TE Vwgh Erkenntnis 1993/4/26 92/10/0130

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Veröffentlicht am 26.04.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

EGVG Art9 Abs1 Z1 idF 1977/232;
EGVG Art9 Abs1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des F in A, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 21. April 1992, Zl. St-43/92, betreffend Übertretung des Art. IX Abs. 1 Z. 1 EGVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft erließ mit Datum 24. Februar 1992 ein Straferkenntnis mit - soweit für das vorliegende Beschwerdeverfahren von Bedeutung - folgenden Spruch:

"1. Sie haben die Ordnung an einem öffentlichen Ort gestört und war Ihr Verhalten objektiv geeignet, Ärgernis zu erregen, indem Sie am 26. 2. 1990 um 13.05 Uhr im Parteienraum des Wachzimmers H in L, K-Straße, lautstark und in sehr erregter Weise Ihren Unmut über die Anbringung einer bargeldlosen Organstrafverfügung an Ihrem Fahrzeug äußerten. (Es fielen dabei Worte wie "Sauerei, das lasse ich mir nicht gefallen, alle werden wir uns vor dem Richter sehen.") Währenddessen schlugen Sie auch mehrere Male mit der Faust auf das Pult. Dieser Sachverhalt konnte auch von einigen anderen Personen wahrgenommen werden und haben diese Ihr Verhalten ebenfalls als ungehörig empfunden.

2. .....

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1. Art. IX Abs. 1 Z. 1 EGVG 1950, zul. in der Fassung BGBl. Nr. 563/1986

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende

Strafe verhängt:

Gemäß

1. Art. IX Abs. 1 letzt Abs. EGVG 1950, zul. idF. BGBl. Nr. 563/1986

Geldstrafe von:

1. S 300,--

Falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

1. 12 Stunden ....."

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers zu Punkt 1. des Straferkenntnisses keine Folge gegeben und dieses mit der Maßgabe bestätigt, daß die entstandene Ordnungsstörung in der Störung des Dienstbetriebes zu erblicken sei. Nach der Begründung werde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, daß er am 26. Februar 1990 um 13.05 Uhr in das im Spruch des Straferkenntnisses genannte Wachzimmer gekommen sei und dort in sehr erregter Weise seinen Unmut über die Anbringung eines Erlagscheines an seinem Pkw geäußert habe. Das zuständige Organ der Straßenaufsicht habe ihn mehrmals aufgeklärt, daß kein Grund für die Rücknahme des Erlagscheines bzw. eine Abmahnung gegeben sei. Der Beschwerdeführer sei ständig lauter geworden, da er mit seinen Bemühungen keinen Erfolg gehabt habe, wobei Worte wie "Sauerei, das lasse ich mir nicht gefallen, alle werden wir uns vor dem Richter sehen" gefallen seien; er habe seine Worte durch Faustschläge auf das Pult unterstrichen. Dem Beschwerdeführer sei daraufhin bei Fortsetzung seines Verhaltens die Festnahme angedroht und ihm mitgeteilt worden, daß die Amtshandlung beendet sei und er das Wachzimmer verlassen solle. Da er lautstark protestiert und mit seinem Verhalten den laufenden Dienstbetrieb im Wachzimmer stark gestört habe, sei er, nachdem er sich geweigert habe, freiwillig das Wachzimmer zu verlassen, ca. 3 Meter in Richtung Eingangstür geschoben worden. Der Meldungsleger habe dabei den Beschwerdeführer von hinten mit seiner rechten Hand am rechten Oberarm genommen. Bei der Eingangstür habe sich der Beschwerdeführer gegen die rechte feststehende Türhälfte geklammert. Der Meldungsleger habe den Arm des Beschwerdeführers von der Umklammerung gelöst und die Wachzimmertüre, da sich der Beschwerdeführer bereits auf dem Gehsteig befunden habe, geschlossen. Während sich der Beschwerdeführer im Parteienraum aufgehalten habe, hätten einige Personen das Wachzimmer betreten, um Organstrafverfügungen zu bezahlen. Sie hätten ihren Unmut über das Verhalten des Beschwerdeführers geäußert; der Dienstbetrieb sei dadurch erheblich beeinträchtigt worden.

Demgegenüber habe der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 25. Oktober 1990 behauptet, im Wachzimmer weder geschrien noch geschimpft und auch nicht mit der Faust auf das Pult geschlagen zu haben. Er habe den Meldungsleger ersucht, ihm seinen Namen zu nennen. Dieser habe daraufhin gesagt, der Beschwerdeführer solle nicht frech werden, die Amtshandlung sei abgeschlossen und er solle sofort das Wachzimmer verlassen. Als der Beschwerdeführer um die Dienstnummer bzw. Ausweiskarte des Meldungslegers gebeten habe, sei ihm dies verweigert worden. Stattdessen habe ihn der Meldungsleger am linken Oberarm gepackt, seinen Arm am Rücken hochgedreht und ihn aus dem Wachzimmer geschoben. Er hätte sich auch niemals an der Eigangstüre des Wachzimmers festgeklammert.

