TE Vwgh Beschluss 1993/4/26 93/10/0060

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Veröffentlicht am 26.04.1993
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

B-VG Art144 Abs1;
B-VG Art144 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 93/10/0068

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat 1.) über den Antrag der XY-GmbH in I, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 21. September 1992, Zl. U-12.465/3, betreffend einen Wiederherstellungsauftrag nach dem Tiroler Naturschutzgesetz, sowie 2.) über die mit dem Wiedereinsetzungsantrag verbundene Beschwerde gegen den eben zitierten Bescheid den Beschluß gefaßt:

Spruch

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 46 VwGG wird nicht stattgegeben.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 21. September 1992 trug die Tiroler Landesregierung der antragstellenden Partei auf, von ihr veranlaßte Geländeaufschüttungen bzw. -abtragungen zu begrenzen, und untersagte ihr weitergehende Aufschüttungen bzw. Abtragungen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, unterließ es jedoch, einen Aufhebungsantrag zu stellen.

1.2. Mit Beschluß vom 1. Dezember 1992, B 1754/92, wies der Verfassungsgerichtshof diese Beschwerde zurück und den Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ab.

In der Begründung dieses Beschlusses heißt es:

"2. Die Beschwerde ist nicht zulässig.

Nach § 87 Abs. 1 VerfGG hat das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes über eine Beschwerde nach Art. 144 Abs. 1 erster Satz B-VG auszusprechen, ob eine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte stattgefunden hat oder ob der Beschwerdeführer wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden ist, und bejahendenfalls den angefochtenen Bescheid aufzuheben; Ziel des verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens ist die Eliminierung des bekämpften Bescheides aus dem Rechtsbestand. Wird ein solcher Antrag nicht gestellt, mangelt es an einem bestimmten Begehren im Sinne des § 15 Abs. 2 VerfGG.

Das Fehlen solcher notwendiger Beschwerdeelemente ist nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10174/1984, 11583/1987 und VfGH 11.6.1991, B 1274/90) nicht als bloßes Formgebrechen, sondern als inhaltlicher Mangel der Beschwerde zu beurteilen, der einer Verbesserung nach § 18 VerfGG nicht zugänglich ist.

3. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof war abzuweisen, weil eine solche Maßnahme nur im Fall einer abweisenden oder ablehnenden Entscheidung in Betracht kommt."

1.3. Mit dem am 18. März 1993 zur Post gegebenen "Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 46 VwGG" begehrte die Antragstellerin die "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur rechtzeitigen Einbringung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde" gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 21. September 1992. Gleichzeitig wurde die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde eingebracht. Der Zurückweisungsbeschluß des Verfassungsgerichtshofes sei der Antragstellerin am 4. März 1992 zugestellt worden. In der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags heißt es unter anderem:

"Aufgrund des Fehlens der Wendung in Punkt 2. der Anträge an den Verfassungsgerichtshof "... und den bekämpften Bescheid aufzuheben." war die Beschwerde nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen und damit auch eine Weiterleitung an den Verwaltungsgerichtshof nicht möglich.

Die oben genannte Aufhebungsklausel wurde vom einschreitenden Vertreter zwar am Bildschirm in den Text eingefügt, offensichtlich jedoch nicht abgespeichert, sodaß sie im Ausdruck nicht mehr vorhanden war.

Aufgrund dieses Bedienungsfehlers der elektronischen Textverarbeitung wurde der Beschwerdeführerin die Möglichkeit der rechtzeitigen Einbringung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde genommen.

Im Sinne des § 46 VwGG kann ein Bedienungsfehler einer EDV-Anlage als leichtes Verschulden gewertet werden."

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. e VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

2.1. Art. 144 Abs. 3 erster Satz B-VG lautet:

"(3) Findet der Verfassungsgerichtshof, daß durch den angefochtenen Bescheid der Verwaltungsbehörde ein Recht im Sinne des Abs. 1 nicht verletzt wurde, und handelt es sich nicht um einen Fall, der nach Art. 133 von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen ist, so hat der Verfassungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers die Beschwerde zur Entscheidung darüber, ob der Beschwerdeführer durch den Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt wurde, dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten."

2.2. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin hat sich bei der Beschwerdeerhebung nicht für eine unmittelbare Beschwerdeführung vor dem Verwaltungsgerichtshof entschieden, sondern für eine sogenannte Sukzessivbeschwerde, also eine Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof mit Abtretungsantrag an den Verwaltungsgerichtshof. Sie hat es somit nicht unternommen, durch gleichzeitige Erhebung einer Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof dem Risiko einer Verneinung der Prozeßvoraussetzungen durch den Verfassungsgerichtshof, die einer Abtretung entgegensteht, entgegenzuwirken.

Der Wiedereinsetzungsantrag der Antragstellerin könnte in zweifacher Hinsicht verstanden werden: Zum einen als Wiedereinsetzung im Rahmen der Sukzessivbeschwerde in einer Art Durchgriff durch den Zurückweisungs- und Nichtabtretungsbeschluß des Verfassungsgerichtshofes, zum anderen als Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Parallelbeschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

In ersterem Fall einer sogenannten Sukzessivbeschwerde - und nur eine solche wurde tatsächlich erhoben - begründet (erst) die Abtretung der Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof an den Verwaltungsgerichtshof die Zuständigkeit des letzteren (vgl. den hg. Beschluß vom 22. Dezember 1983, Zl. 83/08/0260 = ZfVB 1984/4/1642). Solange hingegen ein Beschluß des Verfassungsgerichtshofes auf Abweisung des Abtretungsantrages dem Rechtsbestand angehört, kommt eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Behandlung dieser Beschwerde nicht in Betracht. Aus diesem Grund steht der den Abtretungsantrag abweisende, dem Rechtsbestand angehörende Beschluß des Verfassungsgerichtshofes auch einer meritorischen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist von vornherein entgegen.

Im zweitgenannten Fall, nämlich jenem, daß die Antragstellerin die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Parallelbeschwerde meinen könnte, steht dem Erfolg einer solchen Deutung entgegen, daß die Antragstellerin niemals behauptet hat, daß das geltend gemachte Versehen für die Versäumung der Frist zur Erhebung der Parallelbeschwerde kausal gewesen wäre. Hätte die Antragstellerin nämlich ihren Fehler rechtzeitig erkannt, dann hätte sie nicht eine Parallelbeschwerde, sondern eine formgerechte Sukzessivbeschwerde erhoben. Wer es unterläßt, eine - rechtzeitige - Parallelbeschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof zu erheben, kann ein Versehen, das im sogenannten Sukzessivbeschwerdeverfahren vor dem zunächst angerufenen Verfassungsgerichtshof zur Zurückweisung der Beschwerde und Abweisung des Abtretungsantrages geführt hat, nicht als Grund für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der - tatsächlich nicht erhobenen - Parallelbeschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend machen. Diese Wahlmöglichkeit ist mit Ablauf der ursprünglichen Beschwerdefrist erschöpft.

Aus diesen Erwägungen war dem Wiedereinsetzungsantrag nicht stattzugeben.

2.3. Bei diesem Ergebnis war die Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdefrist gemäß § 34 Abs. 1 VwGG durch Beschluß in nicht-öffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Eine Entscheidung über die für die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens beantragte aufschiebende Wirkung der Beschwerde kam nicht mehr in Betracht.

2.4. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993100060.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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