TE Vwgh Erkenntnis 1993/4/30 92/17/0005

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Veröffentlicht am 30.04.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/03 Steuern vom Vermögen;
92 Luftverkehr;

Norm

GrStG §2 Z9 litb;
LuftfahrtG 1958;
LuftverkehrsG §17;
LuftverkehrsG §7;
LuftverkehrsG;
LuftverkehrsV;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde der F Betriebsgesellschaft m.b.H. in Wien, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 19. November 1991, Zl. GA 8-1481/1-1991, betreffend Grundsteuermeßbetrag auf den 1. Jänner 1983, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.960,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem an die Beschwerdeführerin ergangenen Bescheid vom 23. März 1983 erhöhte das Finanzamt Baden (in der Folge: Finanzamt) für das nach den Bestimmungen des Bewertungsgesetzes als Betriebsgrundstück zu bewertende Gebäude Superädifikat auf K KG K (Hangar I auf dem Zivilflugplatz) den Einheitswert mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 1983 auf S 450.000,-- und setzte gleichzeitig mit Grundsteuermeßbescheid auf den 1. Jänner 1983 den Grundsteuermeßbetrag für diesen Grundbesitz mit S 850,-- fest.

In der gegen den Grundsteuermeßbescheid erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, daß sie auf Grund einer Zivilflugplatz-Bewilligung in Vöslau einen Flughafen im Sinne des Luftfahrtgesetzes betreibe und der Antrag auf Widmung des Flughafens als öffentliches Flugfeld vom Bundesministerium für Verkehr als Oberste Zivilluftfahrtbehörde geprüft und voraussichtlich aufrecht erledigt werde. Auf Grund der Bestimmungen der Zivilflugplatz-Betriebsordnung ergebe sich, daß Hangar und Werft eines Flughafens "Anlagen und Einrichtungen" darstellten, die Gegenstand der Zivilflugplatz-Benützungsbedingungen seien. Schon dieser Umstand spreche deutlich dafür, daß die genannten Anlagen und Einrichtungen unmittelbar dem Betrieb eines Flughafens dienten.

In einer Vorhaltsbeantwortung brachte die Beschwerdeführerin vor, daß das "Zivilflugfeld Vöslau" mit der Erteilung der Betriebsaufnahmebewilligung seit 25. August 1978 als ein dem allgemeinen Verkehr dienender öffentlicher Zivilflugplatz anzusehen sei.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 3. Mai 1984 wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Da für das "Flugfeld Vöslau" nur eine Zivilflugplatz-Bewilligung (jedoch nicht für den Betrieb eines Flughafens) vorliege, könne die Befreiungsbestimmung nach § 2 Z. 9 lit. b Grundsteuergesetz, wonach der dem Betrieb eines Flughafens des allgemeinen Verkehrs dienende Grundbesitz von der Grundsteuer befreit sei, nicht angewendet werden. Gemäß § 64 Luftfahrtgesetz sei ein Flughafen ein öffentlicher Flugplatz, der für den internationalen Luftverkehr bestimmt sei und über die hiefür erforderlichen Einrichtungen verfüge.

Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wandte die Beschwerdeführerin ein, daß das Finanzamt Begriffe des Luftfahrtgesetzes 1957 für die Auslegung des Grundsteuergesetzes 1955 - eines neueren Gesetzes zur Auslegung des älteren - verwende. Das Finanzamt stütze seine Entscheidung auf das Luftfahrtgesetz 1957 und beachte nicht die historische Entwicklung der Gesetzgebung über die Luftfahrt in Österreich.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und führte in der Begründung aus, daß der Gesetzgeber den Begriff "Flughafen des allgemeinen Verkehrs" nicht definiert habe. Aus dem systematischen Zusammenhang der lit. a und der lit. b des § 2 Z. 9 des Grundsteuergesetzes sei abzuleiten, daß Flughäfen des allgemeinen Verkehrs nur solche seien, die Einrichtungen aufwiesen, die sowohl den Güter- als auch den (grenzüberschreitenden) Personenverkehr gewährleisteten. Aus dem Sinn des Wortes "allgemein" lasse sich ferner schließen, daß nur jene Flughäfen befreit sein sollten, welche auch von der Allgemeinheit benützt werden könnten. Eine Benützung durch die Allgemeinheit sei jedoch dann nicht gegeben, wenn nur Privatflugzeuge starteten und landeten.

