TE Vwgh Erkenntnis 1993/4/26 92/10/0003

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Veröffentlicht am 26.04.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

LMG 1975 §26 Abs2;
LMG 1975 §74 Abs1;
LMG 1975 §9 Abs1 lita;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 19. November 1991, Zl. VwSen-240011/2/Gf/Kf, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Magistrat der Stadt Wien - Magistratisches Bezirksamt für den 23. Bezirk - erließ gegen den Beschwerdeführer eine mit 13. Dezember 1990 datierte, am 24. Jänner 1991 zugestellte Strafverfügung folgenden Inhalts:

"Sie sind als gemäß § 9 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes - VStG 1950 zur Vertretung nach außen berufenes Organ (handelsrechtlicher Geschäftsführer) der A-Gesellschaft m.b.H. & Co KG mit dem Sitz in W, I-Gasse, dafür verantwortlich, daß diese Gesellschaft am 5. März 1990 im Lager der A-Gesellschaft m.b.H. & Co KG bei der Firma S-Gesellschaft m. b.H. & Co KG in H, X-Weg, falsch bezeichnete kosmetische Mittel und zwar 1060 mal 5 mal 125 ml Tetesept Kinderbad mit den verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben: "Ihr Kind entspannt sich und das Einschlafen wird gefördert", "beruhigt, entspannt", sowie "klinisch erprobt", "klinische Tests haben Wirkung und die gute Hautverträglichkeit der tetesept Kinderbäder bestätigt" durch Lagern in Verkehr gebracht hat.

Sie haben folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 74 Abs. 1 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 im Zusammenhang mit § 26 Abs. 1 lit. d des Lebensmittelgesetzes - LMG 1975, BGBl. Nr. 86/1975 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 VStG 1950."

Auf Grund eines Einspruches des Beschwerdeführers richtete die erstinstanzliche Behörde an ihn eine mit 15. Februar 1991 datierte, seinem ausgewiesenen Vertreter am 25. Februar 1991 zugestellte Aufforderung zur Rechtfertigung, deren Wortlaut mit jenem der Strafverfügung vom 13. Dezember 1990 übereinstimmt.

Unter dem Datum des 28. August 1991 erließ die erstinstanzliche Behörde gegen den Beschwerdeführer ein der vorangegangenen Aufforderung zur Rechtfertigung entsprechendes Straferkenntnis.

Der Beschwerdeführer berief. Die belangte Behörde wies die Berufung ab, formulierte aber den Spruch des Straferkenntnisses wie folgt neu:

"Der Berufungswerber ist als handelsrechtlicher Geschäftsführer der A-G.m.b.H. schuldig, am 5. März 1990 das kosmetische Mittel "Tetesept Kinderbad Gute Nacht Bad" mit den irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben "Beruhigt", "Entspannt" und "Ihr Kind entspannt sich und das Einschlafen wird gefördert" durch Lagerung in H, X-Weg, in Verkehr gebracht zu haben; er hat hiedurch die Verwaltungsübertretung des § 74 Abs. 1 iVm den §§ 9 Abs. 1 lit. a und 26 Abs. 2 des Lebensmittelgesetzes, BGBl. Nr. 86/1975, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 78/1987, begangen und wird hiefür mit einer Geldstrafe von S 3.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen, belegt."