Dem hielt die belangte Behörde entgegen, es würden beim Handeln der Polizeiorgane reine Übergriffe vorliegen, wenn man den Darstellungen des Beschwerdeführers folge. Offen bleibe dann allerdings, weshalb sich die Polizeiorgane dazu hätten hinreißen lassen. Sowohl der Meldungsleger als auch der Wachkommandant hätten in ihren Zeugeneinvernahmen übereinstimmend ausgesagt, daß der Beschwerdeführer immer lauter und aufgebrachter geworden sei und sogar auf das Pult geschlagen hätte, als auf sein Vorbringen nicht eingegangen worden sei. Auch das Organ der Straßenaufsicht, die Zeugin D, habe ausgeführt, daß der Beschwerdeführer bereits beim Hereinkommen in das Wachzimmer sehr unfreundlich und in weiterer Folge immer lauter geworden sei. Als sie sich in das Nebenzimmer begeben habe, habe sie den Beschwerdeführer weiterhin herumschreien hören. Sie habe angegeben, mit Sicherheit sagen zu können, daß eine Partei über das Verhalten des Beschwerdeführers ihren Unmut geäußert habe, weil sie deswegen habe warten müssen. Angesichts dieser Aussagen sehe die belangte Behörde keinen Anlaß, den in der Anzeige festgehaltenen Angaben den Glauben zu versagen, zumal es durchaus der Lebenserfahrung entspreche, daß Personen, denen in ihrer Abwesenheit eine Organstrafverfügung ausgestellt werde, darüber verärgert seien. In welcher Art der Beschwerdeführer tatsächlich aus dem Wachzimmer gebracht worden sei, scheine der belangten Behörde insofern nicht mehr von Bedeutung zu sein, als diese Umstände die Folgen des vom Beschwerdeführer gesetzten Verhaltens gewesen seien. Im Spruch des angefochtenen Bescheides sei noch zu ergänzen gewesen, worin der Zustand der gestörten Ordnung zu sehen gewesen sei, nämlich in der Störung des Dienstbetriebes.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 11 Abs. 1 VwGG gebildeten Strafsenat erwogen:

Wer durch ein Verhalten, das Ärgernis zu erregen geeignet ist, die Ordnung an öffentlichen Orten stört, begeht gemäß Art. IX Abs. 1 Z. 1 EGVG eine Verwaltungsübertretung und ist nach dieser Gesetzesstelle mit Geldstrafe bis zu S 3.000,-- zu bestrafen. Bei Vorliegen erschwerender Umstände kann anstelle einer Geldstrafe eine Arreststrafe bis zu zwei Wochen verhängt werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Tatbild der "Ordnungsstörung" durch zwei Elemente gekennzeichnet: Zum einen muß der Täter ein Verhalten gesetzt haben, das objektiv geeignet ist, Ärgernis zu erregen. Dabei hat die Wertung nicht nach dem Empfinden der durch das Verhalten besonders betroffenen Personen zu geschehen, sondern unter der Vorstellung, wie unbefangene Menschen auf ein solches Verhalten reagieren würden. Weiters muß durch das Verhalten, welches geeignet war, das Ärgernis zu erregen, auch die Ordnung an einem öffentlichen Ort gestört worden sein. Hiezu ist es nicht erforderlich, daß das Verhalten zu Aufsehen, Zusammenlauf von Menschen u.a. führt, es muß vielmehr nur unmittelbar oder mittelbar zur Folge haben, daß ein Zustand geschaffen wird, der geordneten Verhältnissen an einem öffentlichen Ort widerspricht. Zur Herbeiführung eines derartigen Zustandes genügt es, daß etwa mehrere Personen an dem Verhalten Ärgernis genommen haben (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 26. September 1990, Zlen. 90/10/0065, 0066).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist etwa das Anschreien eines Polizeibeamten mit den Worten: "Habt ihr Polizisten nichts Dringenderes zu tun, als bei solchen Lappalien einzuschreiten", "So eine Frechheit, wer glauben"s denn, wer Sie sind", zweifellos geeignet, Ärgernis zu erregen (vgl. das Erkenntnis vom 11. November 1985, Zl. 84/10/0227). Als öffentlicher Ort ist dabei auch eine Polizeiwachstube anzusehen (vgl. das Erkenntnis vom 8. Februar 1965, Zl. 1330/64).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist dem Beschwerdeführer zwar insofern zuzustimmen, daß dem einzelnen Bürger zugestanden werden muß, seinen Unmut über Handlungen von Polizeiorganen diesen gegenüber "in geordneten Bahnen" zu äußern. Davon kann jedoch bei dem dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verhalten nicht die Rede sein. Die inkriminierten Äußerungen wiesen vielmehr den für ein "Schimpfen" typischen erregt-vorwurfsvollen Charakter auf und können im Zusammenhang mit Lautstärke bzw. Gestik als aggressiv bezeichnet werden (vgl. dazu z.B. das Erkenntnis vom 25. Mai 1987, Zl. 85/10/0167).