Flughäfen nach § 64 Luftfahrtgesetz fielen jedenfalls unter den Begriff der "Flughäfen des allgemeinen Verkehrs". Auch Flugfelder, die öffentliche Flugplätze im Sinne des § 63 Luftfahrtgesetz seien und die Eignung für den allgemeinen Verkehr aufwiesen - ein regelmäßiger, organisierter und nach Fahrplänen ablaufender Personen- und Güterverkehr - könnten unter den Begriff fallen. Der Gegensatz zum allgemeinen Verkehr wäre der Bedarfs- oder Gelegenheitsverkehr, aber auch die Benützung des Flugfeldes zu Sport- und Schulungszwecken.

Das Flugfeld Vöslau sei ein Privatflugplatz, erst ab 1. Jänner 1985 würden eine zoll- und paßrechtliche Abfertigung durchgeführt sowie eine Flugsicherungsstelle betrieben. Die Erklärung zum öffentlichen Flugplatz sei erst mit Bescheid vom 6. Mai 1985 erfolgt, sodaß zum 1. Jänner 1983 nach dem Umfang der luftfahrtbehördlichen Bewilligung die Voraussetzungen für einen Flughafen des allgemeinen Verkehrs im Sinne des Grundsteuergesetzes nicht vorlägen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Befreiung von der Grundsteuer "sowie auf Sachentscheidung" verletzt.

Die belangte Behörde beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin erstattete eine Replik zur Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Strittig ist, ob der Zivilflugplatz Vöslau, für den die Beschwerdeführerin eine Zivilflugplatz-Bewilligung hat, ein "Flughafen des allgemeinen Verkehrs" im Sinne des § 2 Z. 9 lit. b Grundsteuergesetz und daher für den nach dem Bewertungsgesetz als Betriebsgrundstück geltenden Hangar I auf diesem Zivilflugplatz die Grundsteuerbefreiung anzuwenden ist.

Gemäß § 2 Z. 9 lit. b Grundsteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 149, ist für den dem Betrieb eines Flughafens des allgemeinen Verkehrs dienenden sowie den für den Flugsicherungsdienst benutzten Grundbesitz keine Grundsteuer zu entrichten. § 4 Abs. 1 und 2 leg. cit. ergänzt die Befreiungsbestimmung dahingehend, daß die Befreiung nur insoweit eintritt, als der Steuergegenstand für die in den §§ 2 und 3 bezeichneten Zwecke unmittelbar benutzt wird.

Mit Recht macht die Beschwerdeführerin geltend, daß der Begriff "Flughafen des allgemeinen Verkehrs" sich nicht im LFG 1957 findet, sondern in den mit Inkrafttreten des LFG 1957 außer Kraft getretenen luftverkehrsrechtlichen Vorschriften (§ 152 LFG 1957), die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Grundsteuergesetzes 1955 anzuwenden waren.

Auf Grund der nach § 17 des Luftverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. August 1936, RGBl I S 653 (LVG 1936), und des Art. 5 des Gesetzes über die Reichsluftfahrtverwaltung vom 15. Dezember 1933 ergangenen "Verordnung über Luftverkehr" vom 21. August 1936

(RGBl I S 659 ff in der Fassung der Verordnung vom 31. März und 12. Juli 1937 RGBl I S 432 u. 815) wird in deren Abschnitt E "Luftfahrtgelände" zwischen Flughäfen, Landeplätzen, Segelfluggelände und Außenlandungen unterschieden. Die Flughäfen werden in FLUGHÄFEN DES ALLGEMEINEN VERKEHRS (Verkehrsflughäfen) und Flughäfen für Sonderzwecke (Sonderflughäfen) eingeteilt.

