TE Vwgh Erkenntnis 1993/4/23 91/17/0066

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Veröffentlicht am 23.04.1993
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Index

L34001 Abgabenordnung Burgenland;
L37161 Kanalabgabe Burgenland;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
BAO §250 Abs1 litc;
BAO §289 Abs2;
BAO §93 Abs2;
BAO §93 Abs3 lita;
KanalabgabeG Bgld §5;
KanalabgabeG Bgld §7;
LAO Bgld 1963 §195 litc;
LAO Bgld 1963 §213 Abs2;
LAO Bgld 1963 §70 Abs2;
LAO Bgld 1963 §70 Abs3 lita;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde 1. des EM und 2. der MM, beide in O, beide vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in T, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 21. März 1991, Zl. II - M - 6 - 1991, betreffend Kanalanschlußbeitrag (mitbeteiligte Partei: Gemeinde O, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 15. Juli 1985 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde als Baubehörde erster Instanz dem Erstbeschwerdeführer die baubehördliche Bewilligung zum "Zubau Umbau" zum bestehenden Wohnhaus auf dem Grundstück in O, Gst. Nr. nn1 KG O. In Punkt 12.) der "Anlage A" zu diesem Bescheid mit der Überschrift "Allgemeine Bauauflagen" wurde verfügt, die Niederschlagswässer seien in den öffentlichen Kanal (Regenwasserkanal) einzuleiten. Laut Punkt 13.) der Auflagen seien die gesamten Abwässer und Fäkalwässer in den öffentlichen Kanal einzuleiten.

Mit weiterem, an beide Beschwerdeführer gerichteten Bescheid vom 13. Dezember 1989 setzte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde unter Hinweis darauf, daß die Beschwerdeführer mit Bescheid des Bürgermeisters als Eigentümer des Grundstückes Nr. nn1 KG O zum Anschluß an die wasserrechtlich bewilligte Kanalisationsanlage der mitbeteiligten Gemeinde rechtskräftig verpflichtet worden seien, gemäß "§§ 2, 3 und 5 des Bgld. Kanalabgabegesetzes (KAbG), LGBl. Nr. 41/1984, in Verbindung mit § 150 der Landesabgabenordnung (LAO), LGBl.

Nr. 2/1963 i.d.F. LGBl. Nr. 10/1963, 1/1969 und 24/1983 und der

Verordnung des Gemeinderates vom 11.1.1986" den Anschlußbeitrag

für das oben genannte Grundstück mit             "S 13.017,39

                                 - a conto Zlg.   S  5.198,58

                                                  S  7.818,81

                                 + 10 % Mwst      S    781,88

                                                  S  8.600,69"

fest.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Berufung und brachten darin im wesentlichen vor, ihr Grundstück sei nicht bescheidmäßig zum Anschluß an die Kanalanlage verpflichtet worden. Das Baugrundstück bzw. die gesamte Anlage bestehe aus mehreren Parzellen, die in die Bemessungsgrundlage hätten einbezogen werden müssen. Weiters sei ihren Vorgängern im Eigentum die Kanalanschlußgebühr in der Höhe von S 5.198,50 vorgeschrieben worden. Die neuerliche Vorschreibung widerspreche dem Charakter der Einmaligkeit. Außerdem sei absolute Verjährung eingetreten. Schließlich sei die Acontozahlung valorisiert anzurechnen.

Mit Berufungsvorentscheidung des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 23. Juli 1990 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Dies unter Hinweis auf § 15 Abs. 5 KAbG mit der weiteren Begründung, der Anschluß für das Grundstück sei bereits 1970 erfolgt. Die Höhe des "Ergänzungsbeitrages" sei nach den Bestimmungen der §§ 3 und 5 leg. cit. zu bemessen. Der burgenländische Landesgesetzgeber habe eine Valorisierung nicht vorgesehen.

