TE Vwgh Erkenntnis 1993/4/27 93/11/0014

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Veröffentlicht am 27.04.1993
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Index

43/01 Wehrrecht allgemein;

Norm

WehrG 1990 §36 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 7. Dezember 1992, Zl. 681.865/8-2.5/91, betreffend befristete Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom 7. Dezember 1992 wies die belangte Behörde den Antrag des am 15. März 1958 geborenen Beschwerdeführers vom 18. Juli 1990 auf befristete Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 36 Abs. 2 Z.2 des Wehrgesetzes 1990 können Wehrpflichtige von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes auf ihren Antrag befreit werden, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß beim Beschwerdeführer wirtschaftliche Interessen gegeben seien, weil er in leitender Position bei mehreren in- und ausländischen Unternehmen tätig sei; diese wirtschaftlichen Interessen seien jedoch nicht besonders rücksichtswürdig im Sinne der genannten Gesetzesstelle, weil der Beschwerdeführer seine Tätigkeiten für die - im einzelnen angeführten - Unternehmen erst nach seiner Stellung am 17. Februar 1977, bei der er für "Tauglich" befunden worden war, aufgenommen und daher die ihm obliegende verletzt habe. Auch den vom Beschwerdeführer geltend gemachten familiären Interessen könne keine besondere Rücksichtswürdigkeit zugebilligt werden. Im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer selbst ins Treffen geführte starke berufliche Inanspruchnahme stehe der Beschwerdeführer seiner - zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im achten Monat - schwangeren Ehefrau auch sonst, wie im Falle der Präsenzdienstleistung, nicht ständig zur Betreuung zur Verfügung. Abgesehen davon, daß es dem Beschwerdeführer freistehe, eine Haushilfe anzustellen, habe er während seiner Präsenzdienstleistung im Rahmen von Dienstfreistellungen und nach Dienstschluß die Möglichkeit, seiner Ehefrau - auch nach der Entbindung - die nötige Pflege und Obsorge zuteil werden zu lassen.

Demgegenüber bringt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, daß nur durch seine konsequente Unternehmenspolitik, nämlich kontinuierliche Vergrößerung der Zahl der Gesellschaften der Unternehmensgruppe sowie Verstärkung seiner Führungsposition und damit seiner Unabkömmlichkeit, das Stammunternehmen seinen bedeutenden Umfang erhalten habe. Es sei dem Beschwerdeführer gar nicht möglich gewesen, sich im Hinblick auf die bevorstehende Einberufung aus dem Unternehmen zurückzuziehen und den Ausbau des Unternehmens zu unterlassen. Dies hätte den wirtschaftlichen Niedergang nicht nur für ihn selbst, sondern auch für seinen im Unternehmen mittätigen Bruder bedeutet. Auf Grund der "rasanten wirtschaftlichen Entwicklung" würden in diesem Zeitraum Konkurrenzunternehmen die von der Unternehmensgruppe des Beschwerdeführers nicht wahrgenommenen Ideen für sich nützen und damit den Markt für sich einnehmen. Die wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers seien daher besonders rücksichtswürdig. Darüber hinaus sei die Anwesenheit des Beschwerdeführers zur ganztägigen Pflege seiner Ehefrau und des kürzlich geborenen Kindes unbedingt erforderlich, weil der Verlauf der Schwangerschaft und der postpartale Verlauf "eine durchgehende Pflege der Ehegattin" erforderlich machten. Die Einberufung zum Grundwehrdienst würde ihm nicht nur die Möglichkeit nehmen, seinen Verpflichtungen als Geschäftsführer zweier namentlich genannter Firmen zu den üblichen Geschäftszeiten nachzukommen, sondern es würde ihm auch wesentlich erschwert, seine Ehefrau und das neugeborene Kind zu versorgen.

Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer jedoch nicht, besonders rücksichtswürdige Interessen im Sinne des Gesetzes darzutun. Nach ständiger - von der belangten Behörde zutreffend zitierter - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Wehrpflichtige die Planung und Gestaltung seiner privaten und wirtschaftlichen (beruflichen) Angelegenheiten im Interesse einer Harmonisierung mit der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes so vorzunehmen, daß für den Fall seiner Einberufung vorhersehbare Schwierigkeiten vermieden oder möglichst verringert, nicht aber vergrößert oder gar erst geschaffen werden (vgl. neben vielen anderen das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1991, Zl. 91/11/0065). Der Beschwerdeführer hat sich am 17. Februar 1977 der Stellung unterzogen und wurde für "Tauglich" befunden. Danach war ihm zur Absolvierung des Hochschulstudiums mehrmals der Antritt des ordentlichen Präsenzdienstes aufgeschoben worden. Am 3. Juli 1989 trat er den ordentlichen Präsenzdienst an. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 28. Juli 1989 wurde er mit Ablauf des 31. Juli 1989 aus gesamtwirtschaftlichen Interessen vorzeitig aus dem Präsenzdienst entlassen und bis zum Ablauf des 31. Juli 1990 von der Ableistung des restlichen Präsenzdienstes befreit, weil er laut Antrag seines damaligen Arbeitgebers auf Grund eines Geschäftsabschlusses dringend für einen längeren Auslandsaufenthalt benötigt wurde. In Ansehung seiner Führungstätigkeit in den von ihm im Verwaltungsverfahren genannten zahlreichen Unternehmen wäre der Beschwerdeführer jedoch verpflichtet gewesen, dafür vorzusorgen, daß er nach Ende des Aufschubes des Antrittes des Präsenzdienstes bzw. nach dem Ende der befristeten Befreiung seinen Grundwehrdienst leisten kann (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Jänner 1993, Zl. 92/11/0209).

