Index
23/01 Konkursordnung;Norm
BAO §214;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Beschwerde des Dr. W, Rechtsanwalt in S, als Masseverwalter im Konkurs der GCI Ltd. in Vaduz, Liechtenstein, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 20. Dezember 1990, Zl. 88-GA 6-DSchr/89, betreffend Abrechnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 18. August 1987 beantragte die GCI Ltd. (im folgenden: Gemeinschuldnerin), ihr behauptetes Steuerguthaben, das sie mit S 1,070.734,-- bezifferte, zu - näher bezeichneten - Umbuchungen bzw. Rückzahlungen zu verwenden.
Über das Vermögen der Gemeinschuldnerin wurde am 9. Dezember 1987 das Ausgleichsverfahren und am 8. März 1988 der Anschlußkonkurs eröffnet.
Mit dem (unangefochten gebliebenen) Bescheid vom 21. April 1988 wies das Finanzamt den oben erwähnten Umbuchungs- und Rückzahlungsantrag mit der Begründung ab, daß auf dem Abgabenkonto der Gemeinschuldnerin kein Guthaben bestehe.
Der beschwerdeführende Masseverwalter beantragte daraufhin die Erlassung eines Abrechnungsbescheides gemäß § 216 BAO. Er führte aus, es bestünden Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Zahlungsverpflichtung bzw. des Tilgungstatbestandes. Nach der Auffassung des Beschwerdeführers seien die Zahlungsverpflichtungen nach Masseforderungen und Konkursforderungen zu trennen; Gutschriften seien "der Konkursmasse zuzuordnen". Bei Beachtung dieser Grundsätze ergebe sich ein Guthaben der Konkursmasse von S 969.116,30.
Mit dem am 21. Oktober 1988 gemäß § 216 BAO erlassenen Abrechnungsbescheid sprach das Finanzamt aus, daß ein Guthaben von S 992.018,70 auf Grund der Verrechnungsvorschriften der BAO aufgebraucht worden sei und nicht mehr als rückzahlbares bzw. verrechenbares Masseguthaben zur Verfügung stehe. Begründend führte das Finanzamt aus, das erwähnte Guthaben habe sich aus Umsatzsteuergutschriften betreffend den Zeitraum April bis August 1987 und Investitionsprämien (Oktober bis Dezember 1985) zusammengesetzt. Gemäß § 213 Abs. 1 i.V.m. § 214 BAO sei das Guthaben mit Erstattungsansprüchen zu verrechnen gewesen, denen die Berichtigung jener Vorsteuern und die Rückforderungen jener Investitionsprämien zugrunde lägen, die das Guthaben gebildet hätten. Weiters seien Lohnsteuern 1987 und Alkoholabgabe 1986 zu verrechnen gewesen.
Mit seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung beantragte der Beschwerdeführer, festzustellen, daß "das Guthaben laut Finanzamtkonto per 5. Dezember 1987 in der Höhe von S 1,011.233,70 nur mit Masseforderungen verrechnet werden" könne. Begründend vertrat er die Auffassung, die vom Finanzamt zur Verrechnung herangezogenen Abgabenforderungen (Vorsteuerberichtigungen und Rückforderungen der Investitionsprämien) stellten im Hinblick auf den Zeitpunkt ihrer Entstehung Konkursforderungen dar, die nicht zur Verrechnung mit dem Guthaben verwendet werden dürften.
Nach Erlassung einer die Berufung als unbegründet abweisenden Berufungsvorentscheidung beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Begründend führte sie nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage aus, zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung habe sich auf dem Abgabenkonto der Gemeinschuldnerin ein Guthaben in der Höhe von
S 1,016.714,70 befunden. Dieses Guthaben habe sich aus Vorsteuern April bis November 1987 sowie aus Investitionsprämien für Oktober bis Dezember 1985 zusammengesetzt. Infolge Ausgleichs- und nachfolgender Konkurseröffnung seien die erwähnten Vorsteuern nach § 16 Abs. 1 und 3 UStG zu berichtigen gewesen; daraus hätten sich Zahllasten von S 334.539,-- und S 620.969,-- ergeben. Die Rückforderung an Investitionsprämien für 1985 betrage
S 290.973,--. Weiters seien die Umsatzsteuer 1986 mit einer Zahllast von S 2.436,--, die Alkoholabgabe 1986 mit S 3.698,-- und Lohnsteuer 1987 mit S 41.464,-- zu verbuchen gewesen. Die Gutschrift sei vor Konkurseröffnung entstanden und stelle somit eine passive Konkursforderung dar. § 20 KO komme daher nicht zur Anwendung. Die Verrechnung mit den erwähnten Abgabenschulden sei daher zulässig gewesen, ohne daß es auf deren Qualifikation als Konkurs- oder Masseforderung ankäme.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete und von diesem nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 216 BAO hat die Abgabenbehörde auf Antrag einen Abrechnungsbescheid zu erlassen, wenn zwischen ihr und einem Abgabepflichtigen Meinungsverschiedenheiten bestehen, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist.
