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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ASVG §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde des K in H, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des LH von Wien vom 30.11.1992, Zl. MA 14-W 17/92, betr Leistung eines Überweisungsbetrages gemäß § 311 ASVG (mP: Österr Bundestheaterverband in Wien, vertr durch die Finanzprokuratur), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren des Beschwerdeführers wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten vom 27. April 1992 wurde festgestellt, daß die mitbeteiligte Partei verpflichtet sei, für den Beschwerdeführer für 284 Versicherungsmonate in der Zeit vom 1. September 1968 bis 30. April 1989 einen Überweisungsbetrag von S 499.545,45 zu entrichten. Dieser Bescheid wurde damit begründet, daß der Beschwerdeführer (ergänze: als Schauspieler) vom 1. September 1968 bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand in einem nach § 311 ASVG zu beurteilenden öffentlichen oder diesem gleichgestellten Dienstverhältnis zum Österreichischen Bundestheaterverband gestanden sei. Nach Beendigung der aktiven Dienstzeit sei ihm mit 1. Mai 1989 ein Ruhegenuß zuerkannt, dieser jedoch in der Folge widerrufen und die Auszahlung mit Wirkung vom 1. Februar 1990 mit der Begründung eingestellt worden, daß der Anspruch mit dem Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft erloschen sei.
Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Einspruch, worin sie im wesentlichen die Auffassung vertrat, Voraussetzung für die Leistung eines Überweisungsbetrages gemäß § 311 Abs. 1 ASVG sei, daß der Dienstnehmer aus einem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis ohne Anspruch auf einen laufenden Ruhegenuß ausgeschieden sei. Dem Beschwerdeführer sei ein Anspruch auf einen laufenden Ruhegenuß erwachsen, dieser jedoch in der Folge wieder erloschen. Für diesen Fall sehe der Wortlaut des § 311 Abs. 1 eine Leistungspflicht der mitbeteiligten Partei nicht vor.
Die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten legte den Einspruch der belangten Behörde vor und trat im Vorlagebericht
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abweichend vom erstinstanzlichen Bescheid - dem Einspruchsvorbringen der mitbeteiligten Partei bei. Der Beschwerdeführer erstattete hiezu eine Stellungnahme vom 23. Oktober 1992, in der er u.a. entgegnete, daß er infolge des Mangels der österreichischen Staatsbürgerschaft anläßlich des Ausscheidens aus seinem aktiven Dienstverhältnis einen Anspruch auf eine Pension nach dem Bundestheaterpensionsgesetz nicht erworben habe. Insofern sei die Voraussetzung des § 311 Abs. 1 ASVG erfüllt. Ein Überweisungsbetrag sei auch dann zu leisten,
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wenn ohne Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis - der pensionsversicherungsfreie Charakter dieses Dienstverhältnisses verloren gehe.
Nach Einsichtnahme in das "Pensionsdekret" des Beschwerdeführers, worin der Generalsekretär der mitbeteiligten Partei mitteilte, daß der Beschwerdeführer gemäß § 2a Abs. 1 Bundestheaterpensionsgesetz, BGBl. Nr. 159/1958, mit Ablauf des 30. April 1989 in den dauernden Ruhestand versetzt und zwecks Bemessung seines Ruhegenusses ersucht werde, einen Erhebungsbogen auszufüllen, gegebenenfalls auch ein Pensionskonto zu eröffnen, erließ die belangte Behörde den Bescheid vom 30. November 1992, worin sie dem Einspruch der mitbeteiligten Partei Folge gab und feststellte, daß diese nicht verpflichtet sei, für den Beschwerdeführer den Überweisungsbetrag in der im erstinstanzlichen Bescheid festgestellten Höhe zu bezahlen.
