Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ApG 1907 §10 Abs2 idF 1984/502;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Waldner, Dr. Novak und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der Dr. med. C in O, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 31. Oktober 1988, Zl. 562.063/9-VI/15-1988, betreffend Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in K (mitbeteiligte Partei: Mag.pharm. D in I), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit Bescheid vom 5. November 1987 erteilte der Landeshauptmann von Tirol der mitbeteiligten Partei die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke mit dem Standort der Gemeinde K gemäß den §§ 9, 10 und 51 des Apothekengesetzes, RGBl. Nr. 5/1907, in der Fassung BGBl. Nr. 502/1984 (im folgenden: ApG).
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.
1.2. Mit Bescheid vom 31. Oktober 1988 wies der Bundesminister für Gesundheit und öffentlicher Dienst diese Berufung als unbegründet ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, daß die Betriebsstätte der beantragten Apotheke auf dem Grundstück EZ. 2432, Objekt N, der Katastralgemeinde K errichtet werde. Nach der Begründung dieses Bescheides habe die Standortgemeinde
K 2.300 Einwohner mit Hauptwohnsitz. Von einer öffentlichen Apotheke in K seien ferner etwa die Hälfte der Einwohner von O (1.000), 196 Einwohner von U, 59 Einwohner von R, etwa die Hälfte der Einwohner von X und Y (280), sämtliche Einwohner von
S (1224), 530 Einwohner von G und 159 Einwohner von B einschließlich der Hälfte der Anzahl der Zweitwohnungsbesitzer von K zu versorgen, sodaß insgesamt für 5.841 Personen Bedarf nach einer Apotheke in K bestehe.
K sei keine echte Fremdenverkehrsgemeinde, daher sei auf Gäste nicht Bedacht zu nehmen. Weiters könnten nicht sämtliche Bewohner der Fraktionen Y und X der Gemeinde A herangezogen werden, da diese Fraktionen etwa in der Mitte zwischen der beantragten Apotheke und der bestehenden Apotheke in A lägen, sodaß davon auszugehen sei, daß diese Personen sich auf beide Apotheken aufteilen würden. Die öffentlichen Apotheken in V, Z und A sowie die beantragte Apotheke lägen so nahe beisammen, daß deren 4 km- Umkreise einander schnitten. Der Bundesminister schließe sich jedoch dem Argument des Landeshauptmannes insofern an, als die Bewohner des S-Tales (S, G und B) als von der beantragten Apotheke zu versorgende Personen angesehen werden müßten, da die anderen öffentlichen Apotheken für diese Einwohner nur über K erreichbar seien. Andererseits kämen nicht sämtliche Einwohner von R und O bzw. von M für die beantragte Apotheke als Kunden in Frage, da für diese die öffentlichen Apotheken in Z und T bequemer erreichbar seien. Die Bewohner von Zweitwohnsitzen würden üblicherweise höchstens zur Hälfte einbezogen, außer die Ermittlungen ergäben besondere Umstände, aus denen eine ganzjährige Benützung der Zweitwohnsitze glaubhaft sei; dies sei hier nicht der Fall. Die Pendler könnten nur dann Berücksichtigung finden, wenn erwiesen sei, daß sie nicht aus Ortsteilen kämen, die bereits zum Einzugsgebiet gehörten; dieser Umstand sei dem Bericht des Landeshauptmannes jedoch nicht zu entnehmen; ähnliches gelte für die Höhere Bundeslehranstalt für landwirtschaftliche Frauenberufe. Auf Grund des festgestellten Versorgungspotentials sei der Bedarf nach einer öffentlichen Apotheke in K gegeben.
Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin, die eine ärztliche Hausapotheke innerhalb einer Entfernung von 4 Straßenkilometern von der Betriebsstätte der beantragten öffentlichen Apotheke der mitbeteiligten Partei betreibt, zunächst nicht zugestellt.
1.3. Mit Erkenntnis vom 19. Dezember 1989, Zl. 88/08/0229 = ZfVB 1990/4/1604, hob der Verwaltungsgerichtshof den die Parteistellung der Beschwerdeführerin verneinenden Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.
