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60/04 Arbeitsrecht allgemein;Norm
AuslBG §4 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des O in R, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Tirol vom 3. November 1992, Zl. III b 6702 B / 773629/Re, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, der in R den Einzelhandel mit türkischen Spezialitäten betreibt, stellte am 19. Juni 1992 beim Arbeitsamt R den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den türkischen Staatsangehörigen Y.D. als Verkaufshelfer mit einem monatlichen Bruttolohn von S 9.500,--. In einer diesem Antrag angeschlossenen "Sachverhaltsdarstellung" vom 11. Juni 1992 hatte der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, daß er dringend eine Ersatzkraft für seinen Verkäufer M benötige, der am 26. Mai 1992 in F bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt worden sei. Der Beschwerdeführer selbst arbeite im Schichtbetrieb im Werk X und benötige daher Hilfe in seinem Lebensmittelgeschäft, wobei von der Ersatzkraft Kenntnisse der türkischen Sprache und auf dem Gebiete des Einzelhandels verlangt würden. Y.D. würde die gewünschten Fähigkeiten mitbringen.
Diesen Antrag wies das Arbeitsamt mit seinem Bescheid vom 29. Juli 1992 gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG ab. Der Vermittlungsausschuß habe die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet; darüber hinaus habe "das Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.
Dagegen brachte der Beschwerdeführer in seiner Berufung vor, Y.D. werde dringend als Ersatzkraft für den verunglückten M benötigt (§ 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c AuslBG). Ein dem Arbeitsamt vom Beschwerdeführer erteilter Vermittlungsauftrag habe keinen Erfolg gezeitigt.
Im Zuge des Berufungsverfahrens hielt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer in ihren Schreiben vom 8. September 1992 und vom 5. Oktober 1992 ihre Beurteilung der Rechts- und Sachlage vor, wozu der Beschwerdeführer am 16. September 1992 und am 14. Oktober 1992 im Sinne seines bisherigen Vorbringens Stellung nahm. In seiner zweiten Stellungnahme wurde die der gesuchten Arbeitskraft vom Beschwerdeführer gebotene monatliche Bruttoentlohnung auf den dem Kollektivvertrag entsprechenden Betrag von S 10.560,-- angehoben.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 3. November 1992 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG und § 4 Abs. 6 AuslBG idgF keine Folge. Begründend gab die belangte Behörde die erfolgten Verfahrensschritte, insbesondere auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, im Detail wieder und stellte im Anschluß an eine Zitierung des § 4 Abs. 6 AuslBG fest, daß die für das Kalenderjahr 1992 für Tirol festgesetzte Landeshöchstzahl sowohl im Zeitpunkt des erstinstanzlichen Bescheides als auch derzeit überschritten (gewesen) sei. Das vorliegende Verfahren sei daher gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG abzuwickeln. Da der Vermittlungsausschuß den Antrag des Beschwerdeführers nicht einhellig befürwortet habe, liege die Anspruchsvoraussetzung nach Z. 1 dieser Gesetzesstelle nicht vor. Der Beschwerdeführer stütze seine Berufung auf § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c AuslBG. Dazu sei auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens davon auszugehen, daß M bis zu seinem unfallbedingten Ausfall am 26. Mai 1992 auf Grund einer Arbeitserlaubnis beim Beschwerdeführer beschäftigt gewesen sei. Ab diesem Tag sei daher im Betrieb des Beschwerdeführers eine mit einem Ausländer besetzte Stelle als Verkäufer frei geworden. Demgegenüber solle Y.D. als Verkaufshelfer beschäftigt werden. Das berufliche Anforderungsprofil eines Verkäufers (Lehrberuf) und eines Verkaufshelfers (Anlernkraft) sei unterschiedlich, weshalb es an der Identität des freigewordenen und des nachzubesetzenden Arbeitsplatzes fehle, was einer Qualifizierung des Y.D. als eines dringenden Ersatzes für den ausgeschiedenen Verkäufer im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c AuslBG entgegenstehe. Es fehle aber darüber hinaus auch an dem nach der Rechtsprechung für die Anwendung dieser Gesetzesstelle geforderten unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang (Unfall am 26. Mai - Antragstellung erst am 19. Juni 1992). Die in der Berufung vorgetragenen Gründe reichten daher nach Ansicht der belangten Behörde nicht aus, um die Anspruchsvoraussetzungen nach § 4 Abs. 6 AuslBG zu erfüllen. Es wäre Sache des Beschwerdeführers gewesen, alle anspruchsbegründenden Tatsachen zu behaupten und zu beweisen, was jedoch nicht geschehen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes erhobene Beschwerde, nach deren gesamten Inhalt sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung für Y.D. verletzt erachtet.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde hat ihren die Abweisung des vom Beschwerdeführer gestellten Antrages bestätigenden, nunmehr angefochtenen Bescheid auf § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt. Diese Bestimmung (Z. 1 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:
"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und
1.
bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder
2.
die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere
a)
als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder
b)
in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder
c)
als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder
d)
im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder
3.
öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder
4.
die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."
Die im Beschwerdefall eingeschrittenen Verwaltungsbehörden sind unangegriffen davon ausgegangen, daß die Landeshöchstzahl überschritten sei und somit die Voraussetzungen für die Anwendung des erschwerten Verfahrens nach § 4 Abs. 6 AuslBG vorlägen. Dagegen hat der Beschwerdeführer ebensowenig etwas vorgebracht wie gegen die Feststellung, der Vermittlungsausschuß habe die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet. Der Beschwerdeführer hat aber bereits im Administrativverfahren und nunmehr erneut in seiner Beschwerde darauf hingewiesen, daß er den beantragten Ausländer als dringenden Ersatz für die Besetzung eines durch unfallbedingtes Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes benötige (§ 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c AuslBG).
Die belangte Behörde hat die rechtliche Möglichkeit, dem Beschwerdeführer auf der Grundlage dieser Gesetzesstelle die beantragte Beschäftigungsbewilligung zu erteilen, aus zwei Gründen verneint: Einerseits wegen des Fehlens des dort geforderten unmittelbaren zeitlichen Zusammenhanges zwischen dem Freiwerden der Stelle und dem Antrag auf Bewilligung seiner Neubesetzung durch einen anderen Ausländer, andererseits wegen Fehlens der "Identität des freigewordenen und des nachzubesetzenden Arbeitsplatzes" (Verkaufshelfer statt Verkäufer). Beide Gründe vermögen nicht zu überzeugen.
Es ist das Recht jedes Arbeitgebers, sofern er damit nicht gegen zwingendes Recht verstößt, die Anforderungen festzusetzen, die er an eine von ihm zu beschäftigende Person stellt. Finden diese Anforderungen in objektiven Notwendigkeiten eine Grundlage, dann gehören sie zu den gesetzlich zulässigen Bedingungen der Beschäftigung (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. April 1990, Zl. 89/09/0161). Der Verwaltungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, daß dies im Falle der Suche nach einer Ersatzkraft für einen ausgeschiedenen Mitarbeiter anders sein sollte, es wäre denn, die Änderung des Anforderungsprofiles ließe an sich bereits erkennen, daß durch die neue Kraft eine von der freigewordenen gänzlich verschiedene Arbeitsstelle ausgefüllt werden soll. Das in § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c VwGG verwendete Wort "Ersatz" bezeichnet ganz allgemein eine Person, die anstelle einer nicht mehr vorhandenen oder nicht mehr geeigneten Person eingesetzt werden soll (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 1993, Zl. 92/09/0386).
Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß der (ausländische) Verkäufer des Beschwerdeführers namens M wegen eines am 26. Mai 1992 erlittenen schweren Unfalls vom Beschwerdeführer nicht mehr eingesetzt werden konnte. Es liegt daher nahe, daß der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag tatsächlich gestellt hat, um einen Ersatz für diesen Ausfall zu erhalten. Nach dem Gesagten stand es dem Beschwerdeführer aber frei, den frei gewordenen Arbeitsplatz mit einem "ungelernten" Verkaufshelfer zu besetzen und dementsprechend das Anforderungsprofil herabzusetzen. Weder aus den vorgelegten Akten noch aus der Argumentation der belangten Behörde lassen sich Zweifel daran ableiten, daß der gesuchte "Verkaufshelfer" eben jenen Arbeitsplatz im Verkaufsbereich ausfüllen sollte, den vor ihm der verunglückte M eingenommen hat.
Die belangte Behörde hat mit Recht darauf hingewiesen, daß im Hinblick auf die Formulierung des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c AuslBG darüber hinaus ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang bei der Nachbesetzung eines frei gewordenen Arbeitsplatzes eines Ausländers bestehen muß (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Oktober 1991, Zl. 91/09/0085). Auch diese gesetzliche Voraussetzung für eine allfällige positive Erledigung des gestellten Antrags im erschwerten Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG darf indes nicht zu eng gesehen werden. Ein etwa dreiwöchiges Intervall zwischen dem Freiwerden der Stelle und der Antragstellung auf Beschäftigungsbewilligung, während dessen die frei gewordene Arbeitsstelle unbesetzt geblieben ist, vermag nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes den geforderten unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang noch nicht zu unterbrechen.
Der angefochtene Bescheid steht daher mit dem Gesetz nicht im Einklang, weshalb er gemäß § 42 Abs. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft S 30,-- an Beilagenstempel, weil nur die Vorlage des angefochtenen Bescheides, mit S 120,-- Stempelmarken versehen, zur Rechtsverfolgung notwendig war.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992090387.X00Im RIS seit
20.11.2000