Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ASVG §67 Abs10 idF 1986/111;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde des K in V, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 25. Juni 1992, Zl. SV-597/3-1992, betreffend Haftung für Sozialversicherungsbeiträge gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, Linz, Gruberstraße 77), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 10. September 1991 sprach die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, daß der Beschwerdeführer als ehemaliger Geschäftsführer der V. GmbH für die Entrichtung nachstehender Sozialversicherungsbeiträge hafte:
"Rest November 1990 S 53.534,64
Dezember 1990 S 161.773,66
Jänner 1991 S 142.244,35
Feber 1991 S 125.479,23
März 1991 S 126.598,75
April 1991 S 110.927,63
Mai 1991 S 88.752,59
Juni 1991 S 123.405,68
Juli 1991 S 27.002,37
Verzugszinsen bis 26.8.1991 S 34.360,03
Verwaltungskosten S 3.206,20
S 997.285,12"
Der Beschwerdeführer werde verpflichtet, diese
Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren und
Verzugszinsen binnen einem Monat nach Zustellung dieses
Bescheides an die mitbeteiligte Partei zu bezahlen sowie die ab
27. August 1991 anfallenden Verzugszinsen von 10,5 % aus
S 995.718,90 zu entrichten. Nach der Bescheidbegründung sei der
Beschwerdeführer Geschäftsführer der V. GmbH gewesen und habe
für die Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge aus den
Mitteln der Gesellschaft zu sorgen gehabt. Die von der V. GmbH
zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge hätten trotz
wiederholter Exekutionsführung nicht hereingebracht werden
können. Mit Beschluß des Kreisgerichtes Steyr vom 3. Juli 1991
sei ein Antrag auf Konkurseröffnung mangels eines zur Deckung
der Kosten des Konkursverfahrens hinreichenden Vermögens der
V. GmbH abgewiesen worden. Somit stehe fest, daß die Beiträge
bei der V. GmbH uneinbringlich seien. Mit Schreiben vom
4. Juli 1991 sei der Beschwerdeführer nachweislich über die
Haftungsbestimmung des § 67 Abs. 10 ASVG informiert und
aufgefordert worden, zum Beitragsrückstand Stellung zu nehmen.
Dieser Aufforderung sei er aber nicht nachgekommen. Im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei daher seine Haftung auszusprechen gewesen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Einspruch. Darin und in der zum Vorlagebericht der mitbeteiligten Partei erstatteten ausführlichen Stellungnahme vom 29. Dezember 1991 bestritt er, daß die Voraussetzungen einer Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG gegeben seien.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. Nach der Bescheidbegründung sei die Feststellung unbestritten geblieben, daß die geforderten Beiträge bei der V. GmbH uneinbringlich seien. Auch die geforderte Höhe der Beiträge ganz allgemein sei unbestritten. Feststehe auch, daß der Beschwerdeführer handelsrechtlicher Geschäftsführer der V. GmbH gewesen sei und von Gesetzes wegen als solcher für die abgabenrechtlichen Angelegenheiten verantwortlich gezeichnet habe. Bekämpft werde nur die Haftung des Beschwerdeführers dem Grunde nach und im speziellen die Haftung für den gesamten geforderten Betrag. Der Vertreter des Beschwerdeführers im Einspruchsverfahren sei von der Sachbearbeiterin der Einspruchsbehörde persönlich über die rechtlichen Gegebenheiten des § 67 Abs. 10 ASVG einschließlich der dazugehörigen Rechtsprechung informiert worden und habe gleichzeitig eine Stellungnahme angekündigt. In dieser Stellungnahme vom 29. Dezember 1991 werde im wesentlichen noch ausführlicher (als im Einspruch) auf das Zustandekommen der sozialversicherungsrechtlichen Verbindlichkeiten eingegangen und unter anderem ausgeführt, daß die V. GmbH bis November 1990 über die finanziellen Mittel verfügt habe, um der Abgabepflicht nachzukommen. Von seiten der Geldinstitute seien die Verhandlungen positiv verlaufen. Der endgültige Zusammenbruch der V. GmbH sei nicht auf Handlungen oder Unterlassungen des Beschwerdeführers zurückzuführen, sondern auf ein Täuschungsmanöver des anderen, des faktischen Geschäftsführers. Bezüglich der diversen Zahlungen ab dem Zeitpunkt, ab dem an die mitbeteiligte Partei keine oder nur mehr mangelhafte Zahlungen geleistet worden seien, werde zwar ausgeführt, daß das Verhältnis zwischen allgemeinen Geschäftsausgaben und Zahlungen an die mitbeteiligte Partei nicht in einem krassen Mißverhältnis stehe. Trotzdem seien noch andere höhere Zahlungen in diesem fraglichen Zeitraum getätigt worden, so z. B. Lohn- und Gehaltszahlungen für das Clubhotel, Bankgebühren etc. Die weiteren Ausführungen beträfen die Rechtzeitigkeit des gestellten Konkursantrages. Danach heißt es in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter:
"Die Haftung der Geschäftsführer gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ist ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen zur rechtzeitigen Abfuhr von Sozialversicherungsbeiträgen verletzt hat. Eine solche Pflichtverletzung - für deren Beurteilung die von der Rechtsprechung zu den §§ 9 und 80 BAO entwickelten Grundsätze herangezogen werden können (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. April 1988, Zl. 88/08/0025, vom 25. April 1989, Zl. 89/08/0013, und vom 24. Oktober 1989, Zl. 89/08/0044) - kann darin liegen, daß der Geschäftsführer die Beitragsschulden insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberücksichtigt läßt (vgl. das Erkenntnis vom 10. Juni 1980, Slg.Nr. 5494/F, und vom 25. April 1989, Zl. 89/08/0013) bzw.