In der Folge beantragte die Beschwerdeführerin am 26. November 1990, sohin innerhalb der in Art. II der Apothekengesetznovelle 1990, BGBl. Nr. 362 (im folgenden: ApGNov 1990), vorgesehenen Frist bei der belangten Behörde die Zustellung des zweitinstanzlichen Bescheides betreffend die Erteilung der Konzession für die neue öffentliche Apotheke in K. Dieser Bescheid vom 31. Oktober 1988 wurde der Beschwerdeführerin am 8. November 1991 zugestellt.
1.4. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Den Beschwerdepunkt bildet der Mangel eines Bedarfes im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 1 lit. a ApG.
1.5. Die belangte Behörde hatte in einem weiteren Beschwerdeverfahren gegen den angefochtenen Bescheid, nämlich in jenem über die Beschwerde der Nachbarapothekerin Mag.pharm. J in V, die Verwaltungsakten vorgelegt. Sie erstattete eine Gegenschrift.
1.6. Die Beschwerde der eben genannten Nachbarapothekerin gegen den angefochtenen Bescheid wurde mit hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1993, Zl. 90/10/0034 (früher: 89/08/0005), als unbegründet abgewiesen.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1.1. In der Beschwerde wird geltend gemacht, Dr.med. F1 betreibe als praktische Ärztin eine Ordination in S, wo ihr seit September 1990 auch die Führung einer Hausapotheke bewilligt worden sei. Dr.med. F2, der als praktischer Arzt eine Ordination in K (mit Hausapotheke) betreibe, habe darüberhinaus eine Zweitordination in G. Beide Orte lägen außerhalb der 4-km-Zone der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke, weshalb die ärztliche Hausapotheke der Dr. F1 in S auch nach Neuerrichtung der öffentlichen Apotheke der mitbeteiligten Partei in K bestehen bleibe. Aus diesem Grund sei davon auszugehen, daß aus dem S-Tal niemand mehr bis nach K fahren werde, um seinen Heilmittelbedarf in einer dort errichteten öffentlichen Apotheke zu decken.
2.1.2. Die Beschwerdeführerin hat damit die Frage aufgeworfen, ob die belangte Behörde nicht die Sachlage im Zeitpunkt der der Beschwerdeführerin gegenüber erfolgten Zustellung (Erlassung) des angefochtenen, dem Erstempfänger bereits im Jahr 1988 zugestellten Bescheides zu berücksichtigen gehabt hätte. Es stellt sich in diesem Zusammenhang allerdings noch die weitere Frage, ob dem ihr am 8. November 1991 zugestellten und von ihr nunmehr angefochtenen Bescheid nicht bereits die durch die ApGNov 1990 gestaltete Rechtslage (Neufassung des § 10 ApG) zugrunde zu legen gewesen wäre. Beides ist zu verneinen.
2.1.2.1. Auszugehen ist zunächst davon, daß im allgemeinen die Rechtsmittelbehörde das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides GELTENDE RECHT anzuwenden hat. Eine andere Betrachtungsweise wird dann geboten sein, wenn der Gesetzgeber etwa in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, daß auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz anzuwenden ist. Weiters wird eine andere Betrachtungsweise auch dann Platz zu greifen haben, wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum Rechtens war (hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, Slg. NF Nr. 9315/A = ZfVB 1978/6/2019; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0177 = ZfVB 1992/2/491).
Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung über die anzuwendende Rechtslage findet sich nicht. Auch aus der Übergangsregelung des Art. II Abs. 2 ApGNov 1990 - wonach im Fall der Übergehung der vom Konzessionsverfahren betroffenen hausapothekenführenden Ärzte als Parteien sämtliche Wirkungen des Konzessionsbescheides bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über allfällige Rechtsmittel auch den übergangenen Parteien gegenüber aufrecht bleiben - ergibt sich kein Anhaltspunkt für die Lösung der gestellten Frage, da Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens bereits ein letztinstanzlicher Bescheid des Bundesministers ist.
