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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ASVG §355;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in Wien, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 6. Mai 1991, Zl. Vd-3862/2, betreffend Zurückweisung eines Einspruches (mitbeteiligte Partei: G in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 9. Juni 1989 wies die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt einen Antrag der mitbeteiligten Partei auf Gewährung der Witwenpension gemäß § 136 Abs. 4 GSVG mit der Begründung ab, daß der verstorbene geschiedene Ehegatte der Mitbeteiligten zur Zeit seines Todes zu keiner Unterhaltsleistung verpflichtet gewesen sei und daher der Mitbeteiligten keine Witwenpension gebühre. Eine dagegen von der Mitbeteiligten beim Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht eingebrachte Klage wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 26. September 1989 abgewiesen. Nach der Begründung sei die Ehe der Beschwerdeführerin mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 27. Februar 1985 geschieden worden. Dabei sei gemäß § 61 Abs. 3 des Ehegesetzes ausgesprochen worden, daß der Ehegatte der Beschwerdeführerin das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe trage. Eine Verpflichtung zur Unterhaltsleistung sei im Scheidungsurteil nicht enthalten gewesen, da die Mitbeteiligte im Zeitpunkt der Scheidung selbst berufstätig gewesen sei und über ein eigenes Einkommen verfügt habe. Eine Unterhaltsverpflichtung des geschiedenen Gatten aufgrund eines Urteiles, Vergleiches oder Vertrages habe im Zeitpunkt seines Todes nicht bestanden, sodaß keiner der im Gesetz taxativ aufgezählten Rechtstitel für eine Unterhaltsleistung vorgelegen habe.
Mit Schriftsatz vom 5. September 1990 stellte die Mitbeteiligte neuerlich bei der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt einen Antrag auf Zuerkennung einer Witwenpension in der Höhe von S 4.000,--. Sie begründete dies im wesentlichen damit, daß die Sozialversicherungsanstalt in unterhaltsrechtlicher Hinsicht an die Stelle des Verstorbenen zu treten habe.
Mit Bescheid der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt vom 2. Oktober 1990 wurde der Antrag der Mitbeteiligten wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Gegen diesen Bescheid hat die Mitbeteiligte Einspruch erhoben, den sie im wesentlichen damit begründete, daß sie zu Lebzeiten ihres geschiedenen Ehegatten wegen der Höhe ihres Einkommens gar keine Möglichkeit gehabt habe, einen Unterhaltstitel zu erwirken. Durch ihr Ausscheiden aus der Post- und Telegraphendirektion zum 30. April 1990 habe sich ihr Einkommen jedoch nunmehr zumindest um einen Betrag in der Höhe von S 7.000,-- vermindert. Lebte ihr geschiedener Ehegatte noch, so hätte sie nunmehr gegenüber diesem einen Unterhaltsergänzungsanspruch. Es sei Aufgabe der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt, gleichsam an die Stelle des verstorbenen Gatten zu treten und ihre Unterhaltsansprüche zu sichern.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies der Landeshauptmann von Tirol den Einspruch der Mitbeteiligten wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück. Nach der Begründung liege dem Einspruchsbegehren der Mitbeteiligten ein Leistungsanspruch gegenüber der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt, nämlich die Zuerkennung einer Witwenpension nach dem GSVG, zugrunde. Zur Entscheidung über eine Leistungssache im Sinne des § 354 ASVG sei die belangte Behörde sachlich allerdings nicht zuständig.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch ebenso wie die Mitbeteiligte von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Auffassung der belangten Behörde, im Beschwerdefall liege eine Leistungssache vor, erweist sich als unzutreffend. In dem in der Beschwerde genannten Erkenntnis vom 24. Oktober 1985, Zl. 85/08/0131, hat der Verwaltungsgerichtshof - unter Hinweis auf Vorjudikatur - die Auffassung vertreten, daß die Zurückweisung eines Pensionsantrages wegen entschiedener Sache eine Verwaltungssache im Sinne des § 355 ASVG darstelle, über die der Landeshauptmann als Einspruchsbehörde dahin zu entscheiden habe, ob "entschiedene Sache" vorliege oder nicht.
Es wäre daher der belangten Behörde oblegen, für den Fall, daß sie die im Bescheid der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt vom 2. Oktober 1990 zum Ausdruck kommende Auffassung teilt, den Einspruch der Mitbeteiligten abzuweisen bzw. - im entgegengesetzten Fall - diesen Bescheid aufzuheben. Dabei wäre zu berücksichtigen, daß von einer Identität der Sache nur dann gesprochen werden kann, wenn einerseits weder in der Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteienbegehrens maßgeblichen tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und andererseits sich das neue Parteienbegehren im wesentlichen mit dem früheren deckt (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 23. Okotber 1986, Zl. 86/02/0117).
Aufgrund dieser Erwägungen belastete die belangte Behörde ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Zurückweisung wegen entschiedener SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1991080092.X00Im RIS seit
20.11.2000