In der Begründung dieses Bescheides führt die belangte Behörde aus, aufgrund der Aktenlage stehe fest, daß der Beschwerdeführer in der Zeit vom 1. September 1968 bis 30. April 1989 in einem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis gestanden sei. Mit 30. April 1989 sei der Genannte in den dauernden Ruhestand versetzt worden und habe ab 1. Mai 1989 einen Ruhegenuß bezogen. Dieser sei in weiterer Folge mit Wirkung vom 1. Februar 1990 eingestellt worden, "da er (der Beschwerdeführer) die österreichische Staatsbürgerschaft aufgegeben hatte und somit sein Anspruch auf Ruhegenuß entsprechend den Bestimmungen des § 3 Abs. 1 Bundestheaterpensionsgesetz erloschen war". Nach Auffassung der belangten Behörde könne der mitbeteiligten Partei deshalb kein Überweisungsbetrag vorgeschrieben werden, da der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Aufgabe seiner österreichischen Staatsbürgerschaft nicht mehr in einem Dienstverhältnis, sondern in einem Ruhestandsverhältnis gestanden sei. Im Hinblick darauf, daß er zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem Dienstverhältnis nicht nur den Anspruch auf einen Ruhegenuß gehabt, sondern einen solchen in der Zeit vom 1. Mai 1989 bis 31. Jänner 1990 auch tatsächlich bezogen habe, müsse die Verpflichtung der mitbeteiligten Partei zur Leistung eines Überweisungsbetrages verneint werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der vom Ausscheiden aus einem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis betroffene Dienstnehmer hat im Verfahren zur Festsetzung des Überweisungsbetrages eine - nicht weiter eingeschränkte - Parteistellung (vgl. das Erkenntnis vom 23. April 1987, Slg. Nr. 12451/A) und ist daher auch berechtigt, gegen einen Bescheid, mit dem die Leistung eines Überweisungsbetrages abgelehnt wird, Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben (vgl. die Erkenntnisse vom 8. Jänner 1969, Slg. Nr. 7480/A und vom 12. Jänner 1972, Slg. Nr. 8139/A). Ein die Parteistellung des Beschwerdeführers begründendes rechtliches Interesse ist in diesem Zusammenhang schon deshalb zu bejahen, weil seine künftigen Leistungsansprüche aus der gesetzlichen Pensionsversicherung dem Grunde und der Höhe nach von der Anzahl der erworbenen Versicherungsmonate, und damit jedenfalls auch vom Ausgang des Verfahrens betreffend die Leistung eines Überweisungsbetrages abhängen: Gemäß § 225 Abs. 1 Z. 5 und § 226 Abs. 2 ASVG sind nämlich Zeiten, für die ein Überweisungsbetrag gemäß § 311 ASVG geleistet wurde, Beitragszeiten in der Pensionsversicherung (zur Begründung des rechtlichen Interesses in einem Verwaltungsverfahren aufgrund leistungsrechtlicher Ansprüche vgl. auch das Erkenntnis vom 22. Jänner 1991, Zl. 89/08/0118). Zur Vermeidung von Mißverständnissen - für die sich im Einspruchsakt, insbesondere in einer Stellungnahme der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten entsprechende Anhaltspunkte finden - sei schon hier darauf hingewiesen, daß die nicht auf ein bestimmtes Verfahrensthema eingeschränkte Parteistellung des Beschwerdeführers sein Recht, die Entscheidungspflicht der Behörden im Sinne des § 73 AVG geltend zu machen, einschließt; für die Fälle des § 311 ASVG muß daher schon aus diesem Grund auch ein Recht des Beschwerdeführers bejaht werden, die Erlassung eines Bescheides über die Verpflichtung des Dienstgebers zur Leistung eines Überweisungsbetrages zu beantragen. Die gegenteilige Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes, die im Erkenntnis vom 8. Jänner 1969, Slg. Nr. 7480/A, betreffend einen Überweisungsbetrag nach § 308 ASVG (zu einer früheren Rechtslage) vertreten wurde, ist wegen der unterschiedlichen Voraussetzungen, aber auch Rechtsfolgen auf den Überweisungsbetrag gemäß § 311 ASVG nicht übertragbar.
Das Bundestheaterpensionsgesetz, BGBl. Nr. 159/1958 (in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 737/1988), regelt (gemäß seinem § 1 Abs. 1) die Pensionsansprüche der in Vollbeschäftigung in ständiger Verwendung stehenden Bundesbediensteten österreichischer Staatsbürgerschaft, deren Dienstverhältnis durch das Schauspielergesetz, BGBl. Nr. 441/1922, oder den Kollektivvertrag für das technische Personal der Bundestheater geregelt ist, sowie ihrer Hinterbliebenen und Angehörigen.