Was im zitierten Erkenntnis vom 4. Mai 1977 zur Maßgeblichkeit des Zeitpunktes der Bescheiderlassung für die anzuwendende Rechtslage ausgesagt wurde, gilt nach der Rechtsprechung grundsätzlich auch für die zu beurteilende SACHLAGE (vgl. unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 22. November 1971, Slg. NF Nr. 8113/A, vom 7. Februar 1972, Slg. NF Nr. 8164/A, und vom 13. Februar 1980, Zl. 2649/79). Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 5. März 1980, Zlen. 2800, 2809/79 = ZfVB 1981/2/617, ausgeführt hat, sei ein Bescheid vom Verwaltungsgerichtshof nur dann wegen der im § 42 Abs. 2 VwGG genannten Rechtswidrigkeiten aufzuheben, wenn er mit der Tatsachen- und/oder Rechtslage zur Zeit seiner Erlassung im Widerspruch gestanden sei
(VwSlg. 234 A/1947, 627, 632 A/1948, 1068 A/1949, 5952 A/1963); durch eine nach Erlassung des angefochtenen Bescheides eingetretene, auch auf die Zeit vor Bescheiderlassung rückwirkende Änderung der Rechtslage werde der angefochtene Bescheid nicht rechtswidrig (VwSlg. 6361 A/1964; Erkenntnis vom 23. Februar 1978, Zlen. 2068, 2394/77 = ZfVB 1978/5/1859).
Auf die bei der Beschlußfassung durch Kollegialbehörden hinsichtlich des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes (teilweise) nicht auf die Erlassung, sondern auf die Beschlußfassung abstellende Rechtsprechung (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 20. Dezember 1954, Slg. NF Nr. 3614/A, vom 16. Februar 1971, Slg. NF Nr. 7974/A, vom 9. April 1980, Zl. 104/79 = ZfVB 1981/2/689, sowie vom 23. Jänner 1990, Zl. 89/06/0125 = Anw 1991, 490, mit kritischer Anmerkung von Arnold) brauchte schon deswegen nicht eingegangen zu werden, weil im vorliegenden Fall kein Kollegialorgan eingeschritten ist.
2.1.2.2. Zu prüfen ist nun im weiteren, welcher Zeitpunkt für die zugrunde zu legende Sach- und Rechtslage maßgebend sein soll, wenn im Mehrparteienverfahren ein Bescheid den Parteien nicht gleichzeitig zugestellt wird. Dabei geht es im Beschwerdefall um einen letztinstanzlichen Bescheid.
In der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts wird in zahlreichen Erkenntnissen ausgesprochen, daß unter "ERLASSUNG" eines Bescheides dessen VERKÜNDUNG ODER die formgerechte ZUSTELLUNG seiner schriftlichen Ausfertigung zu verstehen ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 7. Juli 1948, Slg. N.F. Nr. 484/A, vom 12. Juli 1950, Slg. N.F. Nr. 1622/A, vom 5. Oktober 1961, Slg. N.F. Nr. 5681/A, vom 24. Mai 1963, Slg. N.F. Nr. 6035/A, Seite 482, eines verstärkten Senates vom 28. November 1967, Slg. N.F. Nr. 7227/A, vom 19. November 1976, Zl. 448/76 = ZfVB 1977/5/2031, und vom 8. November 1978, Zl. 1390/78 = ZfVB 1979/4/1465; vgl. auch die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes Slg. Nr. 1770/1949, 2808/1955, 3087/1956). Hinzuweisen ist auch auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach auch ein Bescheid, dem eine kollegiale Willensbildung zugrunde liegt, mit seiner Zustellung als erlassen zu gelten hat (Slg. Nr. 5363/1966, 6349/1970, 7317/1974, und vom 4. Oktober 1979,
B 124/79 = ZfVB 1980/2/792). Damit in unmittelbarem Zusammenhang steht die weitere Aussage der Rechtsprechung, daß es die Kundgabe "des behördlichen Willens durch die Verkündung und die ihr gleichgestellte Zustellung" ist, "wodurch der Bescheid erst rechtliche Existenz erlangt" (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 28. November 1967, Slg. N.F. Nr. 7227/A; vgl. ferner die Erkenntnisse vom 26. Februar 1976, Slg. N.F. Nr. 8998/A, vom 19. November 1976, Zl. 448/76 = ZfVB 1977/5/2031, sowie den Beschluß vom 16. Juni 1980, Zl. 1085/80).
