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L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §41 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde der D und des M in H, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 17. Oktober 1990, Zl. I-2-14/1990, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: Gemeinde H, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die mitbeteiligte Gemeinde, vertreten durch einen Architekten, hat am 15. März 1990 um die baupolizeiliche Bewilligung zum Umbau und Änderung des Verwendungszweckes der "Alten Schule" auf Bp. Nr. 142 und GP 196, KG H, angesucht. Es sollte ein Mehrzweckgebäude mit Verkaufsgeschäft und Cafe-Restaurant errichtet werden. Die Beschwerdeführer sind Eigentümer der westlich der zu bebauenden Grundstücke liegenden GP 161 und 162, KG H.
Mit Kundmachung des Bürgermeisters vom 16. März 1990 wurde über dieses Bauvorhaben für den 29. März 1990 eine mündliche Bauverhandlung an Ort und Stelle angeordnet. Es wurde darauf hingewiesen, daß bei dieser Verhandlung, wenn nicht früher schriftlich, allfällige Einwendungen gegen das Vorhaben geltend zu machen seien, widrigenfalls dem Ansuchen stattgegeben werde, wenn sich nicht von Amts wegen Bedenken ergäben. Weiters wurde darauf hingewiesen, daß die Pläne während der Amtsstunden bis zum Verhandlungstag im Gemeindeamt zur Einsicht aufliegen. Zur Verhandlung wurden einige Anrainer, so unter 7. "G u. Mitbesitzer, in H," geladen. Die Zustellung ist nicht ausgewiesen. Mit Eingabe vom 25. März 1990, eingelangt bei der mitbeteiligten Gemeinde am 28. März 1990 brachten die Beschwerdeführer folgendes Schreiben ein:
"Betr.: Umbau und Änderung des Verwendungszweckes der "Alten
Schule", H, Bp. 142, KG. H; Kommissionelle Verhandlung am 29.3.1990
Sehr geehrter Herr Bürgermeister
Die kommissionelle Verhandlung ist auf Donnerstag, den 29.3.1990, 14.00 Uhr angesetzt. Eine persönliche Teilnahme ist uns leider nicht möglich. Die Planunterlagen sind uns bekannt. Gegen den vorgesehenen Umbau und die Änderung des Verwendungszweckes erheben wir als Nachbarn für den Fall Einwendungen, dass
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während des Umbaues oder in der Folge, insbesondere aufgrund des an der Nordseite der "Alten Schule" im Bereich des Einganges geplanten Anbaues sowie der Änderung des Verwendungszweckes unser "ersessenes Recht" der freien Zu- und Abfahrt über das Schulareal, der Beanspruchung von Parkfläche auf dem Schulplatz usw. beeinträchtigt ist und die an der Ostseite unseres Grundstückes liegende, minimal vorhandene Privatparkfläche, die ausschliesslich den Kunden der Firma Metzgerei und Würsterei R Nfg. zur Verfügung steht, von anderen Personen benützt wird sowie
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die Nachtruhe gestört ist."
Dieses Schreiben ist von K sowie von den Beschwerdeführern unterfertigt. Mit Bescheid des Vizebürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 25. Juli 1990 wurde der mitbeteiligten Gemeinde die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen erteilt. Ergänzend zu den eingereichten Plan- und Beschreibungsunterlagen, die zum Bescheidbestandteil erklärt wurden, wurde festgehalten, daß während der warmen Jahreszeit an der Ostseite des Cafe-Restaurants ein Gastgarten mit ca. 30 Sitzplätzen errichtet werden wird. Der Gastgarten soll (bei schöner Witterung) lediglich bis 22.00 Uhr betrieben werden. Unter Punkt 20 wurde vorgeschrieben:
"Die Mindestzahl der erforderlichen Stellplätze für Kraftfahrzeuge beträgt 26 Abstellplätze. Die Parkplätze sind in geeigneter Weise zu markieren sowie ausreichend zu beschildern. Über die Aufteilung der Stellplätze ist ein Parkplatzplan vor Baubeginn vorzulegen."
Weiters wurde im Bescheid festgehalten, daß im Zuge der vorgesehenen Kirchplatzgestaltung die Parkplatzsituation neu überarbeitet werde. Die Einwendungen der Beschwerdeführer wurden auf den Rechtsweg verwiesen bzw. als unzulässig zurückgewiesen.
