TE Vwgh Erkenntnis 1993/4/22 92/09/0355

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Veröffentlicht am 22.04.1993
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
67 Versorgungsrecht;

Norm

HVG §24 Abs5;
HVG §24 Abs6;
HVG §24;
HVG §68 Abs2;
HVG §89 Abs2;
KOVG 1957;
VwGG §48 Abs1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des P in T, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 30. März 1992, Zl. OB. 511-452802-001, betreffend Beschädigtenrente nach dem Heeresversorgungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der am 5. Oktober 1969 geborene Beschwerdeführer war ab dem 1. Dezember 1988 als selbständiger Landwirt in der von seinen Eltern gepachteten Landwirtschaft in T tätig. Am 26. September 1990 legte er die Prüfung zum "landwirtschaftlichen Facharbeiter" ab. Ab dem 1. Oktober 1990 leistete er den Grundwehrdienst beim Österreichischen Bundesheer und war in der Jägerschule stationiert. Am 13. Dezember 1990 erlitt er in der dortigen Turnhalle bei einem Sprung auf eine Matte einen Bruch des vierten und fünften Halswirbels. Seither ist er querschnittsgelähmt und erwerbsunfähig.

Es ist unbestritten, daß dem Beschwerdeführer für die Folgen dieses Unfalls Leistungen nach dem Heeresversorgungsgesetz (HVG) zustehen; strittig ist nur die Ermittlung der für die Höhe dieser Leistungen maßgebenden Bemessungsgrundlage.

Das Landesinvalidenamt für Salzburg (LIA) stellte mit Bescheid vom 18. Oktober 1991 die Dienstbeschädigungen des Beschwerdeführers sowie seine daraus resultierende 100%-ige Minderung der Erwerbsfähigkeit fest. Begründend ging das LIA in der Frage der dieser Beschädigtenrente zugrunde liegenden Bemessungsgrundlage von § 24 Abs. 5 und 6 HVG aus und traf dazu die folgenden Feststellungen:

"Sie sind seit 1.12.1988 selbständiger Landwirt in der gepachteten Landwirtschaft Ihrer Eltern.

Sie sind kein buchführender, sondern ein sogenannter "pauschalierter Landwirt" und besitzen daher keine Steuerbescheide. Sie sind auch nicht zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet. Für die Feststellung der Bemessungsgrundlage kann daher auf Grund der obzitierten Bestimmung nur der kollektivvertraglich oder gesetzlich festgesetzte Arbeitslohn herangezogen werden.

Ihr Bemessungszeitraum wurde festgestellt vom 13.12.1989 bis 12.12.1990. Sie haben am 26.9.1990 die Prüfung zum "Landwirtschaftlichen Facharbeiter" abgelegt.

Nach dem bäuerlichen Kollektivvertrag 1990 für die Arbeiter und Arbeiterinnen in den bäuerlichen Betrieben des Bundeslandes Salzburg sind Sie vergleichsweise in die Lohngruppe 2 = Wirtschafter, Schaffer einzustufen.

Das kollektivvertragliche Entgelt betrug 1990:

180.180,- S (inclusive Sonderzahlungen).

Die Bemessungsgrundlage beträgt 1/14 des Jahreseinkommens.

Sie beträgt für das Jahr 1990 mindestens 5.829,- S und

höchstens 24.177,- S (§ 24b HVG).

Ihre Bemessungsgrundlage beträgt 12.870,- S."

Davon ausgehend errechnete das LIA unter Anwendung der Bestimmungen des § 23 HVG die Höhe der dem Beschwerdeführer zuerkannten Beschädigtenrente mit S 10.296,-- ab dem 1. Dezember 1990.

