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26 Gewerblicher RechtsschutzNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Zurückweisung einer Patentanmeldung von Patenten auf eine antigenreaktive Substanz mangels Patentierbarkeit von Arzneimitteln aufgrund der Annahme der Wirksamkeit eines österreichischen Vorbehalts zum Europäischen Patentübereinkommen im Zeitpunkt der Patentanmeldung nicht denkunmöglichSpruch
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die beschwerdeführende Gesellschaft hat 1986 eine "FSME-Virus-antigenreaktive Substanz" als Patent angemeldet und hiezu vier Patentansprüche gestellt, von denen (nur) drei Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind.
Patentanspruch 1 bezog sich auf die erwähnte Substanz, Patentanspruch 2 auf diese Substanz, insoweit sie nach einem bestimmten Verfahren hergestellt wird, Patentanspruch 3 auf die Verwendung einer FSME-Virus-antigenreaktiven Substanz zur Herstellung einer Vakzine, welche eine FSME-Virus-antigenreaktive Substanz gemäß den erwähnten Ansprüchen 1 oder 2 enthält.
Nach Erlassung eines Vorbescheides wies die technische Abteilung XVI des Österreichischen Patentamtes diese Patentanmeldung mit Bescheid vom 13. April 1988 zurück, weil die Patentansprüche 1 und 2 chemische Erzeugnisse als solche und Patentanspruch 3 ein Arzneimittel als solches beträfen, die nicht patentierbar seien.
Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde mit Bescheid der Beschwerdeabteilung des Österreichischen Patentamts vom 12. Dezember 1989 keine Folge gegeben.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die beschwerdeführende Gesellschaft sich im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt erachtet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
3. Die Beschwerdeabteilung des Österreichischen Patentamtes hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt. Die beschwerdeführende Gesellschaft replizierte.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die beschwerdeführende Gesellschaft behauptet die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz mit der Begründung, die Behörde habe das Gesetz denkunmöglich angewendet und damit Willkür geübt.
Strittig ist hiebei die Auslegung des ArtIV Abs1 Patentrechts-Novelle 1984, BGBl. 234. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:
"Soweit und solange ein Vorbehalt Österreichs gemäß Art167 Abs2 lita des Europäischen Patentübereinkommens, BGBl. Nr. 350/1979, wirksam ist, werden Patente für Erfindungen von chemischen Erzeugnissen als solchen, von Nahrungsmitteln als solchen für Menschen oder von Arzneimitteln als solchen nicht erteilt, es sei denn, die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung oder Verwendung eines chemischen Erzeugnisses oder ein Verfahren zur Herstellung eines Nahrungsmittels für Menschen oder eines Arzneimittels."
Der in dieser Bestimmung bezogene Art167 des Europäischen Patentübereinkommens, BGBl. 350/1979, (im folgenden EPÜ) sieht in Abs1 vor, daß jeder Vertragsstaat bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung seiner Ratifikations- oder Beitrittsurkunde nur die in Abs2 vorgesehenen Vorbehalte machen kann. Nach Art167 Abs2 lita kann sich jeder Vertragsstaat vorbehalten zu bestimmen,
"daß europäische Patente übereinstimmend mit den für nationale Patente geltenden Vorschriften unwirksam sind oder für nichtig erklärt werden können, soweit sie Schutz für chemische Erzeugnisse als solche oder für Nahrungs- oder Arzneimittel als solche gewähren; ein solcher Vorbehalt berührt nicht den Schutz aus dem Patent, soweit es ein Verfahren zur Herstellung oder Verwendung eines chemischen Erzeugnisses oder ein Verfahren zur Herstellung eines Nahrungs- oder Arzneimittels betrifft;"
Art167 Abs3 erster Satz EPÜ sieht vor, daß alle von einem Vertragsstaat gemachten Vorbehalte für einen Zeitraum von höchstens zehn Jahren vom Inkrafttreten des EPÜ an wirksam sind. Abs5 des Art167 EPÜ bestimmt hiezu:
"Ein nach Absatz 2 Buchstabe a, b oder c gemachter Vorbehalt erstreckt sich auf die europäischen Patente, die auf Grund von europäischen Patentanmeldungen erteilt worden sind, die während der Wirksamkeit des Vorbehalts eingereicht worden sind. Der Vorbehalt bleibt während der gesamten Geltungsdauer dieser Patente wirksam."
Österreich hat bei Ratifikation des EPÜ einen Vorbehalt im Sinne des Art167 Abs2 lita EPÜ abgegeben (kundgemacht in BGBl. 350/1979). Dieser Vorbehalt war nach Art167 Abs3 EPÜ iVm Art169 Abs1 EPÜ bis 7. Oktober 1987 wirksam.