Dabei kommt es im Mehrparteienverfahren - um ein solches handelt es sich im Beschwerdefall - nach dem hg. Erkenntnis vom 19. November 1952, Slg. NF Nr. 2728/A, u.v.a. sowie zB dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg. Nr. 8509/1979 auf die Zustellung an den Erstempfänger an; (erst) mit der Zustellung an eine der Parteien im Mehrparteienverfahren "gehört der Bescheid der Rechtswelt an" (hg. Erkenntnis vom 4. Mai 1970, Slg. NF Nr. 7790/A).
In der Frage der (UN)ABÄNDERBARKEIT oder (UN)WIEDERHOLBARKEIT (sogenannte Selbstbindung der Behörde), sagt die Judikatur, daß ein nicht erlassener, d.h. nach außen und auch in der Rechtssphäre des Beschwerdeführers durch Zustellung nicht in Erscheinung getretener Strafbescheid für ihn nicht das Verbot einer reformatio in peius zu bewirken vermag (Erkenntnis vom 5. Oktober 1961, Slg. N.F. Nr. 5681/A). Bis zur Mitteilung nach außen - so hat der Verwaltungsgerichtshof in einem Fall, in dem eine Zustellung noch nicht erfolgt war, ausgesprochen - können auch dann, wenn der Bescheidinhalt bereits durch den Beschluß einer Kollegialbehörde gegeben ist, die Bestimmungen des AVG über Bescheide noch keine Anwendung finden, es liege vielmehr ein interner Akt der Willensbildung der Behörde vor, dessen Abänderung nach den Grundsätzen des AVG als zulässig angesehen werden müsse (Erkenntnis vom 19. März 1976, Slg. N.F. Nr. 9018/A). Es kommt also für die Frage der Unabänderlichkeit des Bescheides seitens der Verwaltungsbehörde (Selbstbindung; die Abänderbarkeit ist auf einige wenige im AVG genannte Fälle, z. B. nach § 62 Abs. 4 oder § 68, beschränkt) auf die Erlassung (Zustellung) des Bescheides an. Die Erlassung im MEHRPARTEIENVERFAHREN ist, wie vorhin dargestellt, hinsichtlich der Entstehung der rechtlichen Existenz des Verwaltungsaktes dessen Erlassung gegenüber einer der Parteien. Mit Erlassung an den Erstempfänger ist der Bescheid für die Behörde unabänderbar geworden und mit diesem Inhalt an weitere Parteien zuzustellen (vgl. dazu Lehne, Bescheidprobleme, JBl 1960, 287, der die Ansicht vertritt, die Selbstbindung trete mit der Verkündung oder Zustellung gegenüber der ersten Partei gegenüber allen Parteien ein; es sei nämlich ausgeschlossen, daß dieselbe Rechtssache, die bereits durch eine nach außen in Erscheinung getretene Entscheidung geregelt sei, einer anderen Partei gegenüber anders entschieden würde). Der Verwaltungsgerichtshof verweist in diesem Zusammenhang auch auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Oktober 1967, Slg. Nr. 5592, wonach der Bescheiderlassungszeitpunkt auch für die Rechtslage hinsichtlich der Zuständigkeit der Behörde maßgebend und diese durch spätere gesetzliche Änderungen nicht berührt wird; danach kann im Mehrparteienverfahren ein zuständigerweise erlassener - weil an eine der Verfahrensparteien zugestellter - Bescheid später auch noch an weitere Adressaten zugestellt werden, selbst wenn die Zuständigkeit der erlassenden Behörde nicht mehr gegeben ist.
