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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §143;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Stöckelle, über die Beschwerde des B in V, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 20. März 1992, Zl. 56.036/20-17/92, betreffend Studienbeihilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 15. Oktober 1990 bewilligte die Studienbeihilfenbehörde auf Grund des Antrages des Beschwerdeführers vom 27. September 1990 diesem eine Studienbeihilfe ab 1. Oktober 1990 im Ausmaß von S 53.500,-- im Studienjahr 1990/91.
Mit Bescheid vom 21. März 1991 sprach dieselbe Behörde erster Instanz aus, der Anspruch des Beschwerdeführers sei gemäß § 24 Abs. 2 lit. a des Studienförderungsgesetzes 1983, BGBl. Nr. 436 in der Fassung BGBl. Nr. 379/1988 (StudFG) mit Ende des Wintersemesters 1990/91 erloschen. Begründend wurde ausgeführt, nach der zitierten Bestimmung erlösche der Anspruch auf Studienbeihilfe mit Ende des Semesters in welchem der Studierende die Anspruchsdauer gemäß § 2 Abs. 3 lit. b StudFG überschritten habe. Gemäß § 2 der Studienordnung für die Studienrichtung Elektrotechnik, BGBl. Nr. 181/71, in der Fassung BGBl. Nr. 158/84, sei für den 1. Studienabschnitt der Studienrichtung Elektrotechnik eine Studiendauer von vier Semestern vorgesehen. Die Anspruchsdauer für den ersten Studienabschnitt betrage fünf Semester. Der Beschwerdeführer habe sich im Wintersemester 1990/91 im siebenten Semester des 1. Studienabschnittes der Studienrichtung Elektrotechnik befunden, wobei zwei Semester Beurlaubung berücksichtigt worden seien. Er habe keine Gründe geltend gemacht, die eine Überschreitung der Studienzeit im Sinn des § 2 Abs. 3 StudFG rechtfertigen würden.
Der Beschwerdeführer brachte bei der Studienbeihilfenbehörde Wien am 10. April 1991 eine Eingabe ein, die auf einem Formular als Ansuchen um Bewilligung einer Studienbeihilfe für ein weiteres Semester gemäß § 2 Abs. 4 lit. a StudFG und als Ansuchen um Nachsicht der Studienzeitüberschreitung gemäß § 2 Abs. 4 lit. b StudFG "an den zuständigen Bundesminister" gerichtet und als "Beilage zum Rechtsmittelantrag (Vorstellung)" an den "zuständigen Senat der Studienbeihilfenbehörden" gerichtet ist. Darin wird ausgeführt, der Beschwerdeführer habe die Studienzeit wegen Krankheit, außergewöhnlicher Studienbelastungen (Studienreform 89/90) und wegen eines Fernstudiums (Krankheit seiner Mutter) überschritten. Er sei im Zeitraum vom Februar 1990 bis auf weiteres in seinem Studienfortgang behindert gewesen.
Weiters machte er geltend, auf Grund finanzieller Probleme sei er gezwungen gewesen im Jahre 1988/89 sein Studium zu unterbrechen und habe nach Wiederaufnahme des ordentlichen Studiums den bereits absolvierten Prüfungsstoff wiederholen müssen.