In seiner gegen diesen Bescheid ausschließlich "hinsichtlich der der Berechnung der Beschädigtenrente zugrunde liegenden Bemessungsgrundlage" erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, es wäre auf seine "tatsächliche Einkommenssituation" Rücksicht zu nehmen gewesen. Im Jahre 1990 habe er im strittigen Zeitraum Einnahmen aus der Land- und Forstwirtschaft von insgesamt S 972.500,-- bezogen. Mit Rücksicht darauf, daß der Beschwerdeführer nicht zur Einkommensteuer zu veranlagen sei, müsse das aus diesem Rohertrag zu ermittelnde Einkommen von einem landwirtschaftlichen Sachverständigen festgestellt werden, weshalb die Einholung eines solchen Gutachtens beantragt werde. Auch habe der Beschwerdeführer diese Einnahmen nur durch einen überdurchschnittlichen Arbeitseinsatz erzielen können, der auf keinen Fall durch Heranziehung eines Kollektivvertragslohnes auf Grund einer Vierzigstunden-Woche ausreichend abgegolten werden könne. Die tägliche Arbeitszeit des Beschwerdeführers sei weit über einen Achtstundentag hinausgegangen und habe im Sommer bis zu 16 Arbeitsstunden pro Tag ausgemacht.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30. März 1992 gab die belangte Behörde dieser Berufung keine Folge. Auch die belangte Behörde verwies begründend auf § 24 Abs. 5 und 6 HVG und schloß sich der Auffassung des LIA an, daß im Falle des Beschwerdeführers, der keine Einkommensteuerbescheide besitze und auch nicht zur Abgabe von Steuererklärungen verpflichtet gewesen sei, für die Feststellung der Bemessungsgrundlage nur der kollektivvertraglich oder gesetzlich festgelegte Arbeitslohn herangezogen werden könne. Die Entscheidung des LIA entspreche daher den gesetzlichen Bestimmungen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher jedoch mit Beschluß vom 12. Oktober 1992, B 761/92-3, die Behandlung dieser Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Der Beschwerdeführer erachtet sich nach dem Beschwerdevorbringen in seinem Recht auf eine dem Gesetz entsprechende, auf Basis seiner tatsächlichen Einkünfte ermittelte Bemessungsgrundlage für die ihm zustehenden Heeresversorgungsleistungen verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde habe entgegen dem § 89 Abs. 2 HVG ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entschieden. Dieser Vorwurf ist unbegründet, weil die genannte Gesetzesstelle nur regelt, wer an einer allfälligen mündlichen Verhandlung teilzunehmen hat. Das HVG kennt aber keine Bestimmung, nach der die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren zwingend vorgeschrieben wäre.

Die Leistungsvoraussetzungen und die Art der nach HVG zustehenden Leistungen entsprechen weitgehend dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957. Die Renten wurden dagegen analog der Unfallversicherung einkommensproportional ausgestaltet, die Grundansprüche richten sich grundsätzlich nach dem früheren Einkommen des Verletzten (vgl. dazu Tomandl, Grundriß des österreichischen Sozialrechtes4, S. 248). Die Ermittlung der hier allein strittigen Bemessungsgrundlage ist in § 24 HVG völlig eigenständig, insbesondere auch abweichend von den für die Unfallversicherung geltenden Bestimmungen der §§ 178 ff ASVG, geregelt. Dabei befassen sich die Abs. 1 bis 4 des § 24 HVG mit der Bemessungsgrundlage bei unselbständig Erwerbstätigen, die Abs. 5 und 6 mit der Bemessungsgrundlage bei selbständig Erwerbstätigen. Die weiteren Abs. 7 bis 10 gelten für beide Gruppen und sind für die vorliegende Entscheidung vorerst nicht relevant.

Mit Rücksicht auf die vom Beschwerdeführer im Bemessungszeitraum unbestritten ausgeübte Tätigkeit als selbständiger Landwirt sind die Versorgungsbehörden mit Recht davon ausgegangen, daß die Bemessungsgrundlage in seinem Fall nach § 24 Abs. 5 und 6 HVG zu erfolgen hat.

Diese Bestimmungen haben folgenden Wortlaut:

"(5) Bemessungsgrundlage bildet bei einem Beschädigten, der selbständig erwerbstätig ist, ein Vierzehntel des Einkommens, das der Beschädigte im letzten Kalenderjahr vor dem Eintritt des schädigenden Ereignisses oder - wenn dies für ihn günstiger ist - vor dem Antritt der militärischen Dienstleistung erzielt hat. Die Bemessungsgrundlage ist jedoch mindestens nach dem kollektivvertraglichen oder gesetzlichen Arbeitslohn festzusetzen, welchen Dienstnehmer in vergleichbarer Verwendung erhalten. Ergeben sich für den Beschädigten dadurch Härten, daß eine erstmalig aufgenommene Erwerbstätigkeit vor dem Eintritt des schädigenden Ereignisses oder vor dem Antritt der militärischen Dienstleistung noch nicht ein Jahr gedauert hat, so ist die Bemessungsgrundlage nach dem Jahresdurchschnittseinkommen festzusetzen, das eine Person gleichen Berufes unter gleichen Voraussetzungen üblicherweise erzielt.

(6) Für die Höhe des Einkommens ist der rechtskräftige Steuerbescheid maßgebend. Für die Zwecke dieses Bundesgesetzes werden dem in diesem Bescheid ausgewiesenen Einkommen aus den Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 Z. 1 bis 3 des Einkommensteuergesetzes 1972, BGBl. Nr. 440, hinzugerechnet:

a) der jeweils für das der Berechnung zugrundegelegte Kalenderjahr geltende Werbungskostenpauschbetrag (§ 62 des Einkommensteuergesetzes 1972);

b) vorzeitige Abschreibungen infolge steuerrechtlicher Sonderbestimmungen, die nur für selbständig Erwerbstätige Geltung haben (Bewertungsfreiheitsgesetz 1963, BGBl. Nr. 193).

Ist ein rechtskräftiger Steuerbescheid für das maßgebende Kalenderjahr nicht vorhanden, so ist bis zur Erlassung desselben der letzte rechtskräftige Steuerbescheid aus der vorangegangenen Zeit heranzuziehen. In allen übrigen Fällen richtet sich die Höhe des Einkommens nach den in der Steuererklärung für das betreffende Kalenderjahr einbekannten Einkünften."