In ihren gleichlautenden Vorlageanträgen brachten die Beschwerdeführer ergänzend vor, während der erstinstanzliche Bescheid einen "Anschlußbeitrag" vorschreibe, spreche die Berufungsvorentscheidung von einem "Ergänzungsbeitrag", einer Abgabe, die nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen sei. Weiters werde im erstinstanzlichen Entscheid die Zustellung eines Anschlußverpflichtungsbescheides behauptet. Nunmehr berufe sich die Gemeinde auf § 15 Abs. 5 KAbG.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 28. Dezember 1990 wurde die Berufung gleichfalls als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, die Beschwerdeführer seien in der Anlage "A", Punkt 13.) des Baubewilligungsbescheides vom 15. Juli 1985 zum Anschluß an die öffentliche Kanalisationsanlage verpflichtet worden. Von dem im Bescheid vom 13. Dezember 1989 vorgeschriebenen Kanalanschlußbeitrag seien als Acontozahlung S 5.198,58 (Zahlung der Vorgänger) in Abzug gebracht worden, sodaß ein "Ergänzungsbeitrag" von S 8.600,69 als Folge des Zu- und Umbaues vorzuschreiben gewesen sei. Eine Valorisierung sei nicht vorgesehen. Die behauptete absolute Verjährung sei durch den "vorgeschriebenen Ergänzungsbeitrag" durchbrochen.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer jeweils gleichlautend Vorstellung. Darin brachten sie vor, die Berufungsbehörde habe mit ihrem Bescheid in diesem Verfahren erstmals einen Ergänzungsbeitrag festgesetzt, der sich vom Anschlußbeitrag gemäß § 5 KAbG unterscheide. Sie habe damit die Grenzen ihrer Zuständigkeit überschritten. Es ergebe sich auch ein unlösbarer Widerspruch in der Begründung, da nicht erkennbar sei, ob ein Anschlußbeitrag oder ein Ergänzungsbeitrag vorgeschrieben werde. Die Anschlußverpflichtung sei mit schriftlichem Bescheid vorzuschreiben; ein solcher Bescheid sei aber bis jetzt nicht erlassen worden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die Bezirkshauptmannschaft Oberwart die Vorstellung(en) als unbegründet ab. Es könne kein Zweifel darüber bestehen, für welche Wässer der Bauwerber zur Einleitung in die öffentliche Kanalisation verpflichtet worden sei. Die Abgabenbehörde zweiter Instanz sei berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen. Durch die "Berichtigung der Vorschreibung eines Ergänzungsbeitrages (§ 7 KAbG) durch die Berufungsbehörde anstelle des Anschlußbeitrages" werde die Zuständigkeit der Berufungsbehörde nicht verletzt. Das KAbG sehe eine Valorisierung bisher bezahlter Gebühren nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt ihres Vorbringens erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht verletzt, daß ihnen gegenüber ein Anschlußbeitrag nicht oder doch nicht in der gegenständlichen Höhe vorgeschrieben werde. Sie beantragen, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Gemeinde erstatteten jeweils eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Berufung als unbegründet beantragen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 70 Abs. 2 der Bgld. LAO, LGBl. Nr. 2/1963, ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht. Nach Abs. 3 lit. a dieser Gesetzesstelle hat der Bescheid ferner unter anderem eine Begründung zu enthalten, wenn ihm ein Anbringen (§ 62 Abs. 1 oder 3) zugrundeliegt, dem nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder wenn er von Amts wegen erlassen wird.

Gemäß § 150 Abs. 1 leg. cit. hat, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes vorgeschrieben ist, die Abgabenbehörde die Abgaben durch Abgabenbescheide festzusetzen. Nach Abs. 2 erster Satz dieser Gesetzesstelle haben Abgabenbescheide im Spruch die ART und Höhe der Abgaben, den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit und die Grundlagen der Abgabenfestsetzung (Bemessungsgrundlagen) zu enthalten.

Das KAbG kennt in seinem 2. Abschnitt verschiedene Arten von Kanalisationsbeiträgen, nämlich den Erschließungsbeitrag (§ 4), den Anschlußbeitrag (§ 5), den vorläufigen Anschlußbeitrag (§ 6), den Ergänzungsbeitrag (§ 7), den Nachtragsbeitrag (§ 8) und den vorläufigen Nachtragsbeitrag (§ 9).

Gemäß § 5 Abs. 1 leg. cit. idF. der Novelle LGBl. Nr. 37/1990 ist für jene Anschlußgrundfläche bzw. Teile der Anschlußgrundfläche, für die eine Anschlußverpflichtung oder eine Anschlußbewilligung rechtskräftig ausgesprochen wurde, ein Anschlußbeitrag zu erheben.

