TE Vwgh Erkenntnis 1993/4/20 91/08/0184

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Veröffentlicht am 20.04.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

ABGB §861;
ABGB §914;
ABGB §915;
ABGB §916;
AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs3 lita;
ASVG §11 Abs1;
ASVG §11 Abs3 lita;
ASVG §4 Abs2;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde des Dipl. Ing. Klaus L in V, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Kärnten vom 30. Oktober 1991, Zl. IVa 7022 B, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 6. Februar 1987 gab das Arbeitsamt Villach dem Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld gemäß § 7 Z. 1 in Verbindung mit § 12 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) mangels Arbeitslosigkeit keine Folge. Nach der Begründung sei der Beschwerdeführer als Geschäftsführer im Witwenfortbetrieb seiner Mutter selbständig erwerbstätig.

Der Bescheid des Landesarbeitsamtes Kärnten vom 18. November 1987, mit dem der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben worden war, wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. September 1991, Zl. 87/08/0317, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Mit dem nunmehr ergangenen angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers wiederum keine Folge und verneinte gemäß §§ 12 Abs. 1 und 12 Abs. 3 lit. b (Abs. 6 lit. c) AlVG einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 19. Jänner 1987 bis 11. Februar 1987. Die belangte Behörde legte dabei ihrer Entscheidung im wesentlichen folgenden Sachverhalt zugrunde: Der Beschwerdeführer sei seit 1. Mai 1983 im Betrieb seiner Mutter angestellt, die als Witwenfortführungsberechtigte den Betrieb aufgrund der Konzession zum Betrieb des Baumeistergewerbes ihres verstorbenen Ehegatten fortführe. Aufgrund des Bescheides des Landeshauptmannes von Kärnten vom 8. August 1986 sei der Beschwerdeführer zudem auch zum gewerberechtlichen Geschäftsführer dieses Betriebes bestellt worden und als solcher für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich. Diese Funktion übe er seither bis zum heutigen Tag ununterbrochen aus. Ohne die Tätigkeit eines gewerberechtlichen Geschäftsführers müßte die Mutter des Beschwerdeführers das Gewerbe zurücklegen. Infolge von Auftragsmangel sei der Betrieb über den Winter 1986/87 geschlossen worden. Das Dienstverhältnis mit allen Arbeitern und Angestellten sei gelöst bzw. ausgesetzt worden. Lediglich zwei Lehrlinge seien mit Reinigungs- und Wartungsarbeiten weiterbeschäftigt gewesen. Dies habe den Beschwerdeführer und seine Mutter veranlaßt, auch dessen Arbeitsverhältnis vorübergehend auszusetzen. Die Mutter habe dabei etwa folgende Worte gebraucht: "Es reicht, wenn ich alleine im Betrieb bin, wir müssen nicht beide drinnen sein". Die Aussetzung des Vertrages sei ab 18. Jänner 1987 auf unbestimmte Zeit, maximal jedoch auf eine Zeit von 90 Tagen, vereinbart worden. Dieser Aussetzungsvertrag sei in die äußere Form einer Kündigung durch den Dienstgeber zum 18. Jänner 1987 gekleidet worden. Kündigungsfrist und Kündigungstermin seien nicht eingehalten worden. Zu einer anteilsmäßigen Remuneration und Abfertigung sei es nicht gekommen. Der noch offene Urlaubsanspruch sei nicht abgegolten worden. Kündigungsentschädigung infolge fristwidriger Kündigung habe der Beschwerdeführer nicht begehrt. Anläßlich der Aussetzung des Angestelltenverhältnisses sei dem Beschwerdeführer die Wiedereinstellung mit folgendem Vertrag zugesichert worden:

"WIEDEREINSTELLUNGSZUSAGE

========================

Das Arbeitsverhältnis des Herrn DIPL. ING. KLAUS L endet durch Kündigung des Arbeitgebers am 18.1.1987. Die Firma X sichert Herrn Dipl. Ing. L hiemit zu, ihn innerhalb von 90 Kalendertagen ab dem Ende des Arbeitsverhältnisses zu den gleichen Bedingungen und unter Anrechnung sämtlicher in der Firma X zugebrachten Dienstzeiten inkl. Vordienstzeiten, wie Abfertigung, Urlaub, Krankenentgelt und Lohnfortzahlung mit gleichen Rechten und Pflichten wiedereinzustellen."

Diese Rechtshandlungen hätten auf die Funktion des Beschwerdeführers als gewerberechtlicher Geschäftsführer keinen Einfluß gehabt. Für den Zeitraum vom 12. bis 28. Februar 1987 habe der Beschwerdeführer unbezahlten Urlaub genommen; vom 1. März 1987 an bezahlten Urlaub. Dieser Sachverhalt habe durch Vernehmung der Mutter des Beschwerdeführers und zweimalige Vernehmung des Beschwerdeführers sowie durch Einsichtnahme in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente festgestellt werden können.