Da der Senat der Studienbeihilfenbehörde über diese Vorstellung innerhalb der Frist von sechs Monaten nicht entschieden hat, stellte der Beschwerdeführer einen Devolutionsantrag an die belangte Behörde.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid keine Folge. Begründend wird nach Darstellung der Rechtslage und des Verwaltungsgeschehens im wesentlichen folgender Sachverhalt festgestellt: Der Beschwerdeführer studiere seit dem Studienjahr 1987 an der Technischen Universität Wien die Studienrichtung Elektrotechnik. Der Beschwerdeführer lebe wegen der Krankheit seiner Mutter in seinem Heimatort. Er sei im Studienjahr 1988/89 beurlaubt gewesen und sei einer Beschäftigung nachgegangen. Die Wiederaufnahme des Studiums habe ein Wiederholen des Prüfungsstoffes mit einem Zeitaufwand von ungefähr 2 1/2 Monaten erfordert. Durch die Studienreform 1989/90 habe der Beschwerdeführer die Prüfung "grundlegende Elektrotechnische Laborübungen" im Ausmaß von vier Wochenstunden in den
1. Studienabschnitt vorverlegen müssen. Der Beschwerdeführer habe sich für den 12. Dezember 1990 zu einer "Vorlesungsprüfung" angemeldet, sei jedoch vom 10. bis 22. Dezember 1990 krank gewesen und habe die Prüfung deshalb erst am 16. Jänner 1991 erfolgreich abgelegt. In der Zeit vom
20. bis 25. Februar 1991 sei der Beschwerdeführer wieder krank gewesen. Anfangs März 1991 habe er den schriftlichen Teil der Diplomprüfung im Fach Mechanik abgelegt. Ab März 1991 sei dem Beschwerdeführer wegen Überschreitung der Anspruchsdauer keine Studienbeihilfe mehr gewährt worden, sodaß er Gelegenheitsarbeiten nachgegangen sei und die erste Diplomprüfung am 24. Juni 1991 absolviert habe (mündlicher Prüfungsteil "Mechanik").
Rechtlich beurteilte die belangte Behörde den festgestellten Sachverhalt dahingehend, der Beschwerdeführer habe in seinem Ansuchen vom 10. April 1991 ausschließlich Gründe geltend gemacht, die im Rahmen eines Vorstellungsverfahrens zu prüfen seien. Da der Devolutionsantrag gerechtfertigt sei, sei die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde zur Entscheidung über die Vorstellung zuständig. Wichtige Gründe im Sinne des § 2 Abs. 3 StudFG seien Umstände, die die Dispositionsfreiheit des Studierenden hinsichtlich der Überschreitung der vorgesehenen Studienzeit ausschalteten, wobei dem physischen der rechtliche Zwang gleichzuhalten sei. Die aus familiären Gründen getroffene Entscheidung, wegen Erkrankung der Mutter dem Studienort fernzubleiben, sei in diesem Sinne nicht als Rechtfertigungsgrund anzusehen. Die Studienverzögerung auf Grund der Beurlaubung und der daran folgenden Wiederholung des Prüfungsstoffes stelle kein von außen kommendes unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar, das der Beschwerdeführer nicht selbst zu verantworten hätte, weil die Entscheidung, das Studium zu unterbrechen, allein in seiner Dispositionsfreiheit gelegen sei. Eine Vorverlegung einer Prüfung im Ausmaß von lediglich vier Stunden reiche nicht aus, eine zwingende Verzögerung des Studiums im Ausmaß von einem Semester zu verursachen. Ebensowenig rechtfertige das Ausmaß der Krankheitstage, die zum überwiegenden Teil in die vorlesungsfreie Zeit gefallen seien, die Studienverzögerung im Ausmaß eines Semesters, zumal der schriftliche Teil der Diplomprüfung nach der Krankenheit plangemäß und innerhalb der Anspruchsdauer abgelegt habe werden können. Die Entscheidung, ab März 1991 Gelegenheitsarbeiten nachzugehen, sei weder ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, noch stelle dies einen wichtigen Grund dar, der eine Studienbehinderung rechtfertige, da die wichtigen Gründe während der Anspruchsdauer vorgelegen sein müßten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und Gegenanträge gestellt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 3 lit. b des Studienförderungsgesetzes 1983 in der Fassung BGBl. Nr. 379/1988, besteht ein Anspruch auf Studienbeihilfe nicht, wenn ein Studierender die zur Ablegung einer Diplomprüfung vorgesehene Studienzeit ohne wichtigen Grund um mehr als ein Semester überschritten hat. Als wichtige Gründe gelten im Sinne des letzten Satzes der genannten Bestimmung Krankheit, die Pflege und Erziehung eines Kindes im ersten Lebensjahr und jedes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis, das der Studierende nicht selbst verschuldet hat, sofern dadurch der Studienerfolg nachweislich beeinträchtigt wurde, sowie Schwangerschaft, sofern dadurch der Besuch von Lehrveranstaltungen nicht möglich war.