2.1.2.3. Im Hinblick auf diese Rechtswirkungen der Zustellung des Konzessionsbescheides an den Erstempfänger im Jahr 1988 hat die belangte Behörde (der Bundesminister) diesen Bescheid der Beschwerdeführerin zu Recht in unveränderter Weise zugestellt und hatte der Verwaltungsgerichtshof diesen nunmehr von der Beschwerdeführerin angefochtenen Bescheid auf dem Boden der im Zeitpunkt seiner Zustellung an den Erstempfänger - dieser Zeitpunkt lag im Jahr 1988 - bestehenden Sach- und Rechtslage zu prüfen.
2.2. § 10 Abs. 2 ApG (in der Fassung vor der Apothekengesetznovelle 1990) lautet auszugsweise:
"(2) Bei der Prüfung des Bedarfes sind insbesondere die Anzahl der zu versorgenden Personen unter Berücksichtigung der ständigen Einwohner und die Entfernung zur nächstgelegenen Apotheke zu berücksichtigen. Ferner sind die Lebensverhältnisse der Bevölkerung sowie der Verkehr im Standort und in der Umgebung, die vorhandenen Krankenanstalten, Heime, Schulen und Erziehungsanstalten, größere gewerbliche und industrielle Betriebe, der Umfang des Geschäftsbetriebes der im Standort und in der Umgebung bestehenden öffentlichen Apotheken sowie deren Turnusdienst in Betracht zu ziehen. Ein Bedarf ist jedenfalls nicht anzunehmen, wenn
1.a) in Orten, in denen keine öffentliche Apotheke besteht,
die Zahl der in einem Umkreis von vier Straßenkilometern von der künftigen Betriebsstätte der Apotheke zu versorgenden Personen weniger als 5 500 beträgt
oder
b) .....
und
2. die Entfernung zwischen der künftigen Betriebsstätte der Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen Apotheke weniger als 500 m beträgt."
2.3.1. In der Beschwerde wird zur Frage der ständigen Einwohner im Umkreis von 4 Straßenkilometern von der beabsichtigten Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke ausgeführt:
"Die belangte Behörde hat nun richtig angenommen, daß in der Standortgemeinde K 2.300 Einwohner ihren Hauptwohnsitz haben. Sie hat dann darüber hinaus als weiter zu versorgende Personen 1.000 Einwohner von O, 196 Einwohner von U, 59 Einwohner von R, 280 Einwohner von X und Y, 1.224 Einwohner von S, 530 Einwohner von G und 159 Einwohner von B sowie die Hälfte der Zweitwohnungsbesitzer von K (= 193) angesehen, so daß eine Gesamtzahl von 5.841 zu versorgenden Personen gezählt wurde.
Dabei hat die belangte Behörde aber im Grunde nicht genau differenziert, welche Personen nun innerhalb der 4-Kilometer-Zone wohnen und welche von außerhalb kommend als Verkehrspublikum durch ihr Einfluten voraussichtlich den Heilmittelbedarf in der neuen Apotheke decken werden. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin sind folgende ständigen Einwohner im Umkreis von 4 Straßenkilometern zu berücksichtigen:
K: 2.300 Einwohner, von der belangten Behörde richtig
angenommen.
O: Wurde von der belangten Behörde unrichtig mit
1.000 Einwohner angegeben. Tatsächlich befinden sich im Einzugsgebiet der Apotheke nur 837 Einwohner. Dies geht aus einem Schreiben des Bürgermeisters der Gemeinde O vom 3.11.1988 an den Herrn Bundesminister für Gesundheit und öffentlicher Dienst hervor (vorgelegt in der Beilage). Im angefochtenen Bescheid ergibt sich ein Hinweis, daß das Amt der Tiroler Landesregierung im April 1988 die in den Bescheid aufgenommene Zahl von 1.500 Einwohnern (Seite 3 des Bescheides) genannt habe. Offenkundig wurde aber damals eine Zählung bei den einzelnen betroffenen Gemeinden nicht vorgenommen, ansonsten hätte der Bürgermeister der Gemeinde O am 3.11.1988 nicht solche ergänzenden Erhebungen gewünscht.
U wurde von der belangten Behörde mit 196 Einwohnern richtig angenommen.