Es ist somit im ersten Satz des § 24 Abs. 5 HVG der Grundsatz festgeschrieben, daß sich die Höhe der Bemessungsgrundlage jedenfalls nach dem (früheren) Einkommen des Beschädigten bestimmt. Im zweiten Satz des § 24 Abs. 5 HVG wird - anders als die belangte Behörde meint - nur ausgesagt, welche Untergrenze der Bemessungsgrundlage keinesfalls unterschritten werden darf. In § 24 Abs. 6 HVG wird für die Höhe des eingangs genannten Einkommens der rechtskräftige Steuerbescheid für den Bemessungszeitraum oder der letzte rechtskräftige Steuerbescheid aus der vorangegangenen Zeit, oder aber - "in allen übrigen Fällen" - das Ausmaß der für das betreffende Kalenderjahr einbekannten Einkünfte als maßgebend vorgesehen.

Der belangten Behörde ist insoweit Recht zu geben, als aus den genannten Bestimmungen nicht unmittelbar hervorgeht, von welcher Einkommenshöhe dann auszugehen ist, wenn der Beschädigte weder über Steuerbescheide verfügt noch zur Einbekennung von Einkünften verpflichtet ist. Gerade dies ist jedoch beim Beschwerdeführer nach der Aktenlage der Fall. Der Beschwerdeführer war unbestritten hinsichtlich der von ihm betriebenen Landwirtschaft weder im Sinne des § 125 BAO buchführungspflichtig noch im Sinne des § 42 EStG zur Abgabe von Steuererklärungen verpflichtet. Sein Gewinn aus der landwirtschaftlichen Tätigkeit war vielmehr im Sinne des § 17 EStG und der dazu ergangenen Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für die Ermittlung des Gewinnes aus Land- und Forstwirtschaft pauschaliert und hat auf Grund dieser Pauschalierung offenbar die für Steuererklärungs- und Buchführungspflichten vorgesehenen betraglichen Grenzen nicht überstiegen.

Es fehlen daher im Beschwerdefall gemäß § 24 Abs. 6 HVG für die Einkommenshöhe unmittelbar maßgebende Grundlagen, was zweifellos deren Ermittlung erschwert. Der Verwaltungsgerichtshof vermag jedoch nicht der daraus von der belangten Behörde abgeleiteten Auffassung zu folgen, daß in einem solchen Fall vom Grundsatz der Abhängigkeit der Bemessungsgrundlage von der Einkommenshöhe abgegangen werden könnte. Insbesondere kann aus dem Fehlen solcher Grundlagen nicht der Schluß gezogen werden, das Einkommen des Beschädigten sei jedenfalls so niedrig gewesen, daß die Bemessungsgrundlage gemäß dem zweiten Satz des § 24 Abs. 5 HVG in der dort vorgesehenen Mindesthöhe angenommen werden müßte. Eine derartige Lösung ist vielmehr nur dann vorgesehen, wenn die Ermittlungen über das Einkommen des Beschädigten im Ergebnis zu einer Bemessungsgrundlage führen, die unter diesem Mindestmaß gelegen wäre.

Dem Beschwerdeführer ist somit darin Recht zu geben, daß ungeachtet dessen, daß es an Unterlagen im Sinne des § 24 Abs. 6 HVG über die Einkommenshöhe fehlt, die im Beschwerdefall heranzuziehende Bemessungsgrundlage von der Höhe des vom Beschädigten im Bemessungszeitraum ohne Rücksicht auf die steuerliche Gewinnpauschalierung erzielten Einkommens abhängt, welche durch geeignete Ermittlungen, allenfalls auch durch den vom Beschwerdeführer angeregten Sachverständigenbeweis, festzustellen sein wird. Die von der belangten Behörde gewählte Lösung hätte das vom Gesetzgeber schon aus dem das HVG beherrschenden Versorgungsgedanken zweifellos nicht beabsichtigte Ergebnis, daß aus einer die Landwirtschaft begünstigenden steuerlichen Regelung eine unvertretbare Benachteiligung eines nach dem HVG versorgungsberechtigten Landwirtes folgen würde.

Die belangte Behörde hat daher auf Grund einer unrichtigen Rechtsansicht von weiteren Ermittlungen und Feststellungen über das vom Beschwerdeführer im Bemessungszeitraum erzielte Einkommen Abstand genommen, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG iVm Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die geltend gemachten Stempelgebühren, die im Hinblick auf den auch für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltenden § 68 Abs. 2 HVG nicht zu entrichten waren.

Schlagworte

Stempelgebühren Kommissionsgebühren Barauslagen des Verwaltungsgerichtshofes Gebührenfreiheit der Beschwerde Ersatz bei Gebührenfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992090355.X00

Im RIS seit

27.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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