In ihrer gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung wiesen die Beschwerdeführer darauf hin, daß im bekämpften Bescheid ausgeführt werde, daß die notwendigen Abstellplätze noch nachgewiesen würden und im Zuge der vorgesehenen Kirchplatzgestaltung die Parkplatzsituation neu überarbeitet werde. Aufgrund der derzeitigen Situation könne jedoch nicht gesagt werden, welche Parkflächen nach dem Umbau und der Umwidmung der "Alten Schule" zur Verfügung stünden. Beim derzeitigen Stand hätten die Beschwerdeführer mit massiven Beeinträchtigungen durch parkende Fahrzeuge zu rechnen. Aufgrund der unklaren Parkplatzsituation und der Beeinträchtigung der Zu- und Abfahrt hätten die Einwendungen nicht als unzulässig zurückgewiesen werden dürfen. Diese Einwendungen fänden vielmehr im § 30 Abs. 1 lit. b und insbesondere § 30 Abs. 1 lit. d des Vorarlberger Baugesetzes Deckung. Darüberhinaus sei von den Beschwerdeführern der Einwand erhoben worden, daß mit Lärmstörungen inbesondere zur Nachtzeit durch die beabsichtigte Nutzung als Cafe- und Restaurantbetrieb zu rechnen sei. Auch diese Einwendung sei als unzulässig zurückgewiesen worden. Es handle sich dabei jedoch um einen öffentlich-rechtlichen Einwand, der im § 30 Abs. 1 lit. b des Vorarlberger Baugesetzes Deckung finde. § 6 des Vorarlberger Baugesetzes stelle in seinem Abs. 10 auf das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigungen oder Gefährdungen der Nachbarn durch den Verwendungszweck eines Bauwerkes ab. In derartigen Fällen wäre bei einem Neubau die Vorschreibung größerer, als der gesetzlich vorgesehenen Abstandsflächen erforderlich. Im gegenständlichen Fall handle es sich um einen Umbau. Für Umbauten müsse gelten, daß dann, wenn mit das ortsübliche Ausmaß übersteigenden Belästigungen oder Gefährdungen der Nachbarn zu rechnen sei, größere Abstandsflächen jedoch nicht vorgeschrieben werden könnten, das Bauvorhaben nicht zu bewilligen sei. Aus diesem Grunde hätte sich die Baubehörde erster Instanz mit den zu erwartenden Emissionen durch den Cafe- und Restaurantbetrieb und insbesondere Emissionen durch den Gastgarten und das Zu- und Abfahren der Gäste befassen müssen. Es folgen weitere Berufungsauführungen zu einem Geh- und Fahrrecht der Beschwerdeführer.
Mit Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde vom 7. September 1990 wurde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 25. Juli 1990 als unbegründet abgewiesen, der Spruch des Bescheides wurde aber dahingehend abgeändert, daß die Einwendungen der Beschwerdeführer als unzulässig zurückgewiesen wurden. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, da es sich bei dem Vorbringen der Beschwerdeführer vor der Bauverhandlung um "Einwendungen mit Vorbehalten" handle, seien die Einwendungen "gesamthaft" als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Gegenstand des von Berufungsbehörde abzuwickelnden Verfahrens dürften nur jene Einwendungen sein, die die Beschwerdeführer bis zum Schluß der mündlichen Bauverhandlung vorgebracht hätten. Da die Beschwerdeführer bis zu diesem Zeitpunkt keine rechtswirksamen Einwendungen vorgebracht hätten, seien die Rechtswirkungen des § 42 AVG eingetreten.
Der gegen diesen Bescheid eingebrachten Vorstellung der Beschwerdeführer hat die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 17. Oktober 1990 mit der Begründung, die Beschwerdeführer seien hinsichtlich ihres Berufungsvorbringens präkludiert, keine Folge gegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 40 Abs. 1 AVG sind mündliche Verhandlungen unter Zuziehung der bekannten Beteiligten sowie der erforderlichen Zeugen und Sachverständigen vorzunehmen.
Die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung hat zufolge § 41 Abs. 1 leg. cit. (in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 357/1990) durch persönliche Veständigung der bekannten Beteiligten zu erfolgen und wird nach Bedarf überdies noch durch Anschlag in der Gemeinde oder durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen im Lande bestimmten Zeitung bekannt gemacht.
