TE Vwgh Beschluss 1993/4/21 93/01/0232

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Veröffentlicht am 21.04.1993
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §46 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 93/01/0233

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Anträge 1. der RM, und 2. des DM, beide in A, beide vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der zu den hg. Zlen. 92/01/0845 und 92/01/0842 protokollierten Beschwerden, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Den Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.

Begründung

Mit Verfügungen vom 30. September 1992 hatte der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerdeführer aufgefordert, die vom Verfassungsgerichtshof abgelehnten und dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetretenen Beschwerden gemäß § 28 Abs. 1 Z. 4, 5 und 6, Abs. 2 VwGG zu ergänzen, den ergänzenden Schriftsatz in zweifacher Ausfertigung vorzulegen und außer diesem eine weitere Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde beizubringen.

Innerhalb offener Frist legten die Beschwerdeführer die von ihnen geforderten Schriftsätze jeweils in zweifacher Ausfertigung vor; anstelle je einer Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerden legten sie jeweils Kopien derselben vor, die die Unterschrift des Beschwerdevertreters nicht aufwiesen. Mit Beschlüssen des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 1993 wurden daraufhin die Verfahren über die von den Antragstellern erhobenen Beschwerden eingestellt.

Die Beschwerdeführer begehren nunmehr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit folgender Begründung: Die Mängelbehebung sei in Befolgung einer bewährten Kanzleipraxis über Diktat des Rechtsvertreters der Antragsteller durch die "geübte Kanzleiangestellte" F.B. geschrieben worden und hätte nach Anweisung des Rechtsanwaltes mit den von diesem namentlich bezeichneten Beilagen, insbesondere einer weiteren Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde, versehen und kuvertiert werden sollen. Mängelbehebungen der gegenständlichen Art seien in der Vergangenheit durch die auch sonst äußerst verläßlich arbeitende F.B., die über langjährige Kanzleipraxis verfüge, anstandslos ausgeführt worden. Der Rechtsanwalt habe sich daher auch in diesem Fall darauf verlassen können, daß seinen diktatmäßigen Anweisungen zur Beilage je einer weiteren Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde durch die Kanzlei Folge geleistet würde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Verfahren über die Wiedereinsetzungsanträge wegen des sachlichen Zusammenhanges verbunden.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, daß ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist. Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist diesem als Verschulden anzurechnen, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber dem Angestellten unterlassen hat. Der bevollmächtigte Anwalt muß den Aufgaben, die ihm aus dem Bevollmächtigungsvertrag erwachsen, auch insoweit nachkommen, als er sich zu ihrer Wahrnehmung seiner Kanzlei als seines Hilfsapparates bedient. Insbesondere muß der bevollmächtigte Rechtsanwalt die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, daß die erforderliche und fristgerechte Setzung von Prozeßhandlungen sichergestellt wird. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen sein, daß Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Ein Rechtsanwalt verstößt auch dann gegen seine anwaltliche Sorgfaltspflicht, wenn er weder im allgemeinen noch im besonderen wirksame Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Falle des Versagens eines Mitarbeiters Fristversäumung auszuschließen geeignet sind. Ein Verschulden trifft ihn in einem solchen Fall nur dann nicht, wenn dargetan wird, daß die Fristversäumung auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten des entsprechenden Kanzleiangestellten beruht. Die Art und Intensität der über die Kanzlei ausgeübten Kontrolle ist bereits im Wiedereinsetzungsantrag darzutun (vgl. hiezu z.B. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 1993,

Zlen. 92/01/1062, 1063, und die dort zitierte Vorjudikatur). Im Fall eines Mängelbehebungsauftrages umfaßt die anwaltliche Sorgfaltspflicht auch die geeignete Überwachung der Vorbereitung der Postsendung zur Abgabe und die Überprüfung der Vollständigkeit der an den Verwaltungsgerichtshof in Befolgung des Mängelbehebungsauftrages zu übermittelnden Aktenstücke. Kein Verstoß gegen Sorgfaltspflichten wäre hingegen dann anzunehmen, wenn erst nach Unterfertigung des Ergänzungsschriftsatzes und Kontrolle der Vollständigkeit der anzuschließenden Urkunden durch den Rechtsanwalt im Zuge der Kuvertierung oder Postaufgabe durch einen verläßlichen Angestellten ein Fehler unterlaufen wäre (vgl. hiezu z.B. die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Februar 1993, Zl. 92/15/0234, und vom 23. April 1992, Zl. 92/15/0067).

In den vorliegenden Fällen zeigen die Ausführungen des Wiedereinsetzungsantrages, daß der Rechtsanwalt der Antragsteller den Mängelbehebungsschriftsatz zu einem Zeitpunkt unterfertigte, in dem die den Gegenstand des Mängelbehebungsauftrages bildenden Urkunden diesem noch nicht angeschlossen waren, und auch keine spätere Kontrolle des Schriftsatzes auf die Vollständigkeit der anzuschließenden Beilagen durchführte. Der Wiedereinsetzungsantrag läßt somit nicht erkennen, daß der Vertreter der Antragsteller ohne sein Verschulden bzw. aus einem einen minderen Grad des Versehens nicht übersteigenden Verschulden gehindert war, die Frist zur Behebung der den Beschwerden anhaftenden Mängel einzuhalten. Die Wiedereinsetzungsanträge waren daher abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993010232.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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