Wenn der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der von der belangten Behörde vorgenommenen Ergänzung des Spruches, die Ordnungsstörung sei in der "Störung des Dienstbetriebes" zu sehen gewesen, die Auffassung vertritt, die belangte Behörde habe dadurch eine unzulässige Auswechslung der Tat vorgenommen, so kann ihm dabei nicht gefolgt werden. Abgesehen davon, daß bereits in der Anzeige vom 26. Februar 1990 die Rede davon ist, daß der Beschwerdeführer lautstark protestiert habe und mit seinem (Verhalten) den laufenden Dienstbetrieb im Wachzimmer stark störte, kann darin nur eine Präzisierung des Spruches erblickt werden. Was nämlich die vom Gesetz weiters geforderte tatsächliche Störung an einem öffentlichen Ort anlangt, so genügt dazu bereits der im Spruch des angefochtenen Bescheides enthaltene Umstand, daß das Verhalten des Beschwerdeführers von einigen anderen Personen wahrgenommen wurde, die dieses Verhalten als ungehörig empfanden.

Dabei erweist sich auch der Vorwurf des Beschwerdeführers als unzutreffend, diese Feststellungen würden sich nur auf das Verhalten hinsichtlich Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses beziehen. Aus der bereits genannten Anzeige vom 26. Februar 1990 geht nämlich eindeutig hervor, daß eine Störung des Dienstbetriebes auch hinsichtlich des im Spruchpunkt 1. näher dargestellten Verhaltens des Beschwerdeführers erfolgt ist.

Für die Störung der Ordnung an einem öffentlichen Ort muß nach der wiedergegebenen Rechtsprechung ein Zustand geschaffen werden, der geordneten Verhältnissen an einem öffentlichen Ort widerspricht. Der Beschwerdeführer verweist in diesem Zusammenhang auf die Aussage des Organes der Straßenaufsicht, wonach eine Partei nur deshalb ihren Unmut geäußert habe, weil sie aufgrund der "Ausführungen" des Beschwerdeführers habe

WARTEN MÜSSEN.

Abgesehen davon, daß auch dadurch ein Zustand geschaffen wird, der geordneten Verhältnissen an einem öffentlichen Ort widerspricht, ist dem Spruch des Straferkenntnisses ausdrücklich zu entnehmen, daß das Verhalten des Beschwerdeführers von einigen anderen Personen wahrgenommen wurde, die dieses Verhalten als ungehörig empfanden.

Dem Beschwerdeführer kann auch nicht gefolgt werden, wenn er die Auffassung vertritt, dem angefochtenen Bescheid fehle eine Begründung der verhängten Strafe. Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid vielmehr das Straferkenntnis der Behörde erster Instanz bestätigt, worin sich eine ausreichende Begründung für die verhängte Strafe findet. Damit wurde die Begründung des Straferkenntnisses auch Inhalt der Begründung des angefochtenen Bescheides.

Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften erblickt der Beschwerdeführer im wesentlichen darin, daß die belangte Behörde nicht geklärt habe, an welchem Arm er vom Meldungsleger gepackt worden sei. Während der Amtsarzt am linken Oberarm Spuren von Gewaltanwendung festgestellt habe, gehe die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer angeblich nur am rechten Oberarm festgehalten worden sei. Für den Gerichtshof ist in diesem Zusammenhang allerdings nicht ersichtlich, inwiefern die belangte Behörde bei Aufklärung dieser Vorgänge, die sich NACH erfolgter Ordnungsstörung durch den Beschwerdeführer ereignet haben, eine "Unschlüssigkeit ihrer eigenen Argumentationslinie" hätte erkennen können. Im Unterbleiben der vom Beschwerdeführer beantragten weiteren Beweise kann daher kein relevanter Verfahrensmangel erblickt werden.

Da sich nach den vorstehenden Ausführungen die Beschwerde als zur Gänze unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992100130.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

29.04.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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