Ein Ergänzungsbeitrag zum Anschlußbeitrag ist gemäß § 7 Abs. 1 leg. cit. zu erheben, wenn sich die Berechnungsfläche, die für die Bemessung des Anschlußbeitrages (§ 5) maßgeblich war oder im Fall eines verjährten Abgabenanspruches maßgeblich gewesen wäre, ändert.

Mit dem oben erwähnten Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 13. Dezember 1989 wurde, wie auch aus der Zitierung insbesondere des § 5 KAbG in seinem Spruch hervorgeht, in unmißverständlicher Weise ein ANSCHLUßBEITRAG nach der zuletzt genannten Gesetzesstelle vorgeschrieben. Der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde hat mit seinem Bescheid vom 28. Dezember 1990 die Berufung als unbegründet abgewiesen. Dieser Ausspruch ist inhaltlich so zu werten, als ob die Berufungsbehörde einen mit dem Bescheid der unteren Instanz im Spruch übereinstimmenden neuen Bescheid erlassen hätte, der fortan an die Stelle des angefochtenen Bescheides tritt. Der erstinstanzliche Bescheid hat hiedurch jede selbstständige rechtliche Wirkung nach außen verloren (vgl. hiezu Stoll, Bundesabgabenordnung Handbuch, Seite 684 f). Auch die Abgabenbehörde zweiter Instanz hat daher den Beschwerdeführern einen Anschlußbeitrag nach § 5 und nicht etwa einen Ergänzungsbeitrag nach § 7 KAbG vorgeschrieben. Von einer "Berichtigung der Vorschreibung eines Ergänzungsbeitrages ... durch die Berufungsbehörde anstelle des Anschlußbeitrages", wie dies die belangte Behörde meint, kann daher keine Rede sein. Aus eben diesem Grunde findet auch - entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Auffassung - die Vorschrift des § 213 Abs. 2 LAO, wonach die Abgabenbehörde zweiter Instanz berechtigt ist, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen, keine Anwendung. Nur der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, daß dann, wenn der Gemeinderat IM SPRUCH seines Bescheides tatsächlich einen Ergänzungsbeitrag anstatt des von der ersten Instanz vorgeschriebenen Anschlußbeitrages festgesetzt hätte, er im Sinne der von der belangten Behörde selbst zitierten Rechtsprechung seine Zuständigkeit überschritten hätte, weil es sich um die erstmalige Vorschreibung einer anders gearteten Abgabe gehandelt hätte.

Der angefochtene Bescheid erweist sich jedoch schon deshalb als inhaltlich rechtswidrig, weil sein Spruch - worauf die Beschwerdeführer mit Recht verweisen - im Widerspruch zur Begründung steht. Wie oben dargelegt, ist der Berufungsbescheid so aufzufassen, daß mit ihm ein ANSCHLUßBEITRAG festgesetzt wurde. In der Begründung des Berufungsbescheides heißt es jedoch, es sei ein ERGÄNZUNGSBEITRAG vorzuschreiben gewesen. Dieser Widerspruch zwischen Spruch und Begründung belastete den Berufungsbescheid des Gemeinderates mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (vgl. zu den rechtsähnlichen Bestimmungen der BAO die hg. Erkenntnisse vom 25. Februar 1964, Zl. 1906/63, und vom 30. Oktober 1968, Zl. 224/67, sowie weiters auch die Erkenntnisse vom 28. Februar 1977, Zl. 481/76, vom 15. Juni 1983, Zlen. 81/01/0088, 0095, und vom 22. Februar 1989, Zl. 87/03/0042).

Es wäre auch unzulässig, etwa den Spruch des Berufungsbescheides im Sinne seiner Begründung modifizierend auszulegen. Denn nur dann, wenn der Spruch, für sich allein betrachtet, Zweifel an seinem Inhalt offen läßt, kann die beigegebene Begründung als Auslegungsbehelf herangezogen werden (Erkenntnis vom 9. September 1976, Slg. Nr. 9112/A).

Dadurch, daß die belangte Behörde die aufgezeigte Rechtswidrigkeit des Berufungsbescheides nicht zum Anlaß seiner Aufhebung nahm, hat sie ihrerseits ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Dies mußte gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung führen, ohne daß auf das weitere Vorbringen der Streitteile einzugehen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2.

Schlagworte

Einhaltung der Formvorschriften Spruch und Begründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1991170066.X00

Im RIS seit

24.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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