnis vom 30. April 1991, Zl. 90/08/0134).
Da die Behörde (ausgehend von ihrer - vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten - Rechtsauffassung) keine Feststellungen darüber getroffen hat, ob ausdrückliche im vorhinein getroffene Vereinbarungen über eine periodisch wiederkehrende Arbeitsleistung im dargelegten Sinne vorliegen, war der Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Kostenmehrbegehren der Beschwerdeführerin auf Ersatz von weiteren S 120,-- Ersatz für Stempelgebühren war abzuweisen, weil die vom Beschwerdeführer vorgelegte vierte Beschwerdeausfertigung nicht erforderlich gewesen ist.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992080237.X00Im RIS seit
18.10.2001