Der Abrechnungsbescheid dient somit (ausschließlich) der Entscheidung, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Jänner 1981, Slg. Nr. 5547/F, vom 18. April 1985, Slg. Nr. 5991/F, und vom 5. Dezember 1991, Zl. 89/17/0186). Für den vom Beschwerdeführer begehrten Abspruch, "welche der auf dem Abgabenkonto der Gemeinschuldnerin gebuchten Zahlungsverpflichtungen bzw. Gutschriften Masseforderung bzw. Konkursforderung" sei, war im Verfahren nach § 216 BAO somit kein Raum; der Beschwerdeführer ist durch das Unterbleiben eines solchen Abspruches daher in keinem Recht verletzt. Er erachtet sich jedoch - aus dem Inhalt seiner Beschwerde erkennbar - auch in seinem Recht verletzt, daß im Wege des Abrechnungsbescheides das Bestehen eines Guthabens festgestellt werde. Im Rahmen der Entscheidung über diesen Beschwerdepunkt stellt sich die Frage nach der Verrechenbarkeit der jeweiligen Abgabenforderung mit dem Guthaben als Vorfrage.
Im Beschwerdeverfahren besteht kein Streit mehr darüber, daß auf dem Abgabenkonto der Gemeinschuldnerin bereits zu einem vor der Konkurseröffnung liegenden Zeitpunkt ein Guthaben von S 1,016.714,70 ausgewiesen war, das aus Vorsteuern des Jahres 1987 und im Jahr 1985 angefallenen Investitionsprämien resultierte. Strittig ist, ob der Abgabengläubiger berechtigt war, dieses Guthaben (insbesondere) mit jenen Abgabenschulden zu verrechnen, die aus der Berichtigung gemäß § 16 Abs. 3 UStG der erwähnten Vorsteuern und der Verpflichtung zur Rückzahlung der Investitionsprämien (§ 8 IPrG) sowie weiteren, Zeiträume vor der Konkurseröffnung betreffenden Abgabenforderungen erwachsen waren. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, dies sei unzulässig, weil eine Forderung, bei der Vollzahlung zu leisten sei, nicht mit einer Forderung, die quotenmäßig zu erfüllen sei, aufgerechnet werden könne.
Dieser bereits im Verwaltungsverfahren vertretenen Auffassung hat die belangte Behörde unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Mai 1987, Zl. 85/15/0292, u.a. entgegengehalten, bei einer Berichtigung des Vorsteuerabzuges könne mangels Zusammentreffens mehrerer Forderungen von Aufrechnung im Sinne des § 1438 ABGB bzw. der §§ 19, 20 KO (AO) nicht gesprochen werden. Es kann jedoch im Beschwerdefall auf sich beruhen, ob der Erstattungsanspruch aus der Vorsteuerberichtigung einen verfahrensrechtlich unselbständigen, in die Steuerfestsetzung des jeweiligen Besteuerungszeitraumes eingehenden (und somit im Beschwerdefall das Vorsteuerguthaben mit Wirkung des Zeitpunktes seiner Entstehung betreffenden) Anspruch oder einen verfahrensrechtlich selbständigen Anspruch darstellt (vgl. neben dem zuletzt erwähnten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zur entsprechenden deutschen Rechtslage BFH 30. September 1976, BStBl II 1977, 227, und vom 23. Oktober 1985, BStBl II 1986, 158); denn im erstgenannten Fall hat in die Verrechnung nach § 216 BAO nur der um den Erstattungsbetrag auf Grund der Vorsteuerberichtigung verminderte Vorsteuerbetrag einzugehen, während im zweiten Fall - wie noch darzulegen sein wird - der Aufrechnung kein Hindernis entgegensteht.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß den Aufrechnungsvorschriften der KO und der AO (insbesondere §§ 19, 20 KO und AO) der Vorrang vor den Verrechnungsregeln des § 214 BAO zukommt (vgl. z. B. die Erkenntnisse vom 4. Juni 1962, Slg. Nr. 2659/F, und vom 17. September 1990, Zl. 90/14/0038). Aus den Vorschriften der KO (AO) ergibt sich jedoch entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht, daß die Abgabenbehörde die strittigen Forderungen nicht zur Aufrechnung gegen das Guthaben der Gemeinschuldnerin hätte verwenden dürfen. Dabei kann die Frage, ob es sich bei diesen Abgabenforderungen um Konkursforderungen oder um Masseforderungen des Abgabengläubigers handelte (vgl.