-
im Falle des Fehlens AUSREICHENDER MITTEL - nicht für eine zumindest anteilige Befriedigung auch der Forderung des Sozialversicherungsträgers Sorge trägt (vgl. Erkenntnis vom 17. September 1986, Zl. 84/13/0198, und vom 25. Juni 1990, Zl. 89/15/0063). Analog zur abgabenrechtlichen Geschäftsführerhaftung handelt es sich bei den Pflichten, deren Verletzung eine der Voraussetzungen für die Haftung des Geschäftsführers ist, nur um sozialversicherungsbeitragsrechtliche Verpflichtungen.
Bei diesen Pflichten, deren Verletzung eine der Voraussetzungen für die Haftung des Vertreters eines Beitragsschuldners ist, handelt es sich um die Pflicht zur rechtzeitigen Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge namens des Beitragsschuldners und AUS DIESER VERPFLICHTUNG ALLENFALLS RESULTIERENDE NEBENPFLICHTEN (evt. gerichtliche Durchsetzung dieser Pflicht, Zurücklegung der Gesellschafterfunktion etc.).
Den Geschäftsführer trifft nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Verpflichtung darzulegen, aus welchen Gründen er die ihm obliegenden Pflichten nicht erfüllt hat, widrigenfalls angenommen werden kann, daß er seine Pflichten schuldhaft verletzt hat (vgl. Erkenntnis vom 25. Februar 1983, Zl. 81/17/0079, und 13. November 1987, Zl. 85/17/0035).
Auch wenn ein Geschäftsführer aufgrund seiner rechtlichen und tatsächlichen Position im Unternehmen keine Möglichkeit hat, auf die "Reihung" der Erfüllung von Verbindlichkeiten Einfluß zu nehmen, befreit ihn eine derartige faktische Behinderung einer Geschäftsführerbefugnis nicht von seiner Haftung für Beitragsschulden nach § 67 Abs. 10 ASVG (Erkenntnis vom 24. April 1990, Zl. 89/08/0290, AW 89/08/0066).
Gegen die Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Beitragsverbindlichkeit mit anderen Schulden verstößt der Geschäftsführer auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten des Beitragsschuldners zur Verfügung stehen, nicht ausreichen, er aber (zumindest fahrlässig) diese Mittel nicht anteilig für die Begleichung aller (gleichzubehandelnden) Verbindlichkeiten verwendet und dadurch die Beitragsschulden im Verhältnis zu anderen Verbindlichkeiten schlechter behandelt; insoweit ist auch das Ausmaß der Haftung bestimmt.
Die bloße Unkenntnis von der Vorschreibung von Sozialversicherungsbeiträgen und die Zahlung von anderen Gesellschaftsschulden wegen Umgehung und teilweisen Ausschlusses des handelsrechtlichen Geschäftsführers vermögen diesen wegen der ihm obliegenden Verpflichtung, für eine ausreichende und EFFEKTIVE KONTROLLE der gesellschaftlichen Belange Vorsorge zu treffen, nicht von seiner Haftung zu befreien. Ebensowenig kommt aber dem fehlenden Überblick des (Beschwerdeführers) über die finanziellen Belange des Beitragsschuldners Bedeutung zu, weil dieser Umstand nichts an der dargelegten Gleichbehandlungspflicht ändert.