Im Kommentar zur deutschen Luftfahrtgesetzgebung "Recht der Luftfahrt" (Schleicher-Reymann, 2. Auflage, Berlin 1937, Seite 86 und 87 zu § 7 LVG 1936) wird dazu ausgeführt:

"Auf den Verkehrsflughäfen, die bisher öffentliche Flughäfen genannt wurden, darf jedermann mit Luftfahrzeugen landen und abfliegen; ähnlich wie die öffentlichen Straßen dem Verkehr dienen sie dem Gemeingebrauch der Luftfahrt. Daß aus polizeilichen Gründen ein Verkehrsflughafen für bestimmte Arten von Luftfahrzeugen gesperrt werden kann, z.B. für Flugzeuge bestimmter Größe oder Landegeschwindigkeit, ändert an seiner Rechtsnatur nichts. Im Gegensatz dazu wird bei Sonderflughäfen das Recht zu Abflug und Landung von vornherein nur für einen bestimmten Personenkreis genehmigt; Sonderflughäfen sind insbesondere die Flughäfen (Fliegerhorste) der Luftwaffe, da sie nur militärischen Zwecken dienen und nur Angehörigen der Luftwaffe offenstehen, ferner die Industrieflughäfen...

Von den anderen Luftfahrtgeländen (Landeplätzen und Segelfluggeländen), die heute ebenfalls einer Genehmigung unter dem Gesichtspunkt der Landeerlaubnis bedürfen, unterscheidet sich der Flughafen rechtlich vor allem durch den Nachbarrechtsschutz. Als Landeplätze bezeichnet § 35 LuftVO "Gelände, die ständig zum Abflug und zur Landung von Luftfahrzeugen dienen, ohne daß auf ihnen die besonderen Einrichtungen eines Flughafens vorhanden zu sein brauchen. Die Vorschriften über Flughäfen gelten für sie nicht". Ihre Genehmigung kann vom Luftamt nach freiem Ermessen versagt oder zurückgezogen werden. Bei der Genehmigung bestimmt das Luftamt, wer zur Benutzung des Landeplatzes berechtigt ist (§§ 36, 37 VO). Die Vorschrift soll insbesondere privaten Grundeigentümern den Betrieb eigener Flugzeuge von ihrem eigenen Besitz aus ermöglichen. Die Hilfslandeplätze der Flugsicherung werden vom Reich, u. zw. vor allem für den öffentlichen Fluglinienverkehr, eingerichtet und betrieben; sie sind begrifflich ebenfalls Landeplätze. Den Landeplätzen rechtlich gleichgeordnet sind die Segelfluggelände (§ 38 VO), d.h. Gelände, die ständig zu Übungen mit Segelflugzeugen benutzt werden. Auf Segelfluggeländen bedürfen Segelflugzeugführer keiner Erlaubnis, Segelflugzeuge nur einer vereinfachten Zulassung."

Der Gesetzgeber des Grundsteuergesetzes 1955 hat im § 2 Z. 9 lit. b leg. cit. erkennbar den in den luftfahrtrechtlichen Vorschriften vor Inkrafttreten des LFG 1957 anzuwendenden Begriff des "Flughafens des allgemeinen Verkehrs" verwendet. Da das Grundsteuergesetz 1955 durch das spätere Inkrafttreten des LFG 1957 im § 2 Z. 9 lit. b keine Änderung erfahren hat, sind zur Auslegung dieses Begriffes die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Grundsteuergesetzes 1955 anzuwendenden luftfahrtrechtlichen Vorschriften aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des LFG 1957 heranzuziehen.

Die belangte Behörde hätte daher unter Heranziehung der luftfahrtrechtlichen Bestimmungen vor Inkrafttreten des LFG 1957 zunächst zu klären gehabt, ob das "Luftfahrtgelände" Vöslau - ungeachtet der in diesen Fällen erforderlichen Bewilligungen - die Voraussetzungen als Flughafen, Landeplatz oder Segelfluggelände erfüllt, um dann gegebenenfalls zu klären, ob dieser "Flughafen" als "Flughafen des allgemeinen Verkehrs (Verkehrsflughafen)" im Sinne des § 2 Z. 9 lit. b Grundsteuergesetz anzusehen ist.

Da die belangte Behörde aber verkannte, welche Vorschriften bei der Auslegung des im § 2 Z. 9 lit. b Grundsteuergesetz genannten Begriffes "Flughafen des allgemeinen Verkehrs" heranzuziehen sind, hat sie den angefochtenen Bescheid schon deswegen mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Es erübrigt sich somit, auf das weitere Beschwerdevorbringen näher einzugehen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Die Stempelgebühren waren im gesetzlich vorgesehenen Umfang zuzusprechen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992170005.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

23.10.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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