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81/01 Wasserrechtsgesetz;Norm
WRG 1959 §29 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Kratschmer, Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Aumayr, über die Beschwerde des EW in N, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 2. Oktober 1989, Zl. 410.952/06-I4/89, betreffend wasserrechtliche Erlöschensvorkehrungen (mitbeteiligte Partei FW junior in P, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in T), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird bezüglich seines Spruchabschnittes I wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und bezüglich seines Spruchabschnittes II wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Wasserbuch des Verwaltungsbezirkes Y war unter Postzahl 116 zugunsten von FW und MW das Wasserbenutzungsrecht zum Antrieb einer Mühle am R-Bach eingetragen. Das Betriebswasser für diese Wasserkraftanlage gelangte aus einem Mühlteich über einen am rechten Dammende dieses Teiches beginnenden Oberwerkskanal zum Mühlgebäude (Postzahl Nr. 66/3). In der linken Dammhälfte befand sich ein mit einer Schützenanlage versehener Teichabfluß zu dem in der Tiefenlinie weiterführenden Altgerinne (R-Bach, Postzahl Nr. 68), in welches unterhalb der Wasserkraftanlage der Werkskanal einmündete.
Über das Vermögen des letzten Inhabers des genannten Wasserbenutzungsrechtes, des mitbeteiligten FW jun. (in der Folge: MB), wurde der Konkurs eröffnet. Am 14. Juni 1982 wurde nach Stillegung des Mühlenbetriebes auf das Wasserbenutzungsrecht verzichtet. Dem in der Folge von der Bezirkshauptmannschaft Gmünd (in der Folge kurz: BH) durchgeführten wasserrechtlichen Erlöschensverfahren wurde u.a. der nunmehrige Beschwerdeführer als Partei beigezogen, der mit seinem Sägewerksbetrieb Anrainer des R-Baches ist und diesen zum Teil mit seinen Anlagen aufgrund behaupteter wasserrechtlicher Bewilligungen überbaut hat.
Mit Bescheid vom 29. April 1985 stellte die BH gemäß den §§ 27 Abs. 1 lit. a und 29 Abs. 1 WRG 1959 das Erlöschen des einleitend beschriebenen Wasserbenutzungsrechtes fest und ordnete dem MB gegenüber u.a. nachstehende letztmalige Vorkehrungen an:
"1. Turbinen, Schützentafeln und Feinrechen sind zu entfernen (betrifft ausschließlich nur den Standort der wassermotorischen Einrichtung)...
6. Die Ausleitung aus dem Mühlteich ist zur Wahrung der Bespannungshöhe des Teiches durch eine Stahlbetonmauer von mind. 35 cm Stärke zu verschließen. Die Mauer ist allseitig dicht in den Teichdamm einzubinden und frostsicher zu fundieren."
Den Berufungen des Beschwerdeführers sowie des MB gab der Landeshauptmann von Niederösterreich mit Bescheid vom 6. Juni 1986 keine Folge. Mit hg. Erkenntnis vom 3. Februar 1987, Slg. 12.393/A, wurde dieser (vom Beschwerdeführer bekämpfte) Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben und hiezu u.a. ausgeführt, die belangte Behörde sei auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, die in Vorkehrung 6 vorgesehene "Verschließung" der Ausleitung des Oberwerkskanales aus dem Mühlbach würde zu einer Erhöhung der Hochwassergefahr für seine an der Bachparzelle Nr. 68 (R-Bach) gelegenen Anlagen führen, zumal hiedurch die Wasserführung im R-Bach vermehrt würde, nicht eingegangen; darin liege ein relevanter Verfahrensmangel, könne doch nicht ausgeschlossen werden, daß die belangte Behörde im Falle einer entsprechenden Ergänzung ihrer Sachverhaltsermittlungen und einer argumentativen Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu einem anderen Bescheid gekommen wäre.
Der im fortgesetzten Verfahren durch einen Antrag des Beschwerdeführers auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung (§ 73 AVG) zuständig gewordene Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft führte am 13. Juli 1989 mit den Verfahrensparteien eine mündliche Verhandlung durch und änderte mit Bescheid vom 2. Oktober 1989 den Bescheid der BH vom 29. April 1985 bezüglich der letztinstanzlichen Vorkehrungen im Spruchabschnitt I. gemäß §§ 66 und 73 AVG wie folgt ab:
"1.