Gemäß § 24 Abs. 2 lit. a StudFG erlischt ein bestehender Anspruch auf Studienbeihilfe mit Ende des Semesters, in welchem der Studierende die Anspruchsdauer gemäß § 2 Abs. 3 lit. b StudFG überschritten hat.
Der Beschwerdeführer macht in der Beschwerde zunächst in Übereinstimmung mit seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren geltend, daß er nach § 143 ABGB verpflichtet gewesen sei, seiner kranken Mutter den notwendigen Beistand und die notwendige Hilfe zu leisten und deshalb gezwungen gewesen sei, am Heimatort zu leben; die dadurch verursachte Verzögerung des Studiums betrage zumindest drei Monate.
Unabhängig davon, ob die Mutter des Beschwerdeführers im maßgeblichen Zeitraum tatsächlich pflegebedürftig war und für den Beschwerdeführer die rechtliche oder sittliche Pflicht zur Pflege seiner Mutter bestand, kann der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Grund seines Aufenthaltes am Heimatort, der eine Studienverzögerung bedingt hat, nicht als wichtiger Grund im Sinne des § 2 Abs. 3 lit. b StudFG anerkannt werden, wie die belangte Behörde ohne Rechtsirrtum ausgesprochen hat. Wie sich aus dem letzten Satz der zitierten Bestimmung ergibt, wird vom Gesetz ausdrücklich nur die Pflege eines Kindes im ersten Lebensjahr als wichtiger Grund zur Rechtfertigung einer Studienverzögerung angesehen. Demgegenüber kann die längerdauernde krankheitsbedingte Pflegebedürftigkeit anderer Angehöriger nicht als wichtiger Grund im Sinne des Gesetzes anerkannt werden. Eine dauernde Pflegebedürftigkeit der Mutter, wie sie der Beschwerdeführer behauptet, stellt auch kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne des Gesetzes dar, weil ein solcher Zustand nicht unvorhersehbar ist. Daß ein akutes Auftreten einer Krankheit den Beschwerdeführer in nicht vorhersehbarer Weise gezwungen hätte, zur Pflege der Mutter in seinen Heimatort zu reisen, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet, sondern vielmehr vorgebracht, er habe wegen dauernder Krankheit und Pflegebedürftigkeit seiner Mutter den Wohnsitz im Heimatort gewählt und es sei durch das "Fernstudium" eine Studienverzögerung eingetreten.
Als weiteren Grund der Studienverzögerung macht der Beschwerdeführer seine Studienunterbrechung geltend. Auch in diesem Punkt ist die Beschwerde nicht berechtigt. Selbst wenn finanzielle Gründe dem Beschwerdeführer zur Studienunterbrechung gezwungen haben sollten, wie er vorbringt, so kann in der durch die Studienunterbrechung begründeten Verzögerung des Studiums kein wichtiger Grund im Sinne des Gesetzes gelegen sein. Zu Recht geht die belangte Behörde davon aus, daß die aus sozialen Überlegungen getroffene persönliche Entscheidung des Studenten zur Studienunterbrechung nicht als unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne des zitierten Gesetzes als Grund für die Studienverzögerung anerkannt werden kann.
Schließlich sind auch die Ausführungen der Beschwerde über die krankheitsbedingte Verzögerung seines Studiums nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten kurzfristigen Krankheitszustände im Dezember und Februar 1991 (insgesamt 17 Tage) sind, selbst wenn man die Abfolge der vom Beschwerdeführer abgelegten Prüfungen berücksichtigt, nicht geeignet, eine Studienverzögerung um ein volles Semester zu rechtfertigen.
Geht man von dargestellten Rechtslage aus, so erweist sich aber auch die Verfahrensrüge der Beschwerde als unbegründet, weil nicht zu erkennen ist, daß die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Die insgesamt unbegründete Beschwerde mußte daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abgewiesen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992120100.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
01.08.2011