2. Die beschwerdeführende Gesellschaft hat ihr Patent 1986, also noch zur Zeit der Wirksamkeit des österreichischen Vorbehaltes, angemeldet. Die Beschwerdeabteilung des Österreichischen Patentamtes entschied am 12. Dezember 1989, also nach dem Ende der Wirksamkeit des österreichischen Vorbehaltes, mit im wesentlichen folgender Begründung, daß die Patentansprüche nicht zu Recht bestünden:
Bei den von der beschwerdeführenden Gesellschaft angestrebten Patenten handle es sich um solche im Sinne des ArtIV Abs1 der Patentrechtsnovelle 1984 (dies wird auch von der beschwerdeführenden Gesellschaft nicht bestritten). Diese Bestimmung sei im Lichte des Art167 Abs2 lita und Art167 Abs5 EPÜ zu betrachten, da die Patentrechts-Novelle 1984 die österreichische Rechtslage im Sinne des Vorbehaltes zum EPÜ gestalten ("harmonisieren") wollte. In Art167 Abs5 EPÜ sei nun ausdrücklich bestimmt, daß sich ein Vorbehalt im Sinne des Abs2 lita auf jene europäischen Patente erstrecke, die aufgrund von europäischen Patentanmeldungen erteilt worden sind, die während der Wirksamkeit des Vorbehaltes eingereicht worden sind. (In diesem Fall bleibt der Vorbehalt nach dem zweiten Satz des Abs5 während der gesamten Geltungsdauer dieser Patente wirksam).
Ungeachtet dessen, daß ArtIV Abs1 der Patentrechts-Novelle 1984 nur davon spreche, daß die in Rede stehenden Patente während der Wirksamkeit des Vorbehaltes "nicht erteilt" würden, sei für die Frage, auf welche Patentanmeldungen diese Bestimmung anzuwenden sei, maßgeblich, ob sie - wie in Art167 Abs5 EPÜ ausdrücklich geregelt - während der Wirksamkeitsdauer des Vorbehaltes angemeldet worden sind.
Eine andere Auslegung führte dazu, daß in Österreich angemeldete Patente anders behandelt würden als (in anderen Staaten angemeldete) europäische Patente, was dem Harmonisierungsgedanken des EPÜ (und folglich auch der österreichischen Ausführungsvorschriften) widerspreche und überdies dazu führe, daß je nach dem (zufälligen) Zeitpunkt der Entscheidung über die Patentanmeldung unterschiedliche Rechtsfolgen einträten.
Die beschwerdeführende Gesellschaft meint demgegenüber, ArtIV Abs1 Patentrechts-Novelle 1984 sei ausschließlich nach dem Wortlaut zu verstehen, sodaß nach dem Ende der Wirksamkeit des Vorbehaltes Patente der in Rede stehenden Art jedenfalls zu erteilen sind, unabhängig davon, wann die Anmeldung erfolgte.
3. Der Verfassungsgerichtshof kann nicht finden, daß die von der belangten Behörde getroffene Auslegung - wie die beschwerdeführende Gesellschaft behauptet - denkunmöglich ist. In Rücksicht darauf, daß ArtIV Abs1 Patentrechtsnovelle 1984 nichts darüber bestimmt, wann die in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift fallenden Patentanmeldungen erfolgt sein müssen, ist diese Frage anhand der anderen in Betracht kommenden Vorschriften zu beantworten. Die von der belangten Behörde gewählte Auslegung ist durchaus naheliegend, weil sie der durch das Europäische Patentübereinkommen für europäische Patente geschaffenen Rechtslage entspricht und überdies mit dem aus dem Gleichheitsgrundsatz erfließenden Sachlichkeitsgebot in Einklang steht.
Da schon die Prämisse der beschwerdeführenden Gesellschaft, das Gesetz sei denkunmöglich angewendet worden, nicht zutrifft, ist die daraus von ihr abgeleitete Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht eingetreten. Aber auch sonst kann der Verfassungsgerichtshof nicht erkennen, daß die beschwerdeführende Gesellschaft in diesem oder einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der angewendeten generellen Normen sind im Lichte dieses Beschwerdefalles ebenfalls nicht entstanden.
Selbst wenn - wie die beschwerdeführende Gesellschaft behauptet - die belangte Behörde in anderen Fällen gesetzwidrigerweise anders entschieden haben sollte, würde ein solches Vorgehen der beschwerdeführenden Gesellschaft nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 27.2.1989 B197/88, mit Hinweisen auf die Vorjudikatur) kein Recht auf ein gleiches behördliches Fehlverhalten einräumen.
4. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z1 VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Patentrecht, Anwendbarkeit Vorbehalt, StaatsverträgeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1990:B259.1990Dokumentnummer
JFT_10098874_90B00259_00