TE Vwgh Erkenntnis 1993/5/11 92/08/0087

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Veröffentlicht am 11.05.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AVG §39a;
AVG §59 Abs1;
VwGG §42 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde der M in S, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in D, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des Landesarbeitsamtes Kärnten vom 20. Jänner 1992, Zl. IVa2 7022 B/Vers. Nr. 4585 240541, betreffend Rückforderung von Notstandshilfe gemäß § 25 AlVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 15. Oktober 1991 sprach das Arbeitsamt Spittal/Drau aus, daß gemäß § 38 in Verbindung mit § 24 Abs. 2 AlVG der Bezug der Notstandshilfe "für den nachstehend angeführten Zeitraum" widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt und gemäß § 38 in Verbindung mit § 25 Abs. 1 AlVG die Beschwerdeführerin zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe im Gesamtbetrag von S 57.071,-- verpflichtet werde. Sofern die Beschwerdeführerin im Leistungsbezug stehe, werde die "Rückforderung" von ihren Ansprüchen einbehalten. Stehe sie nicht im Leistungsbezug, sei die "Rückforderung" binnen 14 Tagen auf ein näher bezeichnetes Postscheckkonto des Landesinvalidenamtes für Kärnten einzuzahlen. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß die Beschwerdeführerin im Antrag auf Notstandshilfe vom 7. November 1990 den Bezug einer Witwenpension nicht angegeben und daher den im Spruch genannten Betrag für den Zeitraum vom 8. November 1990 bis 7. August 1991 zu Unrecht erhalten habe.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wandte die Beschwerdeführerin zu dem von ihr im Antrag auf Notstandshilfe vom 7. November 1990 (beim damals noch zuständigen Arbeitsamt Angestellte Wien) nicht angegebenen Bezug einer Witwenpension ein, es sei ihr zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht bekannt gewesen, daß eine Witwenpension zum eigenen Einkommen zähle, weil diese unter Punkt 8 des Antragsformulars nicht aufscheine. Weiters sei von ihr auf Seite 1 des Antrages unter Familienstand das Wort "verwitwet" angekreuzt worden. Sie sei jedoch vom Sachbearbeiter des Arbeitsamtes zwecks Bezuges einer Witwenpension weder gefragt noch seien von ihr diesbezügliche Dokumente verlangt worden, obwohl sie diese zum damaligen Zeitpunkt ebenso bei sich gehabt habe wie zum Zeitpunkt ihrer neuerlichen Antragstellung auf Notstandshilfe bei der erstinstanzlichen Behörde. Dort habe sie hingegen den Nachweis über ihre Witwenpension erbringen müssen. Weiters möchte sie mitteilen, daß ihre Muttersprache slowakisch sei, ihre Deutschkenntnisse gering seien und es ihr daher besondere Schwierigkeiten bereite, amtliche Formulare auszufüllen. Da sie von Wien nach Kärnten übersiedelt und daher für sie eine neue Hausstandsgründung notwendig geworden sei, sie weiters zur Zeit arbeitslos sei und auch nicht im Leistungsbezug stehe, sei sie leider nicht in der Lage, die geforderte Rückzahlung zu leisten.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. Ein Rückforderungstatbestand liege gemäß § 38 in Verbindung mit den §§ 24 Abs. 2 sowie 25 Abs. 1 AlVG für den im erstinstanzlichen Bescheid angeführten Zeitraum in der Höhe von S 57.071,-- vor. Zur Begründung wird ausgeführt, daß die von der Beschwerdeführerin bezogene Witwenpension zur Gänze auf die gewährte Notstandshilfe anzurechnen sei. Da die Witwenpension die Notstandshilfe bei weitem übersteige, bestehe kein Anspruch auf Notstandshilfe, weshalb die Zuerkennung dieser Leistung zu widerrufen gewesen sei. Ein Rückforderungstatbestand sei daher als gegeben anzusehen. Zum Berufungseinwand, die Deutschkenntnisse der Beschwerdeführerin seien gering und es bereite ihr daher besondere Schwierigkeiten, amtliche Formulare auszufüllen, vertrete die belangte Behörde die Meinung, daß es der Beschwerdeführerin als Bankangestellter bei der Österreichischen Länderbank von 1979 bis 1990 ohne weiteres möglich (gewesen) sei, den Sinn der Fragestellung im Antrag auf Notstandshilfe zu erfassen. Als Zahlungserleichterung könnten ihr von der belangten Behörde lediglich Ratenzahlungen angeboten werden, weil aufgrund der Gesetzeslage von der Rückforderung nicht Abstand genommen werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 24 Abs. 2 in Verbindung mit § 38 AlVG ist die Zuerkennung der Notstandshilfe zu widerrufen, wenn sie sich nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt. Nach § 25 Abs. 1 in Verbindung mit § 38 AlVG ist beim Widerruf der Empfänger der Notstandshilfe zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen mußte, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.

Gegen den Widerruf der Notstandshilfe wendet die Beschwerdeführerin ein, es sei im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides die Zeit, für welche die Leistung widerrufen worden sei, nicht angeführt worden. Auch sei nicht festgestellt worden, aufgrund welcher gesetzlichen Bestimmung die Witwenpension geleistet werde und "ob diese deshalb nicht, teilweise oder zur Gänze auf die Notstandshilfe anrechenbar ist", wobei in diesem Zusammenhang auf § 36 Abs. 3 lit. A AlVG und § 3 der Notstandshilfeverordnung (NHV) zu verweisen sei. Die Unterlassung der genannten Begründungselemente stellten wesentliche Verfahrensmängel dar.