Es ist im Beschwerdefall unbestritten, daß die Merkmale dieser Bestimmung auf den Beschwerdeführer während seiner Beschäftigung als Schauspieler am Burgtheater zutrafen. Der Beschwerdeführer war daher während dieser Zeit gemäß § 1 Abs. 1 Z. 3 B-KUVG in der Kranken- und Unfallsversicherung der öffentlich Bediensteten versichert, mit der weiteren Rechtsfolge, daß sein Beschäftigungsverhältnis gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 lit. b ASVG von der Vollversicherung nach § 4 ASVG ausgenommen war. Ein solches Dienstverhältnis ist nach der ausdrücklichen Anordnung des § 308 Abs. 2 ASVG (der nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Jänner 1972, Slg. Nr. 8139/A auch im Zusammenhang mit der Vorschrift des § 311 Abs. 1 ASVG anzuwenden ist) als pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis (im technischen Sinne, d.h. im Sinne des Abschnitt VII des ASVG) anzusehen.
Unbestritten ist auch, daß der Beschwerdeführer am 30. April 1989 aus diesem Dienstverhältnis ausgeschieden ist, zunächst einen Ruhegenuß im Sinne des § 3 des Bundestheaterpensionsgesetzes bezogen hat, der jedoch wegen Verzichtes des Beschwerdeführers auf die österreichische Staatsbürgerschaft später eingestellt wurde. Strittig ist, ob (aus diesem Grund) von der mitbeteiligten Partei ein Überweisungsbetrag im Sinne des § 311 Abs. 1 ASVG an die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten zu leisten ist.
Der erste Satz dieser Bestimmung lautet:
"Ist ein Dienstnehmer aus einem nach diesem Bundesgesetz pensionsversicherungsfreien oder früherem Recht rentenversicherungsfreien Dienstverhältnis ausgeschieden oder scheidet er aus einem solchen Dienstverhältnis aus, ohne daß aus diesem ein Anspruch auf einen laufenden Ruhe-(Versorgungs)genuß erwachsen ist und ohne daß ein außerordentlicher Ruhe(Versorgungs)genuß in der Höhe des normalmäßigen Ruhe(Versorgungs)genusses unwiderruflich gewährt wird, so hat der Dienstgeber, soweit in den nachstehenden Abs. 3 und 4 nichts anderes bestimmt wird, dem Pensionsversicherungsträger, der aus dem Dienstverhältnis zuletzt zuständig gewesen wäre, einen Überweisungsbetrag zu leisten."
Die Voraussetzungen des § 311 Abs. 3 ASVG, unter denen einen solcher Überweisungsbetrag entfällt, kommen im Beschwerdefall nicht in Betracht. § 311 Abs. 4 lautet folgendermaßen:
"(4) Wurde beim Ausscheiden eines Dienstnehmers aus dem pensions(renten)versicherungsfreien Dienstverhältnis ein widerruflicher oder befristeter außerordentlicher Ruhe(Versorgungs)genuß in der Höhe eines normalmäßigen Ruhe(Versorgungs)genusses gewährt, so besteht die Verpflichtung des Dienstgebers zur Leistung des Überweisungsbetrages nach Abs. 1 erst nach Wegfall dieses außerordentlichen Ruhe-(Versorgungs)genusses."
Für die Verpflichtung der mitbeteiligten Partei, einen Überweisungsbetrag für den Beschwerdeführer zu leisten, ist daher - zunächst - maßgebend, ob der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Dienstverhältnis (noch) in einem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis stand und ob ihm in diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf einen laufenden Ruhegenuß aus diesem Dienstverhältnis "erwachsen ist".