Daß der Beschwerdeführer den restlichen Präsenzdienst abzuleisten haben wird, war ihm bekannt; er wurde ausdrücklich im Bescheid der belangten Behörde vom 28. Juli 1989 darauf aufmerksam gemacht. Wenn er die Entwicklung der von ihm genannten Unternehmen derart positiv beeinflußt hat, daß er - wie er behauptet - "unabkömmlich" ist, vermag dies die besondere Rücksichtswürdigkeit seiner wirtschaftlichen Interessen im Sinne des § 36 Abs. 2 Z. 2 des Wehrgesetzes 1990 nicht zu rechtfertigen, weil dies - worauf schon die belangte Behörde zutreffend hingewiesen hat - in Verletzung der ihm obliegenden Harmonisierungspflicht geschah. Es erscheint dem Verwaltungsgerichtshof auch nicht schlüssig, daß es dem Beschwerdeführer schlechthin unmöglich sein sollte, zumindest für eine teilweise Vertretung im Unternehmen für die Dauer seines restlichen Grundwehrdienstes zu sorgen. Durch welche konkreten, gezielten Maßnahmen er derartiges versucht hätte, hat er nicht aufgezeigt.

Der Beschwerdeführer hat ferner im Verwaltungsverfahren darauf hingewiesen (siehe seine Stellungnahme vom 27. November 1992), daß seine Ehefrau schwanger sei, es das erste Kind dieser Ehe sein werde und ihm und seiner Ehefrau keine Haushilfen zur Verfügung stünden. Die Mehrbelastung durch das (erste) Kind stelle in jedem Fall ein rücksichtswürdiges familiäres Interesse dar. Zutreffend hat die belangte Behörde auch diese Umstände als nicht geeignet angesehen, gemäß § 36 Abs. 2 Z. 2 des Wehrgesetzes 1990 eine Befreiung des Beschwerdeführers von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes zu rechtfertigen. Im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wäre ein besonders rücksichtswürdiges familiäres Interesse an der Befreiung des Beschwerdeführers von der Präsenzdienstpflicht dann in Betracht zu ziehen gewesen, wenn die Befreiung u.a. zur Erhaltung der Gesundheit eines Familienangehörigen erforderlich ist (vgl. u.a. das vom Beschwerdeführer und der belangten Behörde zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1984, Zlen. 83/11/0017, 84/11/0106, mit weiteren Judikaturhinweisen). Daß allgemein die intensive Betreuung der werdenden Mutter bzw. von Mutter und Kind durch den Ehemann und Vater insbesondere in der Zeit nach der Entbindung für das Wohl der Genannten förderlich ist, bedarf keiner näheren Erörterung. Daß jedoch die Erhaltung der Gesundheit seiner Familienmitglieder ausschließlich dann gewährleistet ist, wenn er von seiner Präsenzdienstpflicht befreit ist, hat der Beschwerdeführer im vorliegenden Verwaltungsverfahren nicht behauptet. Auch seine nunmehr in der Beschwerde aufgestellten, nicht näher präzisierten Behauptungen, der "postpartale Verlauf" mache eine durchgehende Pflege der Ehefrau erforderlich, lassen für ihn nichts gewinnen, weil sich auch daraus nicht ableiten läßt, daß die Betreuung der Ehefrau des Beschwerdeführers seiner ständigen Anwesenheit bedürfe und die Gesundheit seiner Ehefrau oder seines Kindes durch die Heranziehung des Beschwerdeführers zur Ableistung seines restlichen Präsenzdienstes gefährdet wäre.

Daß der Beschwerdeführer anläßlich eines Unfalles eine Kopfverletzung davongetragen hat und nicht mehr für "alle Tätigkeiten eines Grundwehrdieners" herangezogen werden könne und daß er auch auf Grund seines Alters nicht mehr in einer Weise einsetzbar sei, wie es "einem durchschnittlichen Grundwehrdiener" entspricht, ist im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht zu prüfen. Zu seinen Ausführungen, die "Einberufung" sei "fehlerhaft" ist dem Beschwerdeführer zu entgegnen, daß der Inhalt eines Einberufungsbefehls nicht die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides berührt. Insoweit er weiters die Ausführungen im angefochtenen Bescheid zur beantragten Dauer der Befreiung rügt, enthält die Beschwerde diesbezüglich Neuerungen, zumal der Antrag auch laut Berufung auf Befreiung 2 Jahre ab Antragstellung gerichtet war.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet; sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993110014.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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