Werden durch die Geschäftsführung die dringendsten Forderungen wie Miete und Telefon bezahlt, werden dadurch Sozialversicherungsbeiträge gegenüber anderen Forderungen nachteilig behandelt.
Wie oben aufgezeigt und auch nicht bestritten wurde, ist der (Beschwerdeführer) dieser Gleichbehandlungspflicht nicht nachgekommen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm aber ebenso wie die mitbeteiligte Partei von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften unter anderem die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Die belangte Behörde hat die Auslegung, die diese Bestimmung in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gefunden hat, im wesentlichen richtig wiedergegeben.
Demgemäß hat sie mit Recht nur die Frage als prüfungsbedürftig anerkannt, ob der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der V. GmbH die sozialversicherungsrechtliche Pflicht zur rechtzeitigen Abfuhr von Sozialversicherungsbeiträgen verletzt hat, seine weitwendigen Ausführungen zum mangelnden Verschulden am finanziellen Ruin der Gesellschaft und zur mangelnden Verletzung von Gläubigerschutzbestimmungen aber zutreffend als irrelevant erachtet (vgl. dazu unter anderem die Erkenntnisse vom 7. September 1990, Zlen. 89/14/0261 bis 0263, vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0100, Zl. 90/08/0045 und Zl. 90/08/0016).
Auch entspricht es der ständigen Rechtsprechung (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom 19. September 1989, Zl. 88/08/0283, vom 24. April 1990, Zl. 89/08/0290, vom 12. Mai 1992, Zlen. 92/08/0072, 0073, und vom 25. September 1992, Zl. 91/17/0134), daß der vertretungsbefugte und im Rahmen dieser Vertretungsmacht haftungspflichtige Geschäftsführer von seiner Verantwortung für die Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge nicht deshalb befreit ist, weil die Geschäftsführung - sei es aufgrund eines eigenen Willensentschlusses des Geschäftsführers, sei es über Weisung von Gesellschaftern, sei es aufgrund einer sonstigen Einflußnahme wirtschaftlich die Gesellschaft beherrschender Personen - anderen Personen (Geschäftsführern, Gesellschaftern oder gesellschaftsfremden Personen) zusteht und der Geschäftsführer dadurch entweder der rechtlichen und/oder faktischen Möglichkeit einer ausreichenden und effektiven Kontrolle in der Richtung, ob die jeweils fällig werdenden Sozialversicherungsbeiträge zumindest anteilig entrichtet werden, beraubt ist, sich aber gegen die unzulässige Beschränkung seiner Geschäftsführung oder zumindest seiner Aufsichts- und Kontrollaufgaben in bezug auf die Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge nicht durch entsprechende gerichtliche Schritte zur Wehr setzt oder von seiner Geschäftsführerfunktion zurücktritt, oder die nicht eingeschränkte Kontrollmöglichkeit nicht in ausreichender und effektiver Weise wahrnimmt. Hiezu ist freilich ergänzend anzumerken, daß ein (gegebenenfalls gebotener) Rücktritt des Geschäftsführers - entgegen der in der Bescheidbegründung vertretenen Auffassung - nicht zu seinen sozialversicherungsrechtlichen Pflichten zählt. Gemeint ist vielmehr, daß es der Vertreter in der Hand hat bzw. daß es seine Sache ist, im Rechtsweg die Ausübung seiner Rechte zu erzwingen oder die Geschäftsführungsbefugnis (zur Vermeidung weiterreichender Haftung) zurückzulegen, und ihn wegen dieser Möglichkeit die Beeinträchtigung seiner Geschäftsführung nicht von seiner Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG befreit (vgl. dazu das schon zitierte, zum Steuerrecht ergangene, aber auch im vorliegenden Zusammenhang anwendbare Erkenntnis vom 25. September 1992, Zl. 91/17/0134). Soweit die umfangreichen (diesbezüglich aber unklaren) Ausführungen des Beschwerdeführers in seinem Schriftsatz vom 29. Dezember 1991 zu "Machenschaften" des Mehrheitsgesellschafters mit oder ohne Zuhilfenahme eines Kreditinstitutes und zu faktischen Geschäftsführungsmaßnahmen durch dieses Kreditinstitut auf einer diesen Rechtssätzen widersprechenden Rechtsauffassung beruhen sollte - dies ist jedenfalls insofern der Fall, als es auf derartige Gegebenheiten vor dem Haftungszeitraum nach den obigen Darlegungen nicht ankommt - liegt in ihrer Nichtbeachtung durch die belangte Behörde kein relevanter Verfahrensmangel.