Aufgrund dieses Sachverhaltes ging die belangte Behörde vom Vorliegen eines Aussetzungsvertrages aus, bei dem sich die Vertragspartner durch übereinstimmende Willenserklärung geeinigt hätten, daß die Hauptpflichten des Arbeitsvertrages (Verpflichtung zur Arbeitsleistung und Verpflichtung zur Bezahlung des Entgeltes) eine gewisse Zeit nicht zur Erfüllung gelangen sollten. Der Arbeitsvertrag selbst bleibe dadurch unberührt. Dabei sei im Zweifel auf den Willen der vertragschließenden Parteien abzustellen. Nach den Angaben des Beschwerdeführers und seiner Mutter hätte die "Kündigung" dazu dienen sollen, den Auftragsmangel im Betrieb der Mutter im Winter zu überbrücken. Dafür, daß das Angestelltenverhältnis nicht habe beendet werden sollen, spreche auch der Umstand, daß Abfertigung und anteilsmäßige Remuneration nicht ausbezahlt worden, der offene Urlaubsanspruch nicht abgegolten und die Kündigungsentschädigung trotz frist- und terminwidriger Kündigung nicht begehrt worden sei. Vielmehr sei der offene Urlaubsanspruch nach "Wiederbeginn" der Beschäftigung im März 1987 konsumiert worden. Auch aufgrund des Umstandes, daß dem Beschwerdeführer schriftlich die Wiedereinstellung zugesichert worden sei, gelange die belangte Behörde zur Ansicht, daß lediglich die vorübergehende Aussetzung des Dienstvertrages vereinbart worden sei. Der wahre Parteiwille sei nicht auf Beendigung des Angestelltenverhältnisses, sondern lediglich auf dessen Aussetzung gerichtet gewesen.

Als weiteres Begründungselement vertrat die belangte Behörde schließlich die Auffassung, daß der Beschwerdeführer aufgrund seiner Tätigkeit als gewerberechtlicher Geschäftsführer nicht als arbeitslos anzusehen sei. Dabei ist allerdings nicht klar ersichtlich, ob sie vom Vorliegen eines weiteren Dienstverhältnisses oder einer selbständigen Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers ausging.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 Z. 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer (u.a.) arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitslos ist.

Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG ist arbeitslos, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat.

Die belangte Behörde hat den Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosengeld in erster Linie deshalb verneint, da sein Beschäftigungsverhältnis zu seiner Mutter nicht beendet, sondern lediglich die Hauptpflichten des Arbeitsvertrages (Verpflichtung zur Arbeitsleistung und Verpflichtung zur Bezahlung des Entgeltes) vorübergehend ruhten. Es sei somit nicht zu einer (echten) Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses, sondern bloß zu dessen Aussetzung gekommen. Zu dieser rechtlichen Schlußfolgerung gelangte sie im wesentlichen aufgrund der Vernehmung des Beschwerdeführers und seiner Mutter und der vom Beschwerdeführer der Behörde übermittelten Unterlagen. Zutreffend hat sie dabei berücksichtigt, daß es bei der Lösung der entscheidenden privatrechtlichen Vorfrage, ob im Beschwerdefall eine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses oder eine bloße Aussetzung vorliegt, auf den nach den §§ 914 ff ABGB zu ermittelnden Inhalt der zwischen den Arbeitsvertragspartnern abgeschlossenen Vereinbarung ankommt (vgl. zB das Erkenntnis vom 20. Oktober 1992, Zl. 92/08/0047).

In dem genannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof auch darauf hingewiesen, daß die Behörde nicht nur auf den Gebrauch bestimmter Wendungen, wie zB der Bezeichnung des Vertrages als "Aussetzungsvertrag" oder die Verwendung des Wortes "Unterbrechung" (vgl. das Erkenntnis vom 13. September 1985, Zl. 85/08/0067) oder "Wiederaufnahme des Dienstverhältnisses in vollem Umfang" (vgl. dazu das Erkenntnis vom 29. November 1984, VwSlg. 11600/A) abzustellen ist, sondern - in erster Linie - die Absicht der Parteien zu erforschen ist.

Maßgeblich für die rechtliche Schlußfolgerung der belangten Behörde war dabei zunächst, daß Kündigungsfrist und Kündigungstermin nicht eingehalten, anteilsmäßige Remuneration und Abfertigung nicht ausbezahlt und der noch offene Urlaubsanspruch nicht abgegolten wurden. Auch Kündigungsentschädigung infolge fristwidriger "Kündigung" sei vom Beschwerdeführer nicht begehrt worden.