In der Begründung wird zur Frage des Vorliegens irreführender gesundheitsbezogener Angaben ausgeführt, die Produktangabe ziele insgesamt darauf ab, den Eindruck zu erwecken, daß die entspannende Wirkung erst durch den Badezusatz überhaupt erreicht oder durch diesen Zusatz wesentlich gesteigert werde. Die im Produkt enthaltenen Wirkstoffe seien aber nicht geeignet, eine entspannende Wirkung zu erzielen. Die Bezeichnungen "Entspannt", "Beruhigt" und "Ihr Kind entspannt sich und das Einschlafen wird gefördert" seien somit im Ergebnis als irreführend im Sinne des § 26 Abs. 2 des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG 1975) und demgemäß als unzulässig zu qualifizieren.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer wendet unter anderem Verfolgungsverjährung ein.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 74 Abs. 1 LMG macht sich, sofern die Tat nicht nach § 63 Abs. 2 Z. 1 einer strengeren Strafe unterliegt, einer Verwaltungsübertretung schuldig, wer Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel oder Gebrauchsgegenstände der im § 6 lit. a, b oder e bezeichneten Art falsch bezeichnet, oder Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel, die falsch bezeichnet sind oder solche falsch bezeichneten Gebrauchsgegenstände in Verkehr bringt.

§ 26 Abs. 2 LMG bestimmt, daß beim Verkehr mit kosmetischen Mitteln § 8 lit. a, b und f sinngemäß gelten und § 9 mit der Maßgabe gilt, daß nicht irreführende Hinweise auf physiologische oder pharmakologische Wirkungen sowie bildliche Darstellungen zur Erläuterung des Anwendungsbereiches zulässig sind.

Abs. 1 lit. a des mit "Verbote gesundheitsbezogener Angaben" überschriebenen § 9 verbietet, beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen sich auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen oder auf physiologische oder pharmakologische, insbesondere jung erhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlankmachende oder gesunderhaltende Wirkungen zu beziehen oder den Eindruck einer derartigen Wirkung zu erwecken.

Aus einer Zusammenschau dieser Bestimmungen ergibt sich, daß beim Verkehr mit kosmetischen Mitteln Hinweise auf physiologische oder pharmakologische Wirkungen verboten und unter Strafe gestellt sind, wenn diese Hinweise irreführend sind.

Nach § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist.

Nach § 32 Abs. 2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügungen u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

Innerhalb der einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist des § 74 Abs. 6 LMG 1975 wurden zwei behördliche Akte gesetzt, die als Verfolgungshandlung in Betracht kommen, nämlich die Strafverfügung vom 13. Dezember 1990 (zugestellt am 24. Jänner 1991) und die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 15. Februar 1991 (zugestellt am 25. Februar 1991).

Eine Verfolgungshandlung unterbricht nur dann die Verjährung, wenn sie sich auf alle der Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente bezogen hat (vgl. die hg. Erkenntnisse verstärkter Senate vom 19. Oktober 1978, Slg. NF 9664/A, und vom 19. September 1984, Slg. NF 11525/A, sowie die hg. Erkenntnisse vom 16. Jänner 1984, Zl. 10/2883/80 = ZfVB 1984/5/3055, und vom 9. Juli 1992, Zl. 92/10/0004).

Die Strafverfügung vom 13. Dezember 1990 und die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 15. Februar 1991 enthalten lediglich den Wortlaut jener Hinweise auf physiologische Wirkungen, mit denen das kosmetische Mittel in Verkehr gebracht wurde. Weder der Strafverfügung noch der Aufforderung zur Rechtfertigung ist aber zu entnehmen, worin die Irreführungseignung der Hinweise besteht. Diese Hinweise können für sich allein nicht den Tatbestand des § 74 Abs. 1 LMG iVm §§ 26 Abs. 2 und 9 Abs. 1 lit. a leg. cit. erfüllen. Ihre Qualifikation als irreführend ergibt sich erst aus einem weiteren Sachverhaltselement, nämlich dem von der belangten Behörde angenommenen Umstand, daß das kosmetische Mittel nicht geeignet ist, jene physiologischen Wirkungen hervorzubringen, die von den Hinweisen, mit denen es in Verkehr gebracht wurde, indiziert werden. Dieses Sachverhaltselement war aber weder in der Strafverfügung vom 13. Dezember 1990 noch in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 15. Februar 1991 enthalten. Einer Bestrafung des Beschwerdeführers steht daher Verfolgungsverjährung entgegen.

Aus den angeführten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne daß noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992100003.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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