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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §63 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 15. Dezember 1992, Zl. Senat-ME-92-065, betreffend Übertretungen des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Erstbehörde wurde der Beschwerdeführer der Verwaltungsübertretungen nach § 5 Abs. 1 StVO sowie nach § 64 Abs. 1 und § 102 Abs. 5 lit. b KFG schuldig erkannt und hiefür bestraft. Gegen diesen Bescheid brachte er eine Berufung ein, die folgenden Wortlaut hatte:
"Ich erhebe Einspruch gegen den Bescheid, 3-10258-92, und begründe wie folgt:
Ich habe erst vor kurzer Zeit erfahren, daß ich Diabetiker bin und daher eine verminderte Alkoholtoleranz habe. Ich war auf Grund meiner Erkrankung der Situation nicht mehr mächtig. Meinem Betrieb als Rauchfangkehrermeister wurde daher auch ein Geschäftsführer zugewiesen.
Ich habe diesbezüglich am 1. Dezember 1992 um 12.30 Uhr ein Gespräch wegen eines Therapieversuchs bei Herrn Prof. L im AKH (Tel. ....).
Ich bitte daher um Berücksichtigung meines Gesundheitszustandes, und danke für Ihr Verständnis."
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 in Verbindung mit § 63 Abs. 3 AVG als unzulässig zurück, weil ein begründeter Berufungsantrag hinsichtlich der Bestrafungen nach dem KFG fehle.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Zutreffend geht die belangte Behörde davon aus, daß ein begründeter Berufungsantrag (§ 63 Abs. 3 AVG) dann vorliegt, wenn die Eingabe erkennen läßt, welchen Erfolg der Einschreiter anstrebt und womit er seinen Standpunkt vertreten zu können glaubt, selbst wenn die Begründung nicht als stichhältig anzusehen ist (vgl. etwa aus jüngster Zeit das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1993, 92/02/0329).
Hingegen teilt der Verwaltungsgerichtshof die - in der Gegenschrift präzisierte - Auffassung der belangten Behörde nicht, die Berufungsausführungen des Beschwerdeführers hätten sich eindeutig (nur) auf die Bestrafung wegen alkoholisierten Lenkens bezogen. Vielmehr konnte sich das Vorbringen, der Beschwerdeführer sei wegen seiner Erkrankung der Situation nicht mehr mächtig gewesen, er bitte um Berücksichtigung seines Gesundheitszustandes, auch auf die Übertretungen nach dem KFG bezogen haben. Darin konnte allenfalls die Behauptung der Unzurechnungsfähigkeit oder einer (strafmildernd zu berücksichtigenden) verminderten Zurechnungsfähigkeit gelegen sein. Die Berufungsausführungen boten keinen ausreichenden Anlaß dafür, bei der Beurteilung der für ein zur meritorischen Behandlung geeignetes Rechtsmittel im Gesetz aufgestellten Voraussetzungen zwischen der Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO (vgl. hiezu die zu hg. 93/02/0029 erhobene Beschwerde) und den in Rede stehenden Übertretungen des KFG zu unterscheiden, wie dies die belangte Behörde getan hat.
Der angefochtene Bescheid erweist sich demnach als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Der pauschalierte Schriftsatzaufwandersatz (inklusive Umsatzsteuer) beträgt S 11.120,--; hiezu kommt Stempelgebührenersatz von je S 120,-- für drei Beschwerdeausfertigungen und von S 60.-- für die vorgelegte Bescheidausfertigung. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993020030.X00Im RIS seit
12.06.2001