Die Anwendbarkeit des Bundestheaterpensionsgesetzes auf das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers hängt gemäß § 1 Abs. 1 lit. a leg. cit. von der Innehabung der österreichischen Staatsbürgerschaft ab. Gemäß § 3 Abs. 1 leg. cit. gebührt den in § 1 Abs. 1 und 2 genannten Bundestheaterbediensteten, wenn sie in den Ruhestand treten oder in den Ruhestand versetzt werden, solange sie österreichische Staatsbürger sind, ein monatlicher Ruhegenuß unter der Voraussetzung, daß sie im Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand (u.a.) die österreichische Staatsbürgerschaft besessen haben. Es kommt daher für beide maßgebenden Rechtsfragen entscheidend auf den Zeitpunkt des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft an. Liegt diese im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Dienstverhältnis nicht vor, kann ein Anspruch auf Ruhegenuß nicht entstehen; fällt die österreichische Staatsbürgerschaft später weg, endet der - zunächst entstandene - Anspruch auf den Ruhegenuß.
Die belangte Behörde äußert sich zu dieser Frage in der Begründung des angefochtenen Bescheides dahin, daß die Einstellung des Ruhegenusses des Beschwerdeführers mit 1. Februar 1990 deshalb erfolgt sei, da dieser "die österreichische Staatsbürgerschaft aufgegeben" habe und "somit sein Anspruch auf Ruhegenuß beim Bund erloschen" sei. Es könne deswegen kein Überweisungsbetrag vorgeschrieben werden, da der Beschwerdeführer "zum Zeitpunkt der Aufgabe seiner österreichischen Staatsbürgerschaft nicht mehr in einem Dienstverhältnis, sondern in einem Ruhestandsverhältnis gestanden" sei. Die belangte Behörde geht dabei erkennbar davon aus, daß der Beschwerdeführer seine österreichische Staatsbürgerschaft erst während des Bezuges seines Ruhegenusses im Sinne des § 3 des Bundestheaterpensionsgesetzes verloren hat.
Dem hält der Beschwerdeführer in der Beschwerde entgegen, daß mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom 24. April 1989 festgestellt worden sei, daß er "mit Wirkung vom 18. April 1989 auf die österreichische Staatsbürgerschaft verzichtet habe". Träfe dies zu, wäre (jedenfalls) der Anspruch auf Ruhegenuß gemäß § 3 Abs. 1 des Bundestheaterpensionsgesetzes im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Dienstverhältnis in der Tat gar nicht entstanden und die belangte Behörde hätte die Verpflichtung der mitbeteiligten Partei zur Leistung eines Überweisungsbetrages nicht wegen Bestehens eines solchen Anspruches verneinen dürfen: ein solcher Anspruch ist dem Beschwerdeführer - entgegen den Ausführungen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift - nämlich auch nicht dadurch entstanden, daß ihn der Generalsekretär des Bundestheaterverbandes mit Schreiben vom 17. März 1989 in den "dauernden Ruhestand versetzt" und ihm die Gewährung eines Ruhegenusses (zumindest implicit) angekündigt hat. Der Anspruch auf Ruhegenuß nach dem Bundestheaterpensionsgesetz beruht nämlich auf Privatrecht und nicht auf öffentlichem Recht, sodaß darüber auch nicht mit Bescheid abzusprechen ist (vgl. das Erkenntnis vom 13. November 1985, Zl. 85/09/0245, mit Hinweisen auf die Vorjudikatur); es kann daher das (auch nicht so bezeichnete) Schreiben vom 17. März 1989 (unabhängig davon, ob darin überhaupt ein Anspruch auf Ruhegenuß anerkannt oder bejaht worden ist) rechtens nicht als Bescheid und damit als eigenständige Anspruchsgrundlage für den Ruhegenuß des Beschwerdeführers gedeutet werden. Es ist aber auch ausgeschlossen, die tatsächliche Gewährung des Ruhegenusses dem Anspruch gleichzuhalten, weil § 311 ASVG in seinem Wortlaut zwischen "Anspruch" (in Abs. 1) und "Gewährung" solcher Ruhegenußleistungen (in Abs. 4) unterscheidet und daran unterschiedliche Rechtsfolgen knüpft.
Die mitbeteiligte Partei und die belangte Behörde wenden in ihren Gegenschriften aber auch ein, daß das Vorbringen des Beschwerdeführers über den Zeitpunkt des Verlustes der Staatsbürgerschaft gegen das (aus § 41 VwGG abzuleitende) Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren verstoße, während der Beschwerdeführer meint, damit (sogar) eine Aktenwidrigkeit aufzuzeigen.
