TE Vwgh Erkenntnis 1993/4/23 90/17/0130

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Veröffentlicht am 23.04.1993
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Index

L37133 Abfallabgabe Müllabgabe Sonderabfallabgabe Sondermüllabgabe
Müllabfuhrabgabe Niederösterreich;
L82403 Abfall Müll Sonderabfall Sondermüll Niederösterreich;

Norm

AWG NÖ 1987 §21 Abs1;
AWG NÖ 1987 §21 Abs2;
AWG NÖ 1987 §33;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde der A in C, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. März 1990, Zl. II/1-BE-607-11/1-90, betreffend Vorschreibung einer Müllbehandlungsgebühr und einer Abfallbehandlungsabgabe (mitbeteiligte Partei: Gemeindeverband für Aufgaben des Umweltschutzes im Raume P), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Abgabenbescheid vom 8. Mai 1989 schrieb der Obmann des mitbeteiligten Gemeindeverbandes der Beschwerdeführerin für die Liegenschaft in C, X-Gasse, eine jährliche Müllbehandlungsgebühr in der Höhe von S 279,60 zuzüglich 10 % Umsatzsteuer sowie eine jährliche Abfallbehandlungsabgabe im Betrag von S 132,60 zuzüglich 10 % Umsatzsteuer vor. Die Müllbehandlungsgebühr wurde derart errechnet, daß 12 Müllsäcke mit einem Rauminhalt von je 60 Liter mit der Grundgebühr in der Höhe von S 23,30 pro Sack multipliziert wurden; die Abfallbehandlungsabgabe wurde mit 12 x 11,05 S (ds. die in § 8 der Verordnung des mitbeteiligten Gemeindeverbandes über die Einhebung von Müllbehandlungsgebühren und Abfallbehandlungsabgaben vom 1. Dezember 1988 vorgeschriebenen 47,42 % der Müllbehandlungsgebühr) festgesetzt.

1.2. Mit Bescheid des Vorstandes des mitbeteiligten Gemeindeverbandes vom 13. November 1989 wurde der als "Berufung" gewerteten Eingabe vom 21. Mai 1989 keine Folge gegeben. Begründend heißt es in diesem Bescheid, die Beschwerdeführerin sei laut durchgeführten Ermittlungen mit Hauptwohnsitz in der "X-Gasse" gemeldet und führe einen Mehrpersonenhaushalt. Die Müllbehandlungsgebühr und die Abfallbehandlungsabgabe seien auf Grund der Abfallwirtschaftsverordnung vom 1. Dezember 1988 vorzuschreiben und zu entrichten gewesen.

1.3. Die belangte Behörde wies die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Vorstellung vom 27. November 1989 mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet ab. Zur Begründung wurde, soweit für das Beschwerdeverfahren noch von Bedeutung, unter anderem ausgeführt, daß die gegenständliche Liegenschaft im Abfuhrbereich der mitbeteiligten Partei liege und daß ein Mehrpersonenhaushalt geführt werde. Die erfolgte "Zuteilung" von 12 Müllsäcken bilde das Minimum, um überhaupt eine ordnungsgemäße Müllentsorgung sicherzustellen. Selbst bei äußerst umweltbewußtem Verhalten und einer dementsprechenden Lebensweise widerspreche die Behauptung, daß kein Müll anfalle, den Erfahrungen des täglichen Lebens. Die Beschwerdeführerin führe aber auch selbst aus, daß Stoffe wie Papier, Kompost, Plastik, Metall, Styropor etc. auf der Liegenschaft angefallen und selbständig entsorgt worden seien. Da die Vorschreibung der Müllbehandlungsgebühr und Abfallbehandlungsabgabe auf Grund der "Zuteilung" und der in der Abfallwirtschaftsverordnung festgesetzten Grundgebühr erfolgt sei, weiters an der Berechnung keine Mängel entdeckt und solche auch nicht gerügt worden seien, sei der Vorstellung keine Folge zu geben gewesen.

1.4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in dem Recht verletzt, "nicht der Vorschreibung einer Müllbehandlungs- und Abfallbehandlungsgebühr zu unterliegen". Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

1.5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen des NÖ Abfallwirtschaftsgesetzes (NÖ AWG), LGBl. 8240-0, lauten auszugweise:

"§ 11

Sammlung und Abfuhr von Müll

(1) Die Gemeinde hat für die Einrichtung und den Betrieb einer Müllabfuhr nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu sorgen. ...

...

(6) Die Anzahl der aufzustellenden Mülltonnen ist mit Bescheid so festzusetzen, daß in den beigestellten Mülltonnen der erfahrungsgemäß anfallende Müll innerhalb des Abfuhrzeitraumes gesammelt und gelagert werden kann. Bei Verwendung von Müllsäcken ist die Anzahl der jährlich vorzusehenden Säcke in den Bescheid aufzunehmen.

§ 18

Berechnung der Müllbehandlungsgebühr

...

(3) Die Höhe der jährlichen Müllbehandlungsgebühr ist wie folgt zu errechnen:

1.

...

2.

Bei Verwendung von Müllbehältern für eine einmalige Benützung (Müllsäcke) ist die Grundgebühr mit der Zahl der jährlich zugeteilten Müllbehälter zu vervielfachen.