- zu den Erstattungsansprüchen auf Grund der Vorsteuerberichtigung gemäß § 16 Abs. 3 UStG - Werndl, Insolvenz- und Umsatzsteuer, ÖStZ 1983, 86, 87 bis 90; Achatz, Mehrwertsteuerberichtigung bei Zahlungsunfähigkeit, WBl 1987, 205; Gessler, Steuern im Konkurs und Ausgleich3, 118 ff; Chalupsky-Ennöckl-Holzapfel, Handbuch des österreichischen Insolvenzrechts, 357 ff; - zum Anspruch auf Rückzahlung der Investitionsprämie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. September 1988, Zl. 88/14/0105), auf sich beruhen; denn in beiden Fällen steht der Aufrechnung kein (insbesondere) aus den insolvenzrechtlichen Vorschriften resultierendes Verbot entgegen.
Besitzt - wie im vorliegenden Fall - ein Gemein-(Ausgleichs-)Schuldner schon bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Gegenforderung an den Gläubiger, eine sogenannte Passivforderung, so hat dieser eine Deckung ähnlich einem Absonderungsberechtigten. Da es in einem solchen Fall nicht vertretbar wäre, vom Gläubiger Vollzahlung zu verlangen, seine Forderung gegen die Masse (Aktivforderung) aber im Insolvenzverfahren zu kürzen, kann dieser Gläubiger während des Verfahrens die Aufrechnung vornehmen, falls sie im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zulässig ist (vgl. SZ 58/169 mwN). Folgte man der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung, daß es sich bei den strittigen Forderungen des Abgabengläubigers um "aktive Konkursforderungen" handelte (die somit im Zeitpunkt der Konkurseröffnung der Passivforderung der Gemeinschuldnerin aufrechenbar gegenüberstanden), so stand der Aufrechnung kein insolvenzrechtliches (oder sonstiges) Verbot entgegen.
Sähe man die strittigen Forderungen hingegen als Masseforderungen an (weil der die Abgabenpflicht jeweils auslösende Sachverhalt im Sinne des § 46 Abs. 1 Z. 2 KO während des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden wäre; vgl. hiezu z. B. SZ 60/247 mwN; Kolacny-Scheiner, RdW 1988, 173 mwN), stünde der Aufrechnung mit dem (vor Eintritt der Insolvenzwirkungen begründeten) Guthaben der Gemeinschuldnerin ebenfalls nichts im Wege, weil die Aufrechnung von Masseforderungen gegen Forderungen der Masse keiner insolvenzrechtlichen Sonderbestimmung unterliegt (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Oktober 1985, Zl. 85/14/0086; SZ 54/153 mwN) und sich bei einem solchen Fall auch aus den allgemeinen Vorschriften kein Aufrechnungsverbot ergibt. Aus § 20 Abs. 1 Satz 1 KO (AO) folgt die Unzulässigkeit der Aufrechnung dann, wenn ein Konkurs-(Ausgleichs-)Gläubiger erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Schuldner der Konkursmasse (des Ausgleichsschuldners) geworden ist (vgl. z.B. SZ 58/169 mwN; zum Schutz der Masse gegen eine Aufrechnung zu Gunsten von Konkursforderungen vgl. Petschek-Reimer-Schiemer,
Das österreichische Insolvenzrecht, 475 bis 488); im Beschwerdefall ist jedoch unstrittig, daß der Abgabengläubiger bereits seit einem vor dem Eintritt der Konkurswirkungen liegenden Zeitpunkt Schuldner der Konkursmasse bzw. des Ausgleichsschuldners war.
Die von der Abgabenbehörde vorgenommene Verrechnung war somit auch unter dem Gesichtspunkt der vom Beschwerdeführer herangezogenen insolvenzrechtlichen Aufrechnungsregeln nicht unzulässig.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992150012.X00Im RIS seit
20.11.2000