Die 59 Einwohner von R, die sich innerhalb der 4-Kilometer-Zone befinden sollen, befinden sich aber in der Tat nicht innerhalb dieser Zone. Es handelt sich dabei um die Fraktion L, welche tatsächlich über eine ganzjährig befahrbare Straße nur über R selbst erreichbar ist und daher weit außerhalb des Gebietes von vier Straßenkilometern sich befindet.
X und Y: Soweit hier insgesamt 280 Einwohner von der belangten Behörde als Versorgungspotential angenommen wurden, geht die Beschwerdeführerin mit dieser Zahl konform, wiewohl festzuhalten ist, daß insgesamt die Einwohnerzahl dieser beiden Fraktionen geringer ist, als in Seite 3 des belangten Bescheides angeführt.
Zusammenfassend ergibt sich daher, daß an ständigen Einwohnern im Versorgungsgebiet der in K zu errichtenden öffentlichen Apotheke etwa 3.620 Personen ständig wohnen.
Es reicht daher die Einwohnerzahl von 3.620 Personen nicht aus, einen Bedarf anzunehmen."
Geltend gemacht wird, es sei einhellige Auslegung des Gesetzes, daß der größte Teil des zu versorgenden Personenkreises in dem Ort, in dem die Apotheke errichtet werden solle bzw. innerhalb der 4-km-Zone ansässig sein müsse.
2.3.2. Unter den "in einem Umkreis von vier Straßenkilometern von der künftigen Betriebsstätte der Apotheke zu versorgenden Personen" sind jene zu verstehen, die eine besondere räumliche Nahebeziehung (im 4-km-Umkreis) zur neuen Apotheke haben. Dazu zählen primär die ständigen, im 4-km-Umkreis von der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neuen Apotheke wohnenden Personen, sofern sie auch unter Bedachtnahme auf die im § 10 Abs. 2 zweiter Satz ApG genannten Umstände ihren Heilmittelbedarf voraussichtlich in der neuen Apotheke und nicht in den schon bestehenden Apotheken und weiterbestehenden Hausapotheken decken werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. Mai 1990, Zl. 88/08/0257 =
ZfVB 1990/5/2058, und vom 24. März 1992, Zl. 87/08/0089 = ZfVB 1992/8/1791, Pkt. 2).
Aus diesen Erwägungen erweist sich die von der beschwerdeführenden Partei als erste Auslegungsalternative vertretene Rechtsauffassung, daß der Großteil der erforderlichen 5.500 Personen im Ort, in dem die künftige Betriebsstätte liegen werde, ansässig sein müsse, als unzutreffend. Maßgebend ist, daß die überwiegende Zahl der potentiellen Kunden im "4-km-Umkreis" von der künftigen Betriebsstätte wohnt, wie die Beschwerdeführerin in ihrer zweiten Auslegungsvariante richtig erkennt. Die von der Beschwerdeführerin selbst angegebene Zahl von 3.620 ständigen Einwohnern in der 4-km-Zone stellt aber das Schwergewicht der insgesamt notwendigen Zahl von 5.500 an zu versorgenden Personen dar.
2.4.1. In der Beschwerde wird weiters ausgeführt, nach der Rechtsprechung seien nicht sämtliche potentiellen, außerhalb der 4-km-Zone ständig wohnenden Apothekenkunden zu berücksichtigen, sondern nur solche, die durch bestimmte, im § 10 Abs. 2 zweiter Satz ApG beispielsweise genannten Umstände und Einrichtungen veranlaßt würden, in den 4-km-Umkreis einzufluten und anläßlich dieses Einflutens voraussichtlich ihren Heilmittelbedarf in der neuen Apotheke decken würden. Nähere Untersuchungen darüber, ob sich dies mit den Einwohnern des S-Tales so verhalte, seien nicht angestellt worden. Eine gewisse Anzahl von Einwohnern des S-Tales pendle nach I aus. Diese Personen mögen zwar auf ihrer Fahrt zur Arbeitsstelle, Schule etc. bzw. auf der Heimfahrt den Weg über K wählen, jedoch sei es für diese Personen zweckmäßiger, ihren Bedarf gleich in I zu decken, sodaß nicht angenommen werden könne, daß sie ihre Fahrt in K unterbrächen - falls dies im Hinblick auf die Fahrpläne der öffentlichen Verkehrsmittel überhaupt möglich sei. Es werde sich also in diesem Fall gar nicht um "Einfluter" nach K, sondern bloß um "Durchfluter" handeln.