Beide Argumente sind nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes verfehlt: Eine Aktenwidrigkeit liegt schon deshalb nicht vor, weil das Datum der Wirksamkeit des Verzichtes auf die Staatsbürgerschaft gar nicht aktenkundig ist. Eine unzulässige Neuerung liegt aber ebensowenig vor, weil zum einen der Beschwerdeführer bereits in seiner Stellungnahme vor der Einspruchsbehörde vom 23. Oktober 1992 (Seite 4 dieser Stellungnahme) ausführte, daß er "infolge des Mangels der österreichischen Staatsbürgerschaft anläßlich des Ausscheidens aus einem aktiven Dienstverhältnis keinen Anspruch auf eine Pension nach dem Bundestheaterpensionsgesetz erworben" habe, womit er zwar nicht das genaue Datum genannt, wohl aber einen vor dem 30. April 1989 liegenden Zeitpunkt des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft geltend gemacht hat. Zum zweiten hat gemäß § 38 Abs. 2 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 die Staatsbürgerschaftsbehörde nach Prüfung der Voraussetzungen auszusprechen, daß der Verzichtende die Staatsbürgerschaft in dem Zeitpunkt, in dem der Verzicht bei der Behörde eingelangt ist, verloren hat. Der Bescheid ist gemäß § 38 Abs. 3 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 schriftlich zu erlassen. Die belangte Behörde hätte daher schon deshalb die Verpflichtung gehabt, den Bescheid der Staatsbürgerschaftsbehörde über den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Verzichtes des Beschwerdeführers auf die österreichische Staatsbürgerschaft aktenkundig zu machen und ihrem Bescheid zugrundezulegen; die Unterlassung dieser Ermittlungstätigkeit wäre der belangten Behörde daher selbst dann, wenn der Beschwerdeführer den Zeitpunkt des Verzichtes auf die Staatsbürgerschaft erstmals in der Beschwerde genannt hätte, als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften anzulasten gewesen.
Im Hinblick auf das vom Beschwerdeführer genannte Datum der Wirksamkeit seines Verzichtes auf die österreichische Staatsbürgerschaft mit 18. April 1989 bleibt jedoch noch zu prüfen, ob allenfalls der Überweisungsbetrag unter diesen Umständen deshalb nicht zu leisten wäre, weil im Zeitpunkt des Ausscheidens des Beschwerdeführers aus dem Dienstverhältnis (30. April 1989) ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis (mangels Anwendbarkeit des Bundestheaterpensionsgesetzes) gar nicht mehr vorlag.
Gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 lit. b ASVG hängt die Ausnahme von der Vollversicherung von zwei Voraussetzungen ab, nämlich, daß das Dienstverhältnis die Krankenversicherung nach den Vorschriften über die Krankenversicherung der öffentlich Bediensteten bei der Versicherungsanstalt der öffentlich Bediensteten begründet, sowie davon, daß aus diesem Dienstverhältnis die Anwartschaft auf Ruhe- und Versorgungsgenüsse zusteht, die den Leistungen der betreffenden Unfall- und Pensionsversicherung gleichwertig sind. Die erstgenannte Voraussetzung des Bestehens einer Krankenversicherung nach B-KUVG endet für Dienstnehmer im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 3 B-KUVG (dies sind jene, für die das Bundestheaterpensionsgesetz gilt) gemäß § 6 Abs. 1 Z. 1 B-KUVG mit dem Tag der Beendigung des die Versicherung begründenden Dienstverhältnisses. Für den Fall der Fortdauer des Dienstverhältnisses, jedoch Wegfall der Anwendbarkeit des Bundestheaterpensionsgesetzes wegen Verzichtes auf die Staatsbürgerschaft, trifft das B-KUVG keine ausdrückliche Regelung. Eine solche Regelung über den Zeitpunkt des "Übergangs" eines solchen Dienstverhältnisses bei Verlust der Staatsbürgerschaft trifft auch das Bundestheaterpensionsgesetz selbst nicht.
