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90/02 Kraftfahrgesetz;Norm
KFG 1967 §64 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des A in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 20. Februar 1992, Zl. VerkR-390.155/4-1992/Si, betreffend Erteilung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 20. Februar 1992 wurde die Gültigkeit der dem Beschwerdeführer (zuletzt bis 17. April 1992) befristet erteilten Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B und F um fünf Jahre verlängert und der darüber hinausgehende Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer unbefristeten Lenkerberechtigung abgewiesen.
In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, das schlüssige und unbedenkliche Gutachten der Amtssachverständigen vom 28. November 1991 sei der Entscheidung zugrunde gelegt worden. Danach sei der Beschwerdeführer bedingt geeignet zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen A, B und F. Er leide seit seinem 10. Lebensjahr an insulinpflichtigem Diabetes mellitus. Er spritze sich seit Kindheit selbst das Insulin. Er sei mit der Diabetesproblematik und den entsprechenden Verhaltensmaßnahmen gut vertraut. Der Befundbericht des AKH und das Diabetestagebuch bestätigten die gute Diabeteseinstellung. Hypoglykämische Zustände seien selten. Sie würden vom Beschwerdeführer rechtzeitig erkannt, sodaß er entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen könne. Eine Befristung sei jedoch erforderlich, weil beim Beschwerdeführer bereits als Folgeerscheinung des Diabetes mellitus gefäßbedingte Augenhintergrundveränderungen aufgetreten seien, die sich auch bei guter diabetischer Stoffwechsellage progredient verschlechtern könnten. Durch die Minderung der Sehleistung sei eine negative Auswirkung auf die Verkehrssicherheit zu erwarten. Im Hinblick auf die beim Beschwerdeführer vorhandene beginnende diabetische Retinopathie, einem Folgeschaden des Diabetes, der letztlich die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließen könne, sei das Vorliegen der nötigen Gesundheit nicht zeitlich unbegrenzt anzunehmen gewesen. Es seien Nachuntersuchungen erforderlich, weshalb die Lenkerberechtigung nur befristet erteilt werden könne.
Gegen diesen Bescheid, und zwar erkennbar nur gegen seinen abweisenden Teil, richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
1. Gemäß § 69 Abs. 1 lit. b KFG 1967 hat das ärztliche Gutachten u.a. bei Personen, deren Eignung nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und bei denen Nachuntersuchungen erforderlich sind, "bedingt geeignet" für die entsprechenden Gruppen zu lauten und Befristungen, Auflagen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit anzuführen, unter denen eine Lenkerberechtigung ohne Gefährdung der Verkehrssicherheit erteilt werden kann.
Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Gruppe geistig und körperlich geeignet gilt gemäß § 30 Abs. 1 KDV 1967, wer unter anderem die für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften nötige Gesundheit besitzt (Z. 2 lit. c). Als hinreichend gesund gilt gemäß § 34 Abs. 1 KDV 1967 eine Person, bei der nicht eine der in lit. a bis g dieser Verordnungsstelle angeführten Krankheiten festgestellt wurde. Dazu zählen (lit. c) Erkrankungen, bei denen es zu unvorhersehbaren Bewußtseinsstörungen oder -trübungen kommt, und (lit. g) schwere Augenerkrankungen, die das Sehvermögen beeinträchtigen können.
2. Der Beschwerdeführer bezeichnet die Annahme, bei ihm liege eine beginnende (incipiente) diabetische Retinopathie vor, als aktenwidrig.