§ 19

Berechnung der Abfallbehandlungsabgabe

(1) Die Abfallbehandlungsabgabe ist für alle im Pflichtbereich einer Gemeinde gelegenen bebauten Grundstücke zu entrichten, soweit sie nicht gemäß § 12 Abs. 2 von der Benützungspflicht ausgenommen sind.

(2) ...

§ 20

Abgabenschuldner

(1) Die Müllbehandlungsgebühr und die Abfallbehandlungsabgabe sind von den Eigentümern der im Pflichtbereich gelegenen bebauten Grundstücke zu entrichten.

(2) Miteigentümer haften für die Abgabenschuldigkeiten zur ungeteilten Hand.

(3) ...

§ 21

Entstehung der Abgabenschuld, Fälligkeit

(1) Die Verpflichtung zur Entrichtung der Müllbehandlungsgebühr und der Abfallbehandlungsabgabe entsteht mit dem auf die Erlassung des Bescheides über die Festsetzung der Anzahl der aufzustellenden oder anzubringenden Müllbehälter nächstfolgenden Monatsersten.

(2) Der Zeitpunkt der Fälligkeit der Müllbehandlungsgebühr und der Abfallbehandlungsabgabe ist in der Abfallwirtschaftsverordnung (§ 33) festzusetzen. Die im Abgabenbescheid festgesetzte Müllbehandlungsgebühr und die Abfallbehandlungsabgabe sind bis zur Erlassung eines neuen Abgabenbescheides in unveränderter Höhe zu entrichten. Die Müllbehandlungsgebühr ist auch dann zu entrichten, wenn die Müllbehälter nicht oder nicht ständig benützt werden."

§ 5 der Abfallwirtschaftsverordnung des mitbeteiligten Gemeindeverbandes vom 1. Dezember 1988 bestimmt u.a.:

"Durchführung der Abfuhr

(1) Den Eigentümern der im Pflichtbereich gelegenen bebauten Grundstücke werden die vom Gemeindeverband mit Bescheid festgesetzten Müllbehälter (Mülltonnen/Müllsäcke) zur Verfügung gestellt. Die Ausgabe der Müllsäcke erfolgt jährlich bis zum 31. Dezember. Weitere Müllsäcke können vom Gemeindeverband über die jeweilige Gemeinde bezogen werden.

(2) Zur Lagerung und Sammlung des Müll dürfen nur die vom Gemeindeverband bereitgestellten Mülltonnen bzw. Müllsäcke verwendet werden. Der Müll ist nach verwertbaren und nicht verwertbaren Stoffen getrennt zu sammeln und zu lagern. Abgeführt wird nur der Müll, der sich in den vom Gemeindeverband bereitgestellten Müllbehältern befindet.

(3) ..."

2.2.1. In der Beschwerde bringt die Beschwerdeführerin sinngemäß vor, das NÖ AWG sei unrichtig angewendet worden.

2.2.2. Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Ergebnis im Recht. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut des § 21 Abs. 1 NÖ AWG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 der auf Grund dieses Gesetzes ergangenen Abfallwirtschaftsverordnung der mitbeteiligten Partei vom 1. Dezember 1988 hätte für die zwölf "zugeteilten" Müllsäcke zunächst, d.h. vor Erlassung des entsprechenden Abgabenbescheides, ein Bescheid über die Anzahl der jährlich vorzusehenden Müllsäcke ergehen müssen. Entgegen der von der belangten Behörde offenbar sowohl im angefochtenen Bescheid als auch in ihrer Gegenschrift vertretenen Auffassung kommt der "faktischen" Ausgabe und Übernahme von 12 Müllsäcken - (nach dem in den Verwaltungsakten erliegenden Schriftsatz der Marktgemeinde N an den mitbeteiligten Gemeindeverband vom 6. August 1990 sei ein "Müllverpflichtungsbescheid ... bisher von der Gemeinde NICHT erlassen", es seien aber ab 1986 jeweils Müllsäcke ausgegeben und auch übernommen worden) - keine rechtliche Bedeutung zu. Die Abgabenschuld entsteht gemäß § 21 Abs. 1 NÖ AWG vielmehr mit dem Monatsersten, der der BESCHEIDMÄßIGEN FESTSETZUNG der ANZAHL der aufzustellenden Müllbehälter (Mülltonnen/Müllsäcke) folgt. Ein solcher Bescheid betreffend die Festsetzung der Anzahl von 12 Müllsäcken ist für den Zeitraum vor dem 1. Juli 1990 nicht aktenkundig. In den Verwaltungsakten befindet sich lediglich ein Bescheid des Obmannes des mitbeteiligten Gemeindeverbandes vom 18. Juli 1990, mit dem gemäß § 11 Abs. 6 NÖ AWG ab 1. Juli 1990 für das Grundstück X-Gasse in der Gemeinde N die Anzahl der aufzustellenden Müllbehälter wie folgt festgesetzt wurde:

"26 Abfuhren eines 120 L Müllcontainers jährlich."

2.3. Da die belangte Behörde jedoch als Vorstellungsbehörde die Vorschreibung der Müllbehandlungsgebühr sowie der Abfallbehandlungsabgabe nicht behob, obwohl nach § 21 Abs. 1 NÖ AWG die Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabenschuld noch gar nicht entstanden war, hat sie den angefochtenen Bescheid selbst mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Der angefochtene Vorstellungsbescheid mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

2.4. Da die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt, konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von der beantragten Verhandlung abgesehen werden.

2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 sowie Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1990170130.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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