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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Mai 1992, Zl. 4.292.597/2-III/13/90, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer, ein rumänischer Staatsangehöriger, der am 4. Februar 1990 in das österreichische Bundesgebiet einreiste und am 8. Februar 1990 einen Asylantrag stellte, bei seiner am 17. Februar 1990 von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich durchgeführten niederschriftlichen Befragung im wesentlichen folgendes angegeben hat:
Er sei ungarischer Nationalität und reformiert. Auf Grund seiner Abstammung sei er vom rumänischen Staat immer benachteiligt und von der Bevölkerung schikaniert worden. Als er sich geweigert habe, am 16. August 1985 nicht an den Vorbereitungen für den Nationalfeiertag teilzunehmen, sei er vom Sicherheitsdienst verhaftet, verhört und auch geschlagen worden. Durch einen Schlag mit dem Gewehrkolben sei er am Kopf verletzt worden. Bis 23. August 1985 sei er deshalb im Krankenhaus gewesen. Wegen seiner schlechten Verfassung habe man ihn nicht zwingen können, am Aufmarsch teilzunehmen. Vor der Revolution sei es ihm nicht möglich gewesen, eine Ausreisegenehmigung zu bekommen. Aus Angst vor Konsequenzen sei er nicht illegal ausgereist. Nach der Revolution hätte er die Ausreisegenehmigung bekommen und sich nach Österreich abgesetzt. Wegen der unsicheren Lage wolle er nicht mehr zurückkehren.
Des weiteren ergibt sich aus der vorgelegten Bescheidausfertigung, daß der Beschwerdeführer in seiner gegen den erstinstanzlichen Bescheid (womit festgestellt worden war, er wäre nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes) erhobenen Berufung zusätzlich folgendes ausgeführt hat:
Seit 1992 sollte die ungarische Minderheit in Rumänien zwangsassimiliert werden. Er habe nach seinem Studium ein Jahr lang keine Arbeit bekommen, weil er der ungarischen Volksgruppe angehört habe. In den Jahren 1983 und 1984 sei er mehrmals aufgefordert worden, der kommunistischen Partei beizutreten. Da er sich geweigert habe, habe man ihn zuerst strafversetzt und ihn dann gekündigt. Im Zuge seiner Verhaftung im Jahr 1985 sei er "lange und hart verhört worden". Man habe versucht, ihn zu zwingen, eine Erklärung zu unterschreiben, daß er seine nonkonformistische politische Einstellung aufgebe. Als er dies abgelehnt habe, sei er schwer geschlagen worden. Die Verletzung am Kopf sei heute noch sichtbar. Nach der Mißhandlung habe er sich zweimal im Monat bei der Securitate melden und über seine Tätigkeiten berichten müssen. Nach der Revolution sei er von Zivilisten, seiner Meinung nach Securitateagenten, bedroht worden, einen tödlichen Unfall zu erleiden, wenn er seine politischen Ideen nicht aufgebe. Diese massive Bedrohung, verbunden mit den bisher erlittenen Verfolgungen, hätten ihn zur Flucht gezwungen. Es habe sich in bezug auf die Verfolgung seiner Person nach der Revolution nichts geändert.
Die belangte Behörde wies die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und sprach ebenfalls aus, er sei nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes.
Begründend wies die belangte Behörde darauf hin, es bestünde kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben des Beschwerdeführers vor der Behörde erster Instanz zu zweifeln. Hingegen müsse dem darüber hinausgehenden Vorbringen in der Berufung die Glaubwürdigkeit versagt bleiben. Wenn der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise tatsächlich massiven Bedrohungen ausgesetzt gewesen wäre, hätte er dies bereits bei seiner erstinstanzlichen Befragung vorgebracht, zumal dieser Befragung ein Dolmetscher beigezogen gewesen sei, so daß Mißverständnisse auszuschließen seien. Der Beschwerdeführer sei gezielt nach Indizien seiner Verfolgung gefragt worden. Die Furcht vor Verfolgung müsse sich auf Umstände beziehen, die im zeitlichen Naheverhältnis zur Ausreise des Beschwerdeführers aus seinem Heimatland lägen, weshalb sein Vorbringen bezüglich der Vorkommnisse in den Jahren 1982 bis 1985 nicht zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft führen könne.
In der dagegen erhobenen, vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde stellt der Beschwerdeführer die Richtigkeit der Wiedergabe seines Vorbringens bei seiner niederschriftlichen Befragung in erster Instanz und seines Berufungsvorbringens nicht in Frage, behauptet, in seinen Rechten auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, Asylgewährung und Feststellung seiner Aufenthaltsberechtigung verletzt zu sein und macht inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Insoweit der Beschwerdeführer in seiner Rechts- und Verfahrensrüge meint, die belangte Behörde hätte unter Beiziehung eines Gutachters aus dem Fach der Psychologie feststellen müssen, daß der Beschwerdeführer auf Grund seiner in den Jahren bis 1985 gemachten Erfahrungen, seine Furcht nicht nach fünf Jahren verloren habe, sondern ein Leben lang und bleibend traumatisiert sei, ist ihm entgegenzuhalten, daß nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Umstände, die schon längere Zeit vor der Ausreise zurückliegen, nicht mehr beachtlich sind (vgl. dazu die bei Steiner, Österreichisches Asylrecht 31 und in FN 99 referierte hg. Judikatur), welcher Umstand als Element der rechtlichen Begründung dem Beschwerdeführer auch nicht vorgehalten werden mußte. Da der Beschwerdeführer im Rahmen seiner erstinstanzlichen Angaben - denen die belangte Behörde mit schlüssigen Erwägungen (vgl. dazu z.B. die bei Steiner aaO. 22, 23 und in FN 49 und 50 referierte hg. Judikatur) gegenüber den in der Berufung vorgenommenen Steigerungen den Vorzug gegeben hat - keinerlei Umstände dargetan hat, die aus objektiver Sicht die Annahme einer bis zur Ausreise andauernden wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung rechtfertigen könnten (vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1993, Zl. 92/01/0355), erweist sich der angefochtene Bescheid als frei von inhaltlicher Rechtswidrigkeit und sekundären Verfahrensmängeln.
Da die Beschwerde des weiteren unter dem Titel der Aktenwidrigkeit lediglich die von der belangten Behörde schlüssig vorgenommene Beweiswürdigung bekämpft und weil mit Rücksicht auf das vom Beschwerdeführer auch in der Beschwerdeschrift nicht in Frage gestellte Vorbringen in erster Instanz (so wie es im angefochtenen Bescheid wiedergegeben wird) der belangten Behörde darin kein Verfahrensmangel unterlaufen ist, daß sie allein dieses Vorbringen zur Grundlage ihrer Entscheidung gemacht hat, ließ bereits der Beschwerdeinhalt erkennen, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Aus diesem Grunde erübrigte sich auch ein Abspruch des Berichters über den zur hg. Zl. AW 93/01/0136 protokollierten Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992010966.X00Im RIS seit
20.11.2000