Wenn auch der Ausschluß der sonst mit der einvernehmlichen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses verbundenen Rechtsfolgen, wie zB Liquidierung der Ansprüche auf Abfertigung und Urlaubsabfindung bzw -entschädigung, für sich allein genommen im allgemeinen noch keine eindeutigen Schlußfolgerungen in der einen oder anderen Richtung zuläßt (vgl. das bereits genannte Erkenntnis vom 29. November 1984, und die Erkenntnisse vom 8. Oktober 1987, Zl. 86/08/0121, und vom 16. Oktober 1986, Zlen. 86/08/0129-0138), so kommt dem neben anderen in Betracht zu ziehenden Umständen doch eine gewisse INDIZWIRKUNG zu (vgl. auch dazu das Erkenntnis vom 20. Oktober 1992). Im Hinblick darauf, daß die zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Mutter geschlossenen Vereinbarung im wesentlichen dazu dienen sollte, einen vorübergehenden Auftragsmangel im Betrieb zu überbrücken, wobei die Bestellung des Beschwerdeführers als gewerberechtlicher Geschäftsführer aufrecht blieb und ihm nach der in der Begründung des angefochtenen Bescheides wiedergegebenen Wiedereinstellungszusage vom 18. Jänner 1987 die Wiedereinstellung zu den gleichen Bedingungen und unter Anrechnung sämtlicher zugebrachter Dienstzeiten inklusive Vordienstzeiten, wie Abfertigung, Urlaub, Krankenentgelt und Lohnfortzahlung mit gleichen Rechten und Pflichten innerhalb von 90 Tagen zugesichert wurde, handelte die belangte Behörde nicht rechtswidrig, wenn sie von keiner Unterbrechung des Beschäftigungsverhältnisses, sondern vom Vorliegen eines Aussetzungsvertrages ausging (vgl. auch OGH 8. April 1992, 9 Ob A 74/92 = ZAS 1993, Judikaturbeilage, RS 1).

Bei diesem Ergebnis kann es dahinstehen, ob auch die Auffassung der belangten Behörde zutrifft, dem Beschwerdeführer stünde auch wegen seiner Tätigkeit als gewerberechtlicher Geschäftsführer kein Arbeitslosengeld zu.

Wenn der belangten Behörde in der Beschwerde vorgeworfen wird, sie verkenne die Rechtsnatur der Aussetzungsverträge, da es sich dabei (nur) um individuell mit dem Firmeninhaber und den einzelnen Arbeitern in Form einer Sammelliste abgeschlossene Verträge handle, die bestimmte unabdingbare Bestandteile (Bericht über die Firmensituation, Anzahl der Arbeiter bzw. Angestellten, Zeitraum der Aussetzung, Zustimmung des örtlichen Betriebsrates sowie der Fachgewerkschaft) enthalten müßten und in der Folge über das Landesarbeitsamt dem zuständigen Minister zur Entscheidung vorgelegt würden, so kann ihm dabei nicht gefolgt werden (vgl. zur Problematik der Aussetzungsverträge etwa die in dem bereits mehrfach genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Oktober 1992 enthaltenen Literaturhinweise).

Als unrichtig erweist sich auch die in der Beschwerde vertretene Auffassung, die belangte Behörde hätte durch den Umstand, daß dem Beschwerdeführer keine Gelegenheit verschafft worden sei, zur Frage der angenommenen Aussetzung des Arbeitsverhältnisses Stellung zu nehmen, das Parteiengehör verletzt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann Gegenstand des Parteiengehörs nur der durch die Behörde als erwiesen angenommene Sachverhalt, nicht aber dessen rechtliche Beurteilung sein (vgl. die Erkenntnisse vom 13. April 1964, Zl. 61/63, und vom 24. November 1986, Zl. 86/10/0169). Da die rechtlichen Schlußfolgerungen der belangten Behörde ausschließlich auf Unterlagen beruhten, die vom Beschwerdeführer selbst geliefert wurden, bestand für die Behörde auch keine Veranlassung, den Beschwerdeführer dazu nochmals zu hören (vgl. das Erkenntnis vom 27. Juni 1985, Zl. 85/18/0219).

Aufgrund dieser Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Besondere Rechtsprobleme Verhältnis zu anderen Normen Materien Sozialversicherung Zivilrecht VertragsrechtIndividuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Parteivorbringen Erforschung des Parteiwillens

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1991080184.X00

Im RIS seit

18.10.2001

Zuletzt aktualisiert am

19.09.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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