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L46104 Tierhaltung Oberösterreich;Norm
ABGB;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde des G in U, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in T, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 2. April 1992, Zl. VwSen-230027/2/Gf/Rd, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit des Oberösterreichischen Tierschutzgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 24. September 1991, Zl. VwSen-230004/5/Gf/Kf, wurde der Beschwerdeführer wegen der Übertretung des § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und Abs. 2 lit. d des Oberösterreichischen Tierschutzgesetzes, LGBl. Nr. 27/1953, mit einer Geldstrafe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe drei Tage) belegt und der Verfall bestimmter, zuvor beschlagnahmter Tiere des Beschwerdeführers gemäß § 4 Abs. 4 leg. cit. ausgesprochen. Sowohl der Verfassungsgerichtshof (Beschluß vom 2. Dezember 1991, B 1253/91) als auch der Verwaltungsgerichtshof (Beschluß vom 18. März 1992, Zl. 92/01/0006) lehnten die Behandlung der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde ab.
Mit Schriftsatz vom 8. November 1991 beantragte der Beschwerdeführer - offenbar angeregt durch Ausführungen der belangten Behörde in ihrem Bescheid vom 24. September 1991 (Seite 12) - die Rückgabe der für verfallen erklärten Tiere, weil die mit dem Verfall beabsichtigte Intention der Behörde durch ihre Maßnahme tatsächlich nicht erreicht werden könne. Die Erstbehörde wies diesen Antrag mangels gesetzlicher Grundlage ab. Die hiegegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers leitete die oberösterreichische Landesregierung gemäß § 6 Abs. 1 AVG an die belangte Behörde weiter. Mit Bescheid vom 2. April 1992 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers wegen Unzuständigkeit zurück.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluß vom 5. Oktober 1992, B 653/92, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 1 B-VG in der Fassung der Novelle 1988, BGBl. Nr. 685, erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate in Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen (ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes). Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zu Art. 132 B-VG den Begriff "Verwaltungsstrafsachen", der sich auf alle "Verfahren vor den Verwaltungsbehörden wegen Verwaltungsübertretungen" bezieht, umfassend verstanden; eingeschlossen sind auch rein verfahrensrechtliche Entscheidungen, die in einem Verwaltungsstrafverfahren ergehen (vgl. etwa das von der belangten Behörde selbst zitierte hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1990, Zl. 90/03/0152, mit Hinweisen auf die Vorjudikatur). Die belangte Behörde führt ins Treffen, sie habe in diesem Zusammenhang schon ausgesprochen, daß etwa eine Berufung gegen einen Bescheid, mit dem ein Einspruch gegen eine Strafverfügung als nicht rechtzeitig zurückgewiesen werde, nicht zu einem "Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen" zähle, weil es sich hiebei um eine vom Verwaltungsstrafverfahren völlig losgelöste, rein administrativ rechtliche Frage handle. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ergeht aber auch die Zurückweisung eines verspäteten Rechtsmittels (gegen ein Straferkenntnis) in einer "Verwaltungsstrafsache" (vgl. aus jüngster Zeit den zu § 33a VwGG ergangenen hg. Beschluß vom 24. Februar 1993, Zl. 93/02/0016, sowie - betreffend einen Wiedereinsetzungsantrag - den hg. Beschluß vom 11. November 1992, Zl. 92/02/0293). Die davon abweichende "Judikaturlinie" der belangten Behörde ist verfehlt.
Im Beschwerdefall hatte der Beschwerdeführer sein Eigentum an den beschlagnahmten Tieren mit der Rechtskraft des den Verfall aussprechenden Bescheides verloren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1987, Zl. 86/01/0264). Der Verfallsausspruch hatte für ihn Strafcharakter (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrecht, 5. Auflage, Rz 792). Mit seinem Antrag auf Rückgabe der für verfallen erklärten Tiere strebte der Beschwerdeführer die Aufhebung dieser (Neben-)Strafe an; eine Rechtsgrundlage vermochte er nicht zu nennen. Nach Meinung des Gerichtshofes besteht kein Hindernis, das über diesen - auf Beseitigung einer rechtskräftig verhängten Strafe gerichteten - Antrag durchgeführte Verfahren im Sinne eines umfassenden Verständnisses des Begriffes "Verwaltungsstrafsache" als "Verfahren wegen einer Verwaltungsübertretung" (Art. 129a Abs. 1 Z. 1 B-VG) zu betrachten und dementsprechend die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates zu bejahen. Die Sorge der belangten Behörde, das Ergebnis ihrer eigenen Auslegung stehe möglicherweise im Widerspruch zur Verfassung, weil Rückübereignungsansprüche möglicherweise zum Kernbereich der "civil rights" zählen, worüber gemäß Art. 6 Abs. 1 MRK durch ein Tribunal zu entscheiden sei, wird damit gegenstandslos. Die von der belangten Behörde zitierten Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Juni 1990, B 162/90, und vom 28. Februar 1991, B 78/91, betrafen lediglich den Begriff des "anhängigen Verfahrens" (im Zusammenhang mit Übergangsbestimmungen). Daß das Verfahren über den Antrag auf Rückgabe der für verfallen erklärten Tiere vom vorangegangenen Verfahren, das zum Verfallsausspruch geführt hatte, allenfalls "rechtlich abgehoben" war, heißt noch nicht, daß das spätere Verfahren nicht (auch) "wegen einer Verwaltungsübertretung" geführt wurde.
Da die belangte Behörde ihre Zuständigkeit somit zu Unrecht verneint hat, war der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Auf das weitere Beschwerdevorbringen war nicht mehr einzugehen.
Aus verfahrensökonomischen Gründen sieht sich der Verwaltungsgerichtshof noch veranlaßt, zu den Ausführungen auf Seite 12 des Bescheides der belangten Behörde vom 24. September 1991 anzumerken, daß (angeblich negative) Auswirkungen einer Verfallsstrafe mit der Zweckverfehlung einer Grundstücksenteignung (VfSlg 8981) nicht vergleichbar sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Dem Beschwerdeführer gebührt der Ersatz von Schriftsatzaufwand in der pauschalen Höhe von S 11.120,-- (inklusive Umsatzsteuer) sowie für Stempelgebühren von S 480,-- (S 120,-- pro Beschwerdeausfertigung und S 120,-- für eine Bescheidausfertigung).
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993020028.X00Im RIS seit
11.07.2001