Da die Innehabung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 1 Abs. 1 BThPG Voraussetzung für die Anwendung des genannten Gesetzes und damit auch für das Bestehen einer in diesem Gesetz geregelten Anwartschaft auf einen Ruhegenuß ist, muß davon ausgegangen werden, daß mit Ablauf des Tages der Wirksamkeit des Verzichts auf die österreichische Staatsbürgerschaft die Anwartschaft auf den Ruhegenuß nach den Bestimmungen des Bundestheaterpensionsgesetzes erloschen und damit die zweite Voraussetzung der Pensionsversicherungsfreiheit des Dienstverhältnisses im Sinne des § 5 Abs. 1 Z. 3 lit. b ASVG weggefallen ist. Die damit zu untersuchende Frage, wann bei Wegfall der Voraussetzungen für die Ausnahme von der Versicherungspflicht im Sinne des § 5 ASVG während eines (fortdauernden) Beschäftigungsverhältnisses die Pflichtversicherung nach dem ASVG beginnt, ist deshalb nicht leicht zu beantworten, weil der Gesetzgeber diesen Fall ungeregelt gelassen hat: mit dem Wegfall einer Voraussetzung für die Pensionsversicherungsfreiheit der Beschäftigung "beginnt" nämlich weder eine "Beschäftigung" im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 ASVG, noch liegt (nach dem Erkenntnis vom 13. November 1985, Zl. 85/09/0245) ein Ausscheiden aus einem ÖFFENTLICH-RECHTLICHEN Dienstverhältnis im Sinne des zweiten Satzes dieser Gesetzesstelle vor. Ausdrücklich geregelt ist in § 11 Abs. 4 ASVG lediglich der umgekehrte Fall, wenn bei Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses die Voraussetzungen für die AUSNAHME von der Vollversicherungspflicht nach § 5 ASVG eintreten; in diesem Fall endet die Pflichtversicherung (ausgenommen bei Aufnahme in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis: § 11 Abs. 5 ASVG) mit dem Ende des laufenden Beitragszeitraumes bzw. - wenn der Ausnahmegrund auf den ersten Tag des Beitragszeitraumes fällt -mit dem Ende des vorangegangenen Beitragszeitraumes.
Dafür, daß der Gesetzgeber auch für den Wegfall einer der Tatbestandsvoraussetzungen der Versicherungsfreiheit im Sinne des § 5 Abs. 1 Z. 3 lit. b ASVG bzw. für die Pflichtversicherung nach dem B-KUVG gerade für die Gruppe der Bundestheaterbediensteten den versicherungsrechtlichen "status quo" hätte beibehalten wollen, (also eine beabsichtigte Regelungslücke vorläge), fehlt jeder Anhaltspunkt; eine Interpretation in diese Richtung müßte auch auf erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes stoßen. Es liegt vielmehr eine unbeabsichtigte Gesetzeslücke vor, die durch ergänzende Rechtsfortbildung und zwar primär durch Analogie (vgl. dazu BYDLINSKI, Jurist. Methodenlehre, 472 ff insbesondere 474) zu schließen ist. Das hier ungeregelte, jedoch regelungsbedürftige Sachproblem lautet, mit welchem Zeitpunkt der Übergang von der Pflichtversicherung nach dem B-KUVG zu jener nach dem ASVG (zugleich: das Ende der Pensionsversicherungsfreiheit iS des § 5 Abs. 1 Z. 3 lit. b ASVG) eintreten soll, wenn während des Kalendermonats bei Fortdauer des Beschäftigungsverhältnisses die dafür maßgebenden Umstände eintreten (hier: Verlust der Staatsbürgeschaft). Anders als in den in § 10 ASVG geregelten Fällen besteht also hier nicht das Problem der Begründung des Versicherungsschutzes (das uU für einen möglichst frühen Beginn der Versicherung nach dem ASVG spräche), aber auch nicht jenes der Beendigung des Versicherungsschutzes (das uU ein Argument für ein möglichst spätes Ende der Versicherung nach dem B-KUVG sein könnte). Im Hinblick darauf, daß den Bundestheaterbediensteten gemäß § 5 Abs. 2 des Bundestheaterpensionsgesetzes der Dienstbezug "monatlich im voraus" gebührt und die Beitragspflicht sowohl im Sinne der Bestimmungen der §§ 19 ff B-KUVG in der Kranken- und Unfallversicherung aber auch im Sinne des § 10 Abs. 1 des Bundestheaterpensionsgesetzes (der den Pensionsbeitrag regelt) an diese Bezüge anknüpft, können Rechtswirkungen des Verlustes der Staatsbürgerschaft in diesem Zusammenhang jedenfalls erst mit Fälligkeit des nächsten Dienstbezuges, d.h. erst nach Ablauf des Monates, in dem der Verlust der Staatsbürgerschaft erfolgte, eintreten.