Der Beschwerdeführer hat in dem mehrfach genannten Schriftsatz aber auch ausführlich dargelegt, daß seiner Auffassung nach im relevanten Haftungszeitraum von
November 1990 bis Juli 1991 die Beitragsschulden der V. GmbH nicht schlechter behandelt worden seien als ihre übrigen Verbindlichkeiten, sich diesbezüglich auf einen dem Konkursgericht vorgelegten Liquidationsbericht vom 10. Dezember 1991 berufen und überdies beantragt, ihn "vom weiteren Vorbringen im gegenwärtigen Stand noch nicht auszuschließen, damit ich ggf. noch fehlende Unterlagen oder Erkenntnisse nachreichen kann".
Ungeachtet dessen hat die belangte Behörde aber - ohne ersichtliche Auseinandersetzung mit dem genannten Liquidationsbericht - eine Verletzung der Gleichbehandlungspflicht durch den Beschwerdeführer allein darauf gestützt, daß "noch andere höhere Zahlungen in diesem fraglichen Zeitraum getätigt (wurden), so z.B. Lohn- und Gehaltszahlungen für das Clubhotel, Bankgebühren etc."
Unabhängig davon, was die belangte Behörde unter "höheren Zahlungen" an andere Gläubiger versteht (betragsmäßig oder anteilsmäßig höhere Zahlungen), reichen solche Zahlungen an einige Gläubiger nicht aus, um deshalb allein schon den Vorwurf der Ungleichbehandlung offener Beitragsschulden zu erweisen. (Ob die verfahrensgegenständlichen Beiträge auch von der V.GmbH einbehaltene Dienstnehmeranteile beinhalteten, für die den Beschwerdeführer jedenfalls eine Haftung träfe, läßt sich dem angefochtenen Bescheid nicht entnehmen.) Denn wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0217, ausgeführt hat, verstößt ein Geschäftsführer nicht schon gegen die Gleichbehandlungspflicht von Beitragsschulden, weil er einen Teil der anderen offenen Verbindlichkeiten zur Gänze, die Beitragsschulden aber nur zum Teil entrichtet; unter Bedachtnahme darauf, daß er andere Verbindlichkeiten nicht einmal teilweise erfüllt hat, könnte vielmehr hinsichtlich der Beitragsschulden (dennoch) eine anteilige Bezahlung vorliegen. Dies änderte freilich nichts an seiner Haftung, wenn er seiner Behauptungs- und Beweislast nicht im erforderlichen, oben dargestellten Mindestmaß nachgekommen wäre. Dies trifft aber, wie bereits ausgeführt wurde, nicht zu. Denn mag auch der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen und seinem Beweisanbot im mehrfach genannten Schriftsatz vom 29. Dezember 1991 nicht im vollen Umfang seiner Behauptungs- und Nachweispflicht nachgekommen sein, so reichte dies im Sinne der oben dargelegten Grundsätze doch aus, die Pflicht der belangten Behörde auszulösen, ihn zu einer entsprechenden Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens und zu entsprechenden Beweisanboten aufzufordern, das heißt näherhin, für den relevanten Haftungszeitraum, bezogen auf den jeweiligen Tag der Fälligkeit der in Haftung gezogenen Beiträge, eine detaillierte Gegenüberstellung der Verbindlichkeiten und der jeweiligen Schuldtilgungen und Zahlungen unter Anführung, welche Verbindlichkeiten der V. GmbH jeweils aushafteten, welche Mittel ihr jeweils zur Verfügung standen und welche Zahlungen sie jeweils leistete, vorzulegen (vgl. dazu das Erkenntnis vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0016). Erst dann, wenn der Beschwerdeführer auch einer solchen Aufforderung nicht nachgekommen wäre, hätte die belangte Behörde im Sinne der obigen rechtlichen Darlegungen annehmen dürfen, er habe seine sozialversicherungsrechtliche Verpflichtung zur rechtzeitigen (zumindest anteiligen) Abfuhr offener Beitragsschulden der Gesellschaft schuldhafterweise nicht erfüllt, und hafte daher für die betroffenen Beitragsschulden der V. GmbH zur Gänze.
Da die belangte Behörde somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Das Kostenmehrbegehren war im Hinblick auf die bestehende sachliche Abgabenfreiheit (§ 110 Abs. 1 Z. 2 ASVG) abzuweisen.
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweislast Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992080173.X00Im RIS seit
20.11.2000