TE Vwgh Erkenntnis 1993/4/27 93/11/0009

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Veröffentlicht am 27.04.1993
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
43/01 Wehrrecht allgemein;

Norm

AVG §37;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
WehrG 1990 §36 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des F in D, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 20. November 1992, Zl. 711.013/1-2.5/90, betreffend Befreiung von der Präsenzdienstpflicht, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.410,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des im Jahre 1970 geborenen Beschwerdeführers vom 8. Mai 1990 auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes gemäß § 36 Abs. 2 Z. 2 des Wehrgesetzes 1990 abgewiesen.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 36 Abs. 2 Z. 2 des Wehrgesetzes 1990 können Wehrpflichtige von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes auf ihren Antrag befreit werden, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.

Die belangte Behörde anerkannte das Vorliegen wirtschaftlicher Interessen des Beschwerdeführers an seiner begehrten Befreiung als Pächter des landwirtschaftlichen Betriebes seiner Eltern, verneinte aber die besondere Rücksichtswürdigkeit dieser Interessen im Sinne des Gesetzes. Sie begründete dies damit, daß der Beschwerdeführer seine Verpflichtung zur Harmonisierung seiner wirtschaftlichen Dispositionen mit seiner Präsenzdienstpflicht verletzt habe, indem er den Pachtvertrag vor Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes abgeschlossen hat.

Sie legte dieser Annahme folgenden Sachverhalt zugrunde:

Der Beschwerdeführer wurde bei seiner Stellung am 18. August 1988 für "Tauglich" befunden. Mit Pachtvertrag vom 30. November 1989 pachtete der Beschwerdeführer mit Wirkung vom 1. Jänner 1990 den je zur Hälfte im Eigentum seiner beiden Elternteile stehenden Betrieb im Ausmaß von ungefähr 17 ha landwirtschaftlicher und 11 ha forstwirtschaftlicher Nutzfläche (zuzüglich 1,2 ha Pachtfläche) im Bergbauerngebiet. Der Vater des Beschwerdeführers ist zu 70 % in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert und bezieht seit 1. Jänner 1990 eine Erwerbsunfähigkeitspension. Auch die Mutter des Beschwerdeführers weist eine MdE von 70 % auf.

Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren (wie auch in der Beschwerde) nichts vorgebracht, was die in Rede stehende Annahme der belangten Behörde als unzutreffend erscheinen ließe. Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Abschluß des Pachtvertrages nicht erst nach - allenfalls auf Grund freiwilliger Meldung zeitlich vorgezogener - Präsenzdienstleistung in Frage gekommen wäre. Ein Anhaltspunkt dafür, daß sich der Beschwerdeführer vergeblich bemüht hätte, die Leistung des Grundwehrdienstes vor dem 1. Jänner 1990 abzuschließen, besteht nicht. Daß der Abschluß des Pachtvertrages Voraussetzung für den Bezug einer Erwerbsunfähigkeitspension durch den Vater des Beschwerdeführers gewesen sei, ändert daran nichts. Es besteht ebenfalls kein Anhaltspunkt dafür, daß die Erwerbsunfähigkeit des Vaters überraschend eingetreten sei und so in unvorhersehbarer Weise die Übergabe der Wirtschaftsführung in die Eigenverantwortlichkeit des Beschwerdeführers vor Ableistung des Grundwehrdienstes unabdingbar gemacht hätte.

