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21/01 Handelsrecht;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 20. November 1992, Zl. UVS-07/01/00460/92, betreffend Zurückweisung einer Berufung gegen ein Straferkenntnis wegen Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 6./7. Bezirk vom 10. August 1992 wurde der Beschwerdeführer "als zur Vertretung nach außen berufenes Organ 1) der Fa. E GesmbH und 2) der Fa. E-Fabrik GesmbH, welche beide persönlich haftende Gesellschafter der Fa. E OHG sind," wegen der Übertretungen bestimmter Arbeitnehmerschutzvorschriften bestraft.
Gegen dieses Straferkenntnis wurde Berufung erhoben. Im Rubrum dieses unter Verwendung eines mit dem Namen des Beschwerdeführers bezeichneten Briefpapiers hergestellten Schriftsatzes heißt es:
"Beschuldigte: F.E. OHG, E Ges.m.b.H.,
E-Fabrik Ges.m.b.H.
vertreten durch: Herrn Direktor
H
W
wegen: §§ 31 (2) lit.p und 33 (7) und 22 (1)
lit. a Z. 10 ANSchG."
Die Berufung ist in "Wir-Form" stilisiert, enthält den Antrag, "den beeinspruchten Bescheid abzuändern und das Verfahren gegen uns einzustellen oder diesen Bescheid aufzuheben und das Verfahren zur Ergänzung und Entscheidung an die Erstbehörde zurückzuweisen", und wurde vom Beschwerdeführer unterfertigt. Auf dem Kuvert ist als Absender der Beschwerdeführer angeführt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 51 Abs. 1 VStG als unzulässig zurück. Nach der Begründung sei durch den "ausdrücklichen Wortlaut "Beschuldigte: F.E. OHG, E Ges.m.b.H., E-Fabrik Ges.m.b.H. vertreten durch Herrn Direktor H" zweifelsfrei klargestellt, daß die E OHG, die E Ges.m.b.H. sowie die E-Fabrik Ges.m.b.H. in der rechtsirrigen Ansicht, Beschuldigte und somit Partei im Sinne des § 32 VStG zu sein, die verfahrensgegenständliche Berufung als Rechtsmittelwerber erhoben haben."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde hat zwar zutreffend erkannt, daß eine Behörde dann, wenn nicht eindeutig klar ist, wem eine Prozeßhandlung zuzurechnen ist, verpflichtet ist, sich über diese Frage Klarheit zu verschaffen (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 1984, Slg. Nr. 11625/A); sie vertritt jedoch die Auffassung, daß ein solcher Zweifelsfall hier nicht vorliege.
Dem vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht beizutreten: So spricht insbesondere der Umstand, daß sich das erstinstanzliche Straferkenntnis gegen den Beschwerdeführer persönlich gerichtet hat, - wenngleich nicht zwingend - für die Annahme, der Beschwerdeführer habe die Berufung im eigenen Namen erhoben (vgl. das oben angeführte Vorerkenntnis). Diese Annahme kann durch den Wortlaut der Bezeichnung des Einschreiters im Rubrum des Schriftsatzes nicht gänzlich entkräftet werden. Dem von der belangten Behörde in der Gegenschrift vorgebrachten Argument, daß die Berufung insgesamt ihrem äußeren Tatbestand nach den üblicherweise von zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugten Personen eingebrachten Berufungen entspreche, ist zu entgegnen, daß es sich beim Beschwerdeführer eben nicht um einen berufsmäßigen Parteienvertreter handelt.
Bei der gegebenen Sachlage mußte die belangte Behörde somit zumindest Zweifel daran haben, wem die Berufung zuzurechnen ist. Da sie es unterlassen hat, sich Klarheit über die Person des Rechtsmittelwerbers zu verschaffen, hat sie Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.
Schlagworte
Handlungsfähigkeit Prozeßfähigkeit juristische Person Personengesellschaft des Handelsrechts Zivilrecht Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle WahrheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993180004.X00Im RIS seit
20.11.2000