2.4.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem, dieselbe mitbeteiligte Partei betreffenden Vorerkenntnis vom 25. Jänner 1993, Zl. 90/10/0034, in diesem Zusammenhang ausgeführt:
"Die Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin, daß die
1.913 Personen aus S, G und B DESWEGEN nicht zu den von der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke in K zu versorgenden Personen zählten, weil diese Personen nicht im Umkreis von 4 Straßenkilometern von der künftigen Betriebsstätte der neuen Apotheke wohnten, erweist sich somit als unzutreffend. Die Feststellungen der Behörden des Verwaltungsverfahrens, daß die Bewohner der genannten Orte, um zu anderen öffentlichen Apotheken zu gelangen, durch K fahren müßten, damit notwendigerweise auf Grund der geographischen Gegebenheiten nach K (welches im übrigen Schulen und 30 Gewerbebetriebe aufweise) "einfluten" müßten und dadurch bei der Heilmittelversorgung einige Kilometer an Wegersparnis erzielen würden, wurden im Verwaltungsverfahren und auch in der Beschwerde nicht bestritten."
Anders als in dem eben zitierten Beschwerdefall hat die Beschwerdeführerin in der vorliegenden Beschwerde, die ihr als übergangener Partei erstmals die Möglichkeit bot, Sachverhaltsbehauptungen aufzustellen, ausreichend konkret dargetan, daß es sich bei den Einwohnern des S-Tales zum Teil nicht nur um Einfluter nach K, sondern um "Durchfluter", und zwar um Auspendler in den Raum von I handle. Insofern wurde von der Beschwerdeführerin zu Recht eine Ergänzungs-, jedenfalls eine Begründungsbedürftigkeit des angefochtenen Bescheides geltend gemacht. Dieser Verfahrensmangel ist auch, wie sich aus den in Betracht kommenden Zahlen ergibt, relevant.
2.5.1. Schließlich wird in der Beschwerde hinsichtlich der Situierung der künftigen Betriebsstätte der Apotheke der mitbeteiligten Partei geltend gemacht, daß es laut Bestätigung des Bezirksgerichtes I vom 12. Dezember 1988 die EZ 2432, KG K, nicht gebe. Im angefochtenen Bescheid werde aber der Standort der Betriebsstätte mit "Grundstück EZ 2432, Objekt N der KG K" angegeben.
2.5.2. Hiezu genügt es, auf das Vorerkenntnis vom 25. Jänner 1993, Zl. 90/10/0034, zu verweisen. Danach hätte es im angefochtenen Bescheid nicht EZ 2432, sondern richtig Grundstück Nr. 2432 und Grundstück N heißen müssen. Nach dem Grundbuchstand gehören nämlich beide Grundstücke (N und 2432) zur EZ 553. Da K eine einzige Katastralgemeinde bildet und die Grundstücksnummern fortlaufend vergeben sind, ist die Bezeichnung des Grundstückes N eindeutig. Rechte der Beschwerdeführerin wurden daher durch diese Bezeichnung der in Aussicht genommenen Betriebsstätte nicht verletzt.
2.6. Aus diesen Erwägungen folgt, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid, wie im Punkt 2.4. ausgeführt, mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet hat, bei deren Vermeidung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Der angefochtene Bescheid war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
2.7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Da der angefochtene Bescheid nach § 28 Abs. 5 VwGG nur in einer einzigen Ausfertigung oder Abschrift der Beschwerde anzuschließen war, gebührt der Ersatz der Stempelgebühr nur für diese eine Bescheidausfertigung (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 9. November 1978, Zl. 1901/77).
2.8. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Schlagworte
Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der RechtswirkungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1991100252.X00Im RIS seit
25.04.2001