Die Verletzung der Harmonisierungspflicht des Beschwerdeführers durch den Abschluß des Pachtvertrages und das daraus resultierende Fehlen der besonderen Rücksichtswürdigkeit der durch die Pachtung begründeten wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers an seiner Befreiung von der Präsenzdienstpflicht wäre aber dann ohne Bedeutung, wenn der Beschwerdeführer, ohne daß er den elterlichen Betrieb gepachtet hätte, aus besonders rücksichtswürdigen familiären Gründen wegen der notwendigen Unterstützung der Eltern als Betriebsinhaber zu befreien wäre (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Februar 1991, Zl. 90/11/0120). Die belangte Behörde hat diese Problematik in der Begründung des angefochtenen Bescheides ebenfalls behandelt, und zwar im Zusammenhang damit, daß sie die von ihr anerkannten familiären Interessen des Beschwerdeführers als nicht besonders rücksichtswürdig qualifiziert hat. Sie brachte dabei zum Ausdruck, daß es möglich sei, den präsenzdienstbedingten Ausfall der Arbeitskraft des Beschwerdeführers durch die Mithilfe der Geschwister des Beschwerdeführers und deren Ehepartner sowie durch den im Rahmen der Möglichkeit gegebenen teilweisen Einsatz der Eltern des Beschwerdeführers selbst soweit zu ersetzen, daß eine Aufrechterhaltung des Betriebes und damit die Vermeidung der Gefährdung lebenswichtiger Interessen der Eltern bewirkt werden könne.

Es entspricht zwar entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß zur Unterstützung der Eltern nicht nur der präsenzdienstpflichtige Sohn, sondern auch die anderen nahen Angehörigen verpflichtet sind, im Rahmen der Möglichkeit und Zumutbarkeit ihren entsprechenden Beitrag zu leisten (vgl. das zitierte Erkenntnis vom 19. Februar 1991). Der Umstand, daß diese Angehörigen nicht im gemeinsamen Haushalt mit den Betriebsinhabern leben und ihre eigenen beruflichen und familiären Interessen haben, ist dabei für sich noch nicht ausschlaggebend. Die Behörden haben aber in diesem Zusammenhang die Pflicht, hinsichtlich der genannten Möglichkeit und Zumutbarkeit die nötigen Ermittlungen anzustellen und die Ergebnisse dieser Ermittlungen - unter Wahrung des Parteiengehörs - einer eingehenden Beurteilung zu unterziehen (vgl. auch diesbezüglich das zitierte Erkenntnis vom 19. Februar 1991). Obwohl zur beruflichen und familiären Situation der Geschwister des Beschwerdeführers Ermittlungsergebnisse vorliegen, ist die belangte Behörde pauschal davon ausgegangen, daß eine Aushilfe im elterlichen Betrieb im Zusammenwirken aller möglich sein müsse. Diese Aussage ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht schlüssig. Vielmehr ist es offenkundig so, daß einzelne der (fünf) Geschwister wegen ihrer persönlichen Situation überhaupt keinen Beitrag zur Betriebsführung bei ihren Eltern in nennenswertem Umfang würden leisten können. Es hätte näherer Ausführungen - allenfalls gestützt auf ergänzende Ermittlungen, insbesondere durch Einvernahme der betreffenden Personen (vgl. ebenfalls das zitierte Erkenntnis vom 19. Februar 1991) - bedurft, welche Arbeiten von den Eltern des Beschwerdeführers auch im Zusammenwirken nicht bewältigt werden können und welche Geschwister des Beschwerdeführers hiefür konkret in Betracht kommen. Dasselbe gilt in entsprechender Weise für die ebenfalls von der belangten Behörde ins Auge gefaßte Mitarbeit der Schwäger(innen) des Beschwerdeführers.

Es ist auch nicht einsichtig, wieso die belangte Behörde - ohne nähere Begründung - der Stellungnahme der Bezirksbauernkammer Perg vom 20. Dezember 1990 "in freier Beweiswürdigung" zu entnehmen können glaubt, die vorübergehende Einstellung von familienfremden Arbeitskräften käme in Betracht. Zwar wird in dieser Stellungnahme die theoretische Möglichkeit bejaht, es hätte aber einer näheren Auseinandersetzung mit den Ausführungen der Kammer bedurft, in denen die praktische Verwirklichbarkeit beinahe ausgeschlossen wird.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides vorerst nicht zu folgen. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da Stempelgebührenersatz nur im Betrag von S 300,-- (S 240,-- für zwei Beschwerdeausfertigungen und S 60,-- für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) zugesprochen werden konnte.

Schlagworte

Parteiengehör Verletzung des Parteiengehörs Verfahrensmangel Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993110009.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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