Für jene Fälle, in denen die Beendigung der Beitragspflicht in der Versicherung nach dem B-KUVG nicht an die Beendigung des Dienstverhältnisses anknüpft, sondern z.B. von der Dauer des Bezuges von Versorgungsgenüssen und Pensionsleistungen abhängt, sieht das B-KUVG im § 6 Abs. 1 Z. 2 und 4 die Beendigung der Versicherung mit Ablauf des Monates vor, FÜR DEN letztmalig eine solche Leistung ausbezahlt worden ist. Der Verwaltungsgerichtshof ist der Auffassung, daß diese Fälle dem hier vorliegenden (Fortdauer des Dienstverhältnisses bei Verlust der Staatsbürgerschaft) jedenfalls ähnlicher sind, als jene der Beendigung einer versicherten Tätigkeit. In sinngemäßer Anwendung des § 6 Abs. 1 Z. 2 B-KUVG endet daher auch die Versicherungspflicht von Bundestheaterbediensteten, die bei aufrechtem Dienstverhältnis die österreichische Staatsbürgerschaft verlieren, mit Ablauf des Monates, für den letztmalig ein Bezug gewährt wurde, auf den das Bundestheaterpensionsgesetz noch anzuwenden gewesen ist. Damit ist aber auch der § 11 Abs. 4 ASVG zu entnehmende Gedanke der möglichsten Kongruenz von Versicherungspflicht und Beitragszeitraum in Einklang zu bringen: gemäß § 44 Abs. 2 ASVG umfaßt der Beitragszeitraum für Pflichtversicherte, deren Arbeitsverhältnis nach Kalendermonaten bemessen oder abgerechnet wird, (grundsätzlich) den Kalendermonat. Würden bei Fortdauer des Beschäftigungsverhältnisses die Voraussetzungen für die Ausnahme von der Vollversicherung gemäß § 5 ASVG während des Monats EINTRETEN, so endete die Pflichtversicherung daher gemäß § 11 Abs. 4 ASVG mit dem Ende dieses Monats. Es liegt daher auch im umgekehrten Fall nahe - in analoger Anwendung dieser Bestimmung - die Ausnahme von der Vollversicherung mit dem Ende des Kalendermonats eintreten zu lassen, in welchem die für diese Ausnahme maßgebenden Voraussetzungen weggefallen sind. Dies wäre im Beschwerdefall der 30. April 1989. Da an diesem Tag auch das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers endete, wäre er - die Richtigkeit des Beschwerdevorbringens immer vorausgesetzt - aus einem (noch) pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis ausgeschieden.