Turbinen, Schützentafeln und Feinrechen im Bereich des Kraftwerkes sind zu entfernen.
2.
Der Einlauf aus dem Fischteich in den Werkskanal ist dauerhaft wasserdicht zu verschließen.
Der Abschluß kann durch einen Erddamm oder durch eine Betonmauer oder durch eine andere geeignete Methode erfolgen. Die Oberkante des Abschlußbauwerkes ist auf Oberkante des bestehenden Dammes hochzuziehen.
3.
Die untere Abmauerung des Werkskanales erfolgt unmittelbar oberhalb der Einleitungen von EW, aber JEDENFALLS außerhalb des Grundstückes der Firma P.
4.
Der Einlauf in den genannten Teil des Werkskanales (ca. 50 m bachauf von den Turbinen) und an allenfalls vorhandenen weiteren Öffnungen ist dauerhaft wasserdicht zu verschließen, um das Eindringen von Niederschlagswässern in den stillgelegten Kanalabschnitt zu verhindern.
5.
Der T-Graben ist in die natürliche Vorflut - das Gerinne der Tiefenlinie - einzuleiten. Die Trassenführung der Einleitung hat in etwa der Fallinie zu erfolgen. Bezüglich der Linienführung im Detail ist auf Wünsche des betroffenen Grundeigentümers nach Möglichkeit Rücksicht zu nehmen.
Die Einmündung ist auf ein 100jährliches Ereignis (Abfluß bzw. Niederschlag) zu dimensionieren.
Der Nachweis der hydraulischen Leistungsfähigkeit wie auch ein Lageplan und Längsschnitt sind der zuständigen Behörde vorzulegen.
Die Einmündung in den R-Bach ist durch Wurfsteine (Gewicht ca. 100 kg) zu sichern.
6.
Im Zuge der Bauarbeiten dürfen keine fischereischädigenden Stoffe in das Gerinne eingebracht werden.
7.
Die Arbeiten sind nur nach Verständigung des Wasserberechtigten am Mühlteich und der betroffenen Grundeigentümer vorzunehmen.
Die Verständigung muß mindestens 2 Wochen vor Inangriffnahme der Arbeiten nachweislich erfolgen. Arbeiten, die mit Schlammeintrag ins Unterwasser verbunden sind, sind ausschließlich in den Monaten Juni, Juli, August durchzuführen."
Im Spruchabschnitt II. wurden der Beschwerdeführer und der MB gemäß § 77 AVG zur anteiligen Tragung der Bundeskommissionsgebühren von jeweils S 1.820,-- verhalten. Nach ausführlicher Wiedergabe des vom wasserbautechnischen Amtssachverständigen in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Gutachtens wurde ausgeführt, aus diesem ergebe sich eindeutig, daß es zur Wahrung sowohl des öffentlichen Interesses als auch der Interessen der Anrainer unerläßlich sei, die im Spruch aufgezählten letztmaligen Vorkehrungen zu treffen, insbesondere den früheren Wasserlauf wiederherzustellen. Da der Beschwerdeführer einen Teil des Werkskanales als Vorflut für seine Einleitungen benötige, wäre dieser Teil des Werkskanales nicht stillzulegen. Der Beschwerdeführer sei somit zur Instandhaltung dieses Kanalabschnittes verpflichtet.