Diesbezüglich ist ihm zu erwidern, daß sich die ärztliche Amtssachverständige der belangten Behörde in ihrem dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Gutachten vom 28. November 1991 auf die im Entlassungsbefund des AKH Linz vom 3. Juli 1991 erwähnte augenfachärztliche Konsiliaruntersuchung gestützt hat, welche zu der Diagnose "incipiente diabetische Retinopathie" geführt hat. Der Beschwerdeführer, dem das Gutachten am 7. Jänner 1992 zur Kenntnis gebracht wurde, hat den Ausführungen in diesem Gutachten nicht konkret widersprochen, weshalb die belangte Behörde keinen Grund hatte, daran zu zweifeln, daß beim Beschwerdeführer eine beginnende diabetische Retinopathie vorliegt. Die Richtigkeit der Ausführungen im ärztlichen Sachverständigengutachten, insbesondere daß Nachuntersuchungen erforderlich sind, wird letztlich auch durch den mit der Beschwerde vorgelegten Befundbericht des AKH Linz vom 3. Juli 1991 bestätigt, in dem ausgeführt wird, beim Beschwerdeführer bestehe eine incipiente diabetische Retinopathie, welche regelmäßige (halbjährliche) Funduskontrollen erfordere. Die vom Beschwerdeführer gerügte Aktenwidrigkeit liegt demnach nicht vor.
3. Der Beschwerdeführer meint, auf Grund des Wortlautes des § 34 Abs. 1 lit. g KDV 1967 würden nur schwere Augenerkrankungen, die das Sehvermögen beeinträchtigen können, eine Befristung der Lenkerberechtigung rechtfertigen. Sein Visus mit Korrektur betrage jedoch beidseitig 1,0.
Der Beschwerdeführer unterliegt bei diesen Ausführungen einem Mißverständnis. Die belangte Behörde hat ohnedies nicht angenommen, bei ihm sei einer der Tatbestände des § 34 Abs. 1 KDV 1967 verwirklicht. Andernfalls hätte sie ihm nämlich die Verlängerung (Erteilung) der befristeten Lenkerberechtigung verweigert. Der Entscheidung der belangten Behörde liegt vielmehr die Annahme zugrunde, der Beschwerdeführer sei im Zeitpunkt ihrer Entscheidung und für die Zeit, für welche die Gültigkeit der ihm erteilten Lenkerberechtigung verlängert wurde, hinreichend gesund, doch seien im Hinblick auf die Möglichkeit einer relevanten Verschlechterung der diabetischen Retinopathie Nachuntersuchungen erforderlich. Die Unbedenklichkeit dieser Annahme ergibt sich auf Grund des schlüssigen ärztlichen Sachverständigengutachtens vom 28. November 1991, das sich auf den Befundbericht vom 3. Juli 1991 stützt. Daß sich die ärztliche Amtssachverständige auf den jüngsten ihr vorliegenden fachärztlichen Befund betreffend die Retinopathie gestützt hat, war sachgerecht und begegnet keinen Bedenken. Die Tatsache, daß die für das Lenken von Kraftfahrzeugen notwendige Sehschärfe erreicht wird, spricht nicht gegen die Notwendigkeit von Nachuntersuchungen im Hinblick auf die beginnende diabetische Retinopathie.
4. Aus der Vertrautheit des Beschwerdeführers mit der Diabetesproblematik und den entsprechenden Verhaltensmaßnahmen ist für den Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren nichts zu gewinnen. Die belangte Behörde hat auf Grund dieser Tatsache ohnedies den Ausschlußtatbestand des § 34 Abs. 1 lit. c KDV 1967 als nicht erfüllt angesehen. Da aber nach dem Sachverständigengutachten die Möglichkeit einer progredienten Verschlechterung der Retinopathie auch bei guter diabetischer Stoffwechsellage besteht, war nach den Erfordernissen der Verkehrssicherheit gemäß § 65 Abs. 2 KFG 1967 die Befristung der Lenkerberechtigung erforderlich. Daß durch das zeitliche Ausmaß der Befristung Rechte des Beschwerdeführers verletzt wurden, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar, spricht doch der vom Beschwerdeführer vorgelegte Befundbericht vom 3. Juli 1991 von der Notwendigkeit regelmäßiger (halbjährlicher) Funduskontrollen im Hinblick auf die incipiente diabetische Retinopathie.
5. Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992110106.X00Im RIS seit
19.03.2001