TE Vfgh Beschluss 1990/11/27 B1000/90

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Veröffentlicht am 27.11.1990
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
ZPO §148 Abs2

Leitsatz

Zurückweisung eines Wiedereinsetzungsantrages als verspätet

Spruch

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit Beschluß vom 12. Juni 1990, B1567/89, wies der Verfassungsgerichtshof eine Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen den Beschwerdeführer durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien zurück, da sie nicht fristgerecht eingebracht worden war.

Der Verfassungsgerichtshof begründete diesen Beschluß wie folgt:

"Der mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer für Wien vom 5. März 1990 im Rahmen der Verfahrenshilfe bestellte Vertreter des Beschwerdeführers wurde mit Schriftsatz des Verfassungsgerichtshofes vom 7. März 1990 unter Hinweis auf die Säumnisfolgen aufgefordert, gemäß §§82, 35 VerfGG 1953, §73 Abs2 ZPO, innerhalb von sechs Wochen die Beschwerde einzubringen. Der Schriftsatz des Verfassungsgerichtshofes wurde dem Beschwerdevertreter am 9. März 1990 in seiner Kanzlei zugestellt.

Die sechswöchige Beschwerdefrist ist am 20. April 1990 abgelaufen, die - mit 24. April 1990 datierte - Beschwerde wurde aber erst am 25. April 1990 zur Post gegeben und somit verspätet eingebracht."

2. Mit einem mit 7. August 1990 datierten, am 9. August 1990 beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Schriftsatz beantragt der Beschwerdeführer zu B1567/89 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist. Er bringt im wesentlichen vor, er sei durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis, welchem ein minderer Grad des Versehens zugrunde liege, an der rechtzeitigen Erhebung der Beschwerde verhindert gewesen. Die - äußerst gewissenhafte und sorgfältige - Kanzleikraft habe im Terminkalender die Beschwerdefrist mit 26. April 1990 eingetragen, wobei ihr beim Zählen der Wochen der Frist ein Irrtum unterlaufen sei. Der Beschwerdevertreter habe erst am Tage der Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Juni 1990, nämlich am 27. Juli 1990, Kenntnis von der Versäumung der Beschwerdefrist erlangt. Der Wiedereinsetzungsantrag sei daher fristgerecht eingebracht.

II. 1. Gemäß §33 VerfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden.

Da das VerfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff ZPO idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden: Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muß gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Offenbar verspätet eingebrachte Anträge sind ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen (§148 Abs3 ZPO).

2. Der - den Fristenlauf des §148 Abs2 ZPO auslösende - Wegfall des Hindernisses ist - entgegen der Auffassung des Wiedereinsetzungswerbers - nicht erst mit Zustellung des zurückweisenden Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes am 27. Juli 1990, sondern schon früher eingetreten:

Als der Beschwerdevertreter am 24. April 1990 die Beschwerde diktierte, war die vom Datum der Zustellung der Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes (das war der 9. März 1990) an zu berechnende sechswöchige Beschwerdefrist schon abgelaufen (und zwar am 20. April 1990). Das Hindernis zur rechtzeitigen Einbringung der Beschwerde fiel aber im Zeitpunkt des Diktats der Beschwerde weg, da der Beschwerdevertreter dabei richtigerweise davon ausging (und dies in der Beschwerde auch ausdrücklich anführte), daß die Zustellung der Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes am 9. März 1990 erfolgt ist, und damit den seinerzeitigen Fehler erkennen mußte (vgl. den einen ähnlichen Fall betreffenden Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Juni 1988, B862/87).

Das Hindernis für die fristgerechte Einbringung der Beschwerde ist daher am 24. April 1990 weggefallen; die mit diesem Tag beginnende Frist des §148 Abs2 ZPO ist ungenützt verstrichen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist war demnach als verspätet zurückzuweisen.

3. Dieser Beschluß konnte gemäß §33 VerfGG iVm §148 Abs3 ZPO (§35 Abs1 VerfGG) in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:B1000.1990

Dokumentnummer

JFT_10098873_90B01000_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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