Diesen Bescheid bekämpfte der Beschwerdeführer zunächst vor dem Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 15. Dezember 1989, B 1443/89, ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In seiner hierauf ergänzten, inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machenden Beschwerde begehrte der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Der Beschwerdeführer erachtet sich erkennbar in seinem Recht, durch die dem MB im angefochtenen Bescheid auferlegten letztmaligen Vorkehrungen nicht in seinen wasserrechtlich geschützten Rechten beeinträchtigt zu werden sowie die ihm vorgeschriebenen Kommissonsgebühren nicht tragen zu müssen, verletzt. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und ebenso wie der MB in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Bei der Feststellung des Erlöschens eines Wasserbenutzungsrechtes hat die Wasserrechtsbehörde gemäß § 29 Abs. 1 WRG 1959 auszusprechen, ob und inwieweit der bisher Berechtigte aus öffentlichen Rücksichten, im Interesse anderer Wasserberechtigter oder in dem der Anrainer binnen einer von der Behörde festzusetzenden, angemessenen Frist seine Anlagen zu beseitigen, den früheren Wasserlauf wiederherzustellen oder in welcher anderen Art er die durch die Auflassung notwendig werdenden Vorkehrungen zu treffen hat. Ist die weitere Erhaltung einer Anlage nach Erlöschen des Wasserbenutzungsrechtes im öffentlichen Interesse, insbesondere zum Schutze, zur Abwehr oder zur Pflege der Gewässer erforderlich, so können die öffentlichen Körperschaften (Bund, Land, Bezirk, Gemeinde), wenn dagegen die Erhaltung nur im Interesse von Beteiligten wünschenswert erscheint, diese Beteiligten von dem bisher Berechtigten die Überlassung der vorhandenen Wasserbauten, soweit dies notwendig ist, ohne Entgelt verlangen (§ 29 Abs. 3 erster Satz dieses Paragraphen).
Die Parteistellung des Beschwerdeführers im Erlöschensverfahren ist im Verwaltungsverfahren nicht in Zweifel gezogen worden. Seine Interessen waren daher bei der Anordnung der letztmaligen Vorkehrungen im Sinne der angeführten Gesetzesstellen zu berücksichtigen. Diese Interessen erachtet der Beschwerdeführer dadurch beeinträchtigt, daß sich aufgrund der angeordneten letztmaligen Vorkehrungen, insbesondere der im Vorschreibungspunkt I 5 angeordneten Einleitung des T-Grabens in die natürliche Vorflut, eine gegenüber dem vorigen Zustand erhöhte Hochwassergefahr und eine daraus resultierende erhöhte Gefährdung seiner im Einflußbereich liegenden Anlagen und Liegenschaften ergebe; der Beschwerdeführer hat sich weiters im Verfahren wiederholt für die Aufrechterhaltung, d.h. die weitere Dotierung des unteren Teils des Werkskanals und daher stets gegen die (mit den vorliegenden Vorschreibungspunkten I 2 und 3) vorgesehene Abmauerung desselben ausgesprochen.
Die Anordnung letztmaliger Vorkehrungen anläßlich des Erlöschens von Wasserbenutzungsrechten (§ 29 Abs. 1 WRG 1959) hat insbesondere den Zweck, den bisher Berechtigten nach Maßgabe öffentlicher Rücksichten oder Interessen Dritter zu bestimmten letztmaligen Maßnahmen in bezug auf die infolge Erlöschens konsenslos gewordene Wasserbenutzungsanlage zu verpflichten, ihn aber gleichzeitig hinsichtlich bisher bestandener Verpflichtungen zu entlasten. Dabei sieht das Gesetz neben der Anlagenbeseitigung sowie der Wiederherstellung des früheren Zustandes ganz allgemein vor, auf "andere Art" die durch die Auflassung notwendig werdenden Vorkehrungen zu treffen. Vor diesem Hintergrund ist die vom Beschwerdeführer und vom Sachverständigen der belangten Behörde in den Vordergrund gestellte Frage, ob es sich beim gegenständlichen Werkskanal um ein künstliches oder natürliches Gerinne handle, im Beschwerdefall ohne Bedeutung.
Die belangte Behörde hat zwar ein Ermittlungsverfahren, das auch eine mündliche Verhandlung an Ort und Stelle umfaßte, durchgeführt, und der Beschwerdeführer dabei ausführlich die eben beschriebenen Einwendungen und Forderungen dargelegt. In der Begründung des angefochtenen Bescheides hat sich die belangte Behörde jedoch mit diesen Einwendungen, insbesondere der befürchteten, vorschreibungsbedingt erhöhten Hochwassergefahr in keiner Weise auseinandergesetzt. Vielmehr erschöpft sich die Begründung des angefochtenen Bescheides in der Wiedergabe des Sachverhaltes, des vom wasserbautechnischen Amtssachverständigen abgegebenen Gutachtens unter Zitierung des § 29 Abs. 1 WRG 1959 sowie der Folgerung, aufgrund des Sachverständigengutachtens bestimmte letztmalige Vorkehrungen zu treffen.