Unter diesen Voraussetzungen käme es daher auf die Frage, ob § 311 Abs. 1 ASVG auch dann anzuwenden wäre, wenn während des Dienstverhältnisses des Beschwerdeführers die Pensionsversicherungsfreiheit geendet hätte, nicht mehr an. Es sei aber dennoch darauf hingeweisen, daß nach der Absicht des Gesetzgebers der Wegfall des für die Ausnahme von der Pensionsversicherung maßgebenden Grundes - nämlich der Anwartschaft auf einen (gleichwertigen) Ruhe(Versorgungs)genuß - zur Leistung eines Überweisungsbetrages nach § 311 Abs. 1 ASVG und damit zum Erwerb der bisher pensionsversicherungsfreien Monate in der gesetzlichen Pensionsversicherung führen soll. Ob diese Anwartschaft erst mit der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses wegfällt oder ob das Beschäftigungsverhältnis darüberhinaus weiter andauert (wie dies zumindest in den vom Bundestheaterpensionsgesetz erfaßten Fällen bei Wegfall der österreichischen Staatsbürgerschaft denkbar ist) kann dabei keinen Unterschied machen. Es müßte daher der - im Gesetz nicht ausdrücklich geregelte - Fall des Wegfalls der Pensionsversicherungsfreiheit bei weiterlaufendem Beschäftigungsverhältnis als Fall der Beendigung des pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnisses behandelt werden. Ein anderes Auslegungsergebnis, welches bei völlig gleichgelagertem Sachproblem dazu führen würde, daß der Überweisungsbetrag nur deshalb nicht zu leisten wäre, weil der Zeitpunkt der Beendigung der Pensionsversicherungsfreiheit und jener der Beendigung des Dienstverhältnisses auseinanderfallen (jeweils ohne daß ein Anspruch auf einen Ruhegenuß entstanden wäre), müßte ebenfalls gleichheitsrechtlichen Bedenken begegnen.
Schließlich verfängt auch das Argument der mitbeteiligten Partei nicht, daß ein Überweisungsbetrag schon gemäß § 4 Abs. 4 des Bundestheaterpensionsgesetzes nicht zu leisten wäre. Diese Bestimmung lautet in ihrem Satz 1:
"Scheidet ein Bundestheaterbediensteter aus dem Dienstverhältnis aus, ohne daß ein Anspruch auf einen laufenden Ruhe(Versorgungs)genuß erwachsen ist, so hat der Dienstgeber keinen Überweisungsbetrag nach § 311 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 189/1955 zu leisten, wenn die Anwartschaft auf einen Ruhe(Versorgungs)genuß gewahrt bleibt (§ 4 Abs. 1)."
§ 4 Abs. 1 leg. cit. sieht für Bundesbedienstete, die mindestens 10 anrechenbare Dienstjahre im Sinne des § 7 Abs. 1 Z. 1 und 2 und Abs. 2 des Bundestheaterpensionsgesetzes aufweisen und unter den in dieser Bestimmung näher genannten Umständen aus dem Dienstverhältnis ausscheiden, eine Wahrung der Anwartschaft auf den Ruhegenuß vor, wenn diese Bediensteten nur deshalb vom Anspruch auf Ruhegenuß ausgeschlossen sind, weil ihnen das Erfordernis der Dienstunfähigkeit oder des Alters mangelt. Da der Beschwerdeführer nicht aus den genannten Gründen, sondern wegen Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft vom Anspruch auf Ruhegenuß ausgeschlossen war, § 4 Abs. 1 des Bundestheaterpensionsgesetzes aber für diesen Fall die Erhaltung der Anwartschaft gerade nicht vorsieht, ist im Beschwerdefall daher auch die Bestimmung des § 4 Abs. 4 des Bundestheaterpensionsgesetzes (welche die Erhaltung der Anwartschaft im Sinne des § 4 Abs. 1 leg. cit. ausdrücklich voraussetzt) nicht anzuwenden.
Da die belangte Behörde den für das Ergebnis des Verfahrens wesentlichen Zeitpunkt des Ausscheidens des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Staatsverband durch Verzicht auf die Staatsbürgerschaft nicht festgestellt hat, ist das Verfahren in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben; der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Kostenmehrbegehren des Beschwerdeführers, gerichtet auf 20 % Umsatzsteuer aus dem Pauschalbetrag von S 11.120,-- und auf Ersatz der Stempelgebühren war hingegen abzuweisen: Für die Hinzurechnung der Umsatzsteuer zu den in der genannten Verordnung festgelegten Pauschalbeträgen fehlt die Rechtsgrundlage. Der Ersatz von Stempelgebühren kommt wegen der auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 110 ASVG bestehenden sachlichen Abgabenbefreiung nicht in Betracht.
Schlagworte
Verfahrensrecht AVGBescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Angelegenheiten des PrivatrechtsAnspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive BescheideEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993080008.X00Im RIS seit
27.02.2002Zuletzt aktualisiert am
26.06.2017