TE Vwgh Erkenntnis 1993/5/3 93/18/0018

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Veröffentlicht am 03.05.1993
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §67c Abs1;
B-VG Art133 Z1;
B-VG Art83 Abs2;
FrPolG 1954 §13;
FrPolG 1954 §5a Abs6;
FrPolG 1954 §5a;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll,

Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des H, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 21. Februar 1992, Zl. Vw-Sen-400067/6/Gf/Kf, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde nach § 5a Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Über den Beschwerdeführer war mit einem ihm am 11. Dezember 1991 zugestellten Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach die Schubhaft verhängt worden. Am 13. Februar 1992 (Datum des Poststempels) erhob der seit 11. Dezember 1991 in Schubhaft angehaltene Beschwerdeführer gemäß § 5a des Fremdenpolizeigesetzes (FrPolG) Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

2. Mit Bescheid dieser (der belangten) Behörde vom 21. Februar 1992 wurde die Beschwerde gemäß § 5a FrPolG iVm § 67c Abs. 3 AVG "als nicht fristgerecht zurückgewiesen".

Begründend führte die belangte Behörde dazu im wesentlichen aus, daß die Frist zur Einbringung der Beschwerde am 11. Dezember 1991, dem Tag der Inhaftnahme des Beschwerdeführers, zu laufen begonnen habe, weil der Beschwerdeführer zweifelsfrei durch seine Festnahme Kenntnis vom Vollzug der Schubhaft i.S. des § 67c Abs. 1 AVG iVm § 5a FrPolG erhalten habe. Die im Grunde dieser Bestimmungen sechswöchige Beschwerdefrist - es handle sich um eine zwingende gesetzliche, nicht erstreckbare Fallfrist - habe gemäß § 32 Abs. 2 iVm § 33 Abs. 2 AVG am 22. Jänner 1992 geendet. Spätestens an diesem Tag hätte daher die Beschwerde zur Post gegeben werden müssen. Tatsächlich sei dies jedoch erst am 13. Februar 1992 geschehen, weshalb die Beschwerde gemäß § 67c AVG ohne weiteres Verfahren wegen Nichterfüllung einer Prozeßvoraussetzung zurückzuweisen gewesen sei.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung derselben mit Beschluß vom 29. September 1992, B 447/92-3, ab und trat sie antragsgemäß mit Beschluß vom 26. November 1992, B 447/92-5, dem Verwaltungsgerichtshof ab. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erachtet sich der Beschwerdeführer in dem ihm "gesetzlich gewährleisteten Recht auf Sachentscheidung über seine Schubhaftbeschwerde gemäß § 5a Fremdenpolizeigesetz, insbesondere auf Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Anhaltung in Schubhaft nach der genannten Gesetzesstelle", verletzt (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG). Er begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die Zurückweisung der Beschwerde wegen Unzulässigkeit, in eventu deren Abweisung wegen Unbegründetheit.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die belangte Behörde hält die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof deshalb für unzulässig, weil der Beschwerdeführer im Zeitpunkt ihrer Erhebung bereits aus dem Bundesgebiet abgeschoben gewesen sei (Hinweis auf den hg. Beschluß vom 11. Mai 1992, Zl. 92/18/0153).

Diese Rechtsansicht ist verfehlt. Dem vorzitierten, von der belangten Behörde irrigerweise zur Stützung ihres Standpunktes herangezogenen Beschluß lag in einem wesentlichen Punkt ein anderer Sachverhalt zugrunde. Während damals die Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat (die auch hier belangte Behörde) NACH Abschiebung des damaligen Beschwerdeführers aus Österreich erhoben worden war, wurde im vorliegenden Beschwerdefall die an die belangte Behörde gerichtete Beschwerde gemäß § 5a FrPolG VOR Abschiebung des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet erhoben (Postaufgabe der Beschwerde am 13. Februar 1992; Abschiebung des Beschwerdeführers am 11. März 1992). Im Unterschied zum damaligen Fall bestand somit im vorliegenden Beschwerdefall zum Zeitpunkt der Erhebung der Beschwerde nach § 5a FrPolG an die belangte Behörde noch die Berechtigung hiezu (vgl. den hg. Beschluß vom 3. Dezember 1992, Zl. 92/18/0390).

1.2. Nach Meinung der belangten Behörde erweist sich die gegenständliche Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof noch aus einem weiteren Grund als unzulässig. Der Beschwerdeführer habe in seinem Verbesserungsschriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof zwar formal die Beeinträchtigung eines bloß einfachgesetzlich gewährleisteten Rechtes geltend gemacht, damit jedoch materiell gesehen die Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes releviert, wie etwa aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 1992, B 1200, 1201/91, hervorgehe. Eine Feststellung der Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten des Beschwerdeführers sei dem Verwaltungsgerichtshof aber durch Art. 133 Z. 1 B-VG von vornherein verwehrt, und zwar insbesondere auch dann, wenn der Verfassungsgerichtshof - wie vorliegend mit Beschluß vom 29. September 1992, B 447/92-3 - eine entsprechende Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG ablehne, weil dies ansonsten im Ergebnis zu einer inhaltlichen Überprüfung der Ablehnungsentscheidung des Verfassungsgerichtshofes durch den Verwaltungsgerichtshof führen würde.

Auch insoweit verkennt die belangte Behörde die Rechtslage. Der Beschwerdeführer hat - in der Gegenschrift der belangten Behörde zutreffend gesehen - in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise die Verletzung eines einfachgesetzlich gewährleisteten Rechtes behauptet, nämlich des Rechtes auf Sachentscheidung. Daß eine Verletzung dieses Rechtes, und zwar unter dem Titel der Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes (konkret: des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter), vor dem Verfassungsgerichtshof geltend gemacht werden kann und im Beschwerdefall vorweg auch behauptet wurde, führt nicht zu den in der Gegenschrift behaupteten Konsequenzen. Vielmehr ist die Frage, ob ein Anspruch auf Sachentscheidung über eine Schubhaftbeschwerde gemäß § 5a FrPolG besteht, eine solche, die - wie auch vom Verfassungsgerichtshof in seinen beiden oben I.3. zitierten Beschlüssen unmißverständlich zum Ausdruck gebracht - nicht nach Art. 133 B-VG von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen ist (vgl. dazu auch das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. November 1964, Slg. Nr. 6505/A).

2. Da sich somit die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht aus den von der belangten Behörde geltend gemachten Gründen als unzulässig erweist und auch sonst kein Zurückweisungsgrund erkennbar ist, war in die meritorische Erledigung der Beschwerde einzutreten.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem, von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift selbst zitierten Erkenntnis vom 9. Juni 1992, B 1200, 1201/91, dem ein Sachverhalt zugrunde lag, der in allen entscheidungswesentlichen Punkten dem der vorliegenden Beschwerde zugrunde liegenden entspricht, ausgesprochen, daß die Auffassung, es habe die Beschwerdefrist gemäß § 67c Abs. 1 AVG iVm § 5a Abs. 6 FrPolG sechs Wochen nach Festnahme geendet, mit dem Gesetz nicht in Einklang stehe:

"Da die Anhaltung der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt, da sie die Beschwerden einbrachten, noch nicht geendet hatte, konnten die Rechtsmittel, jedenfalls soweit es um die letzten sechs Wochen der Anhaltung geht, gar nicht verspätet sein."

Dieser Rechtsanschauung schließt sich der Verwaltungsgerichtshof an.

3. Da nach dem Gesagten die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zu Unrecht eine Sachentscheidung, nämlich einen Abspruch über die Rechtmäßigkeit der Schubhaft, verweigerte, belastete sie den bekämpften Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993180018.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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