In keiner Weise ist die belangte Behörde auf die Einwendung des Beschwerdeführers eingegangen, bei Realisierung des nunmehrigen Vorschreibungspunktes I 5 werde sein Grundeigentum verletzt. Auch lassen die von der belangten Behörde vorgelegten Akten-, insbesondere Planunterlagen ein Nachvollziehen der Sachverständigenausführungen, so auch der vorschreibungsbedingten Auswirkungen, nicht zu; lageplanmäßig nicht nachvollziehbar ist daher u.a. auch die Aussage der belangten Behörde auf Seite 12/13 des angefochtenen Bescheides, jenen Teil des Werkskanales, den der Beschwerdeführer als Vorflut für seine Einleitungen benötigt, nicht stillzulegen; aus welchen rechtlichen Gründen der Beschwerdeführer zur Instandhaltung für "einen Teil des Werkskanales" verpflichtet sein soll - was zudem spruchmäßig nicht zum Ausdruck kommt -, wird ebenfalls von der belangten Behörde nicht dargetan. Der Beschwerdeführer erblickt daher zu Recht darin, daß die belangte Behörde seine, die Beeinträchtigung wasserrechtlich geschützter Rechte betreffenden Einwendungen übergangen hat, einen relevanten Verfahresmangel, kann doch nicht ausgeschlossen werden, daß die belangte Behörde im Falle einer entsprechenden Ergänzung ihrer Sachverhaltsermittlungen und einer argumentativen Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu einem anderen Bescheid gekommen wäre.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Zur Kostenvorschreibung (Spruchabschnitt II des angefochtenen Bescheides) ist folgendes zu bemerken.
Gemäß § 75 Abs. 1 AVG sind, sofern sich aus den §§ 76 bis 78 nicht anderes ergibt, die Kosten für die Tätigkeit der Behörden im Verwaltungsverfahren von Amts wegen zu tragen. Nach § 76 Abs. 1 erster Satz hat, wenn der Behörde bei einer Amtshandlung Barauslagen erwachsen, dafür, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese von Amts wegen zu tragen sind, im allgemeinen die Partei aufzukommen, die um die Amtshandlung angesucht hat. Wurde jedoch die Amtshandlung durch das Verschulden eines anderen Beteiligten verursacht, so sind nach Abs. 2 dieses Paragraphen die Auslagen von diesem zu tragen. Wurde die Amtshandlung von Amts wegen angeordnet, so belasten die Auslagen den Beteiligten dann, wenn sie durch sein Verschulden herbeigeführt worden sind. Treffen die Voraussetzungen der vorangehenden Absätze auf mehrere Beteiligte zu, so sind die Auslagen auf die einzelnen Beteiligten angemessen zu verteilen (Abs. 3). Schließlich können nach § 77 Abs. 1 AVG für Amtshandlungen der Behörden außerhalb des Amtes Kommissionsgebühren eingehoben werden. Hinsichtlich der Verpflichtung zur Entrichtung dieser Gebühren ist § 76 sinngemäß anzuwenden.
Nach Ausweis der Akten hat der Beschwerdeführer weder um die in Frage stehende Amtshandlung angesucht, noch ist diese durch ein schuldhaftes Verhalten des Beschwerdeführers verursacht worden. Die Belastung des Beschwerdeführers mit den anteiligen Kommissionsgebühren kann somit nicht zu Recht auf die zitierten gesetzlichen Bestimmungen gestützt werden, weshalb Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2. Stempelgebühren konnten nur im gesetzlich erforderlichen Umfang (Gebührengesetz) zum Ersatz vorgeschrieben werden.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1990070010.X00Im RIS seit
12.11.2001Zuletzt aktualisiert am
06.07.2011