Die Beschwerdeführer waren im vorliegenden Verfahren schon im Hinblick darauf, daß ihre Grundstücke in unmittelbarer Nähe der zu bebauenden Liegenschaft liegen und gemäß § 25 Abs. 3 lit. b des Vorarlberger Baugesetzes ein Verzeichnis der Nachbarn unter Anschrift dem Bauantrag anzuschließen ist, als "bekannte Beteiligte" im Sinne des § 41 Abs. 1 AVG anzusehen. Wie bereits in der Sachverhaltsdarstellung dieses Erkenntnisses ausgeführt ist, wurden die Beschwerdeführer von der Anberaumung der in Rede stehenden Bauverhandlung nicht persönlich verständigt, vielmehr erfolgte die (nicht ausgewiesene) Ladung zu Handen eines anderen Mitbesitzers, ohne daß der vorgelegte Verwaltungsakt irgendwelche Hinweise dafür böte, weshalb dieser Miteigentümer als Zustellungsbevollmächtiger anzusehen sein sollte. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinen Erkenntnissen vom 6. Mai 1986, Zl. 85/04/0185, sowie vom 23. Jänner 1992, Zl. 91/06/0194, ausgesprochen, daß keine ordnungsgemäße Zustellung vorliegt, wenn im Falle des Vorhandenseins mehrerer Parteien, die behördliche Erledigung in einer gemeinsamen Sendung an diese Parteien adressiert war, es sei denn, daß ihnen die Sendung nachweislich tatsächlich zugegangen ist (vgl. Walter-Mayer, Das österreichische Zustellrecht, Anmerkung 9 zu § 5 Zustellgesetz). Hinweise dafür, daß die derart mangelhafte zugestellte Ladung zur Verhandlung vom 29. März 1990 den Beschwerdeführern tatsächlich zugekommen sei, sind den Verwaltungsakten nicht zu entnehmen. Aus der Eingabe der Beschwerdeführer vom 25. März 1990 läßt sich lediglich entnehmen, daß den Beschwerdeführern der Verhandlungstermin sowie die Planunterlagen bekannt waren. Schon aus diesem Grunde konnten gegenüber den Beschwerdeführern die Präklusionsfolgen im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG nicht eintreten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. September 1991, Zl. 91/05/0070).
Daß die belangte Behörde dies verkannte, ist allerdings nur soweit von Bedeutung, als subjektiv öffentliche Nachbarrechte iSd § 30 des Vorarlberger Baugesetzes LGBl. Nr. 39/1972 idF LGBl. Nr. 47/1983 (BauG) geltend gemacht werden.
Die Beschwerdeführer berufen sich in ihrem Beschwerdevorbringen auf die lit. b und d der unbestritten taxativen Aufzählung des § 30 BauG. Danach können Nachbarrechte auf § 6 gestützt werden, soweit er den Schutz von Nachbarn aus Rücksichten des Brandschutzes und der Gesundheit, insbesondere Belichtung, Luft und Lärm, betrifft (lit. b) und auf § 12 Abs. 1, insoweit er sich auf Einrichtungen auf Nachbargrundstücken bezieht, die eines besonderen Schutzes gegen Lärm und sonstige Belästigungen bedürfen (lit. d).
Die Bestimmung der lit. d des § 30 BauG scheidet schon deshalb aus, da nicht erkennbar ist, welche Einrichtungen auf dem Grundstück der Beschwerdeführer "eines besonderen Schutzes gegen Lärm" bedürfen; eines BESONDEREN Schutzes bedürfen etwa Schulen, Kirchen, Krankenanstalten, Kindergärten udgl. (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Juli 1981, Zl. 1819/79, Slg. NF Nr. 10.514/A u.a), nicht aber bloße Wohnbauten.
Wohl aber ist die Einwendung nach lit. b in Verbindung mit § 6 Abs. 10 BauG zu prüfen, wobei dahingestellt bleiben kann, ob sie bereits in den schriftlich vor der Bauverhandlung erhobenen Einwendungen enthalten war; ist sie doch in der Berufung ausdrücklich und mangels Eintritts einer Präklusion auch noch rechtzeitig geltend gemacht worden.
Die Unterlassung einer Regelung der Lage der Parkplätze kann allerdings dem § 30 BauG nicht unterstellt werden. Da der "Parkplatzplan" erst nach Ergehen der Baubewilligung vorgelegt worden ist und auch die Berufungsbehörde die Baubewilligung insoweit nicht erweitert hat, ist er überhaupt nicht Gegenstand der Bewilligung geworden, was die Verletzung von Nachbarrechten durch die Bewilligung - und nur dies ist Gegenstand des Vorstellungsbescheides und damit des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - ausschließt.
Hingegen weisen die Beschwerdeführer mit Recht darauf hin, daß durch den im Rahmen eines Umbaus einer früheren Schule in eine Gastwirtschaft mit ÖFFNUNGSZEITEN BIS 24.00 UHR (dazu noch ein Gastgarten bis 22.00 Uhr) bewilligten Verwendungszweck eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung zumindest nicht ausgeschlossen ist. Da in einem solchen Fall größere als die in den Abs. 2 - 8 des § 6 BauG vorgesehenen Abstände festzusetzen SIND und letztlich sogar das Bauvorhaben zu versagen ist, wenn diese größeren Abstände nicht eingehalten werden können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 1984, Slg. Nr. 11.419/A = BauSlg. Nr. 250), wäre diese nicht präkludierte Einwendung meritorisch zu behandeln gewesen.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhalts, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1990060204.X00Im RIS seit
03.05.2001