Richtig ist, daß im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides nur vom "nachstehend angeführten Zeitraum", für den der Widerruf erfolge, die Rede ist, dieser Zeitraum hingegen selbst nicht im Spruch, sondern erst in der Begründung angegeben ist. Dies begründet aber keine Mangelhaftigkeit dieses durch den angefochtenen Bescheid bestätigten und damit als Inhalt des angefochtenen Bescheides übernommenen Teilsausspruches, weil zufolge Benennung des Widerrufszeitraumes in der Begründung kein Zweifel über den Inhalt des Spruches besteht.

Was den behaupteten Begründungsmangel hinsichtlich der Anrechnung oder Nichtanrechnung der Witwenpension auf die Notstandshilfe betrifft, ist zu bemerken, daß die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren (in ihrer niederschriftlichen Vernehmung vor der erstinstanzlichen Behörde vom 13. September 1991 und in der Berufung) nie bestritten hat, die ihr nach der Aktenlage von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter gewährte Witwenpension zu beziehen. Es bestand daher für die belangte Behörde - vor dem Hintergrund des § 5 in Verbindung mit § 3 NHV - keine verfahrensrechtliche Verpflichtung, sich mit der nach diesen Bestimmungen eindeutig im Sinne einer Anrechenbarkeit der Witwenpension auf die Notstandshilfe zu lösenden Frage auseinanderzusetzen. (§ 36 Abs. 3 lit. A AlVG war hiebei - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - nicht anzuwenden, weil darin lediglich Richtlinien für den Verordnungsgeber enthalten sind.)

Da die Beschwerdeführerin nicht in Abrede stellt, daß die von ihr im Widerrufszeitraum bezogene Witwenpension die gewährte Notstandshilfe überstiegen hat, entspricht der verfügte Widerruf der Notstandshilfe dem Gesetz.

    Bei der Prüfung der Frage, ob die Beschwerdeführerin zu

Recht zum Ersatz dieser objektiv unberechtigt empfangenen

Leistung verpflichtet wurde, ist die belangte Behörde vom

unbestrittenen Faktum ausgegangen, daß die Beschwerdeführerin

in dem von ihr eigenhändig gefertigten Antragsformblatt bei der

Frage 8 ("Ich habe ein eigenes Einkommen") das für die Antwort

"nein" geltende Kästchen angekreuzt hat. Sie ist aber nicht

davon ausgegangen, daß, wie die Beschwerdeführerin in der

Beschwerde vorbringt, von ihr "die entsprechenden Dokumente der

Leistungen von den Sozialversicherungsträgern dem Beamten des

Arbeitsamtes in Wien vorgelegt wurden", der sie ihr "nach

Einsicht ... (wieder) zurückstellte." Sie nahm auch nicht als

erwiesen an, daß "eigenes Einkommen ... sogar unter Vorlage der

Dokumente vom Beamten der Arbeitsmarktverwaltung in Wien beim

Arbetisamt als nicht gegeben angesehen" worden sei. Daß die

belangte Behörde derartige Feststellungen nicht getroffen hat,

begründet aber keinen Verfahrensmangel. Denn die

Beschwerdeführerin hat in ihrer Berufung - in Übereinstimmung

mit der schon genannten Erklärung in der niederschriftlichen

Vernehmung vor der erstinstanzlichen Behörde am

13. September 1991 - vorgebracht, daß sie "vom Sachbearbeiter

beim Arbeitsamt in Wien ... zwecks Bezuges einer Witwenpension

weder gefragt (wurde) noch ... von ihr diesbezügliche Dokumente

verlangt (wurden), obwohl ich diese zum damaligen Zeitpunkt ...

bei mir hatte."

Die objektiv unrichtige Verneinung der Frage nach einem eigenen Einkommen im Antragsformblatt, die den unberechtigten Bezug der Notstandshilfe herbeigeführt hat, begründete freilich für sich allein noch keine Rückersatzverpflichtung nach § 25 Abs. 1 in Verbindung mit § 38 AlVG. Schon die Verwendung der Begriffe "unwahr" (und nicht bloß "unrichtig") bzw.

"verschweigen" in § 25 Abs. 1 AlVG deutet nämlich auf eine

subjektive Komponente hin, das heißt, daß von jenem

Arbeitslosen nichts zurückgefordert werden kann, der zwar

objektiv falsche Angaben, jedoch in unverschuldeter Unkenntnis

vom wahren Sachverhalt gemacht hat (vgl. das Erkenntnis vom

30. März 1993, Zl. 92/08/0183). Daß die Beschwerdeführerin aber

in Unkenntnis des wahren Sachverhaltes, nämlich des Bezuges

einer Witwenpension, gewesen sei, hat sie nie behauptet. Sie

hat ihre objektiv unrichtige Angabe im Antragsformblatt

vielmehr in zweifacher Hinsicht begründet: Einerseits sei ihr

"zum Zeitpunkt der Antragstellung ... nicht bekannt (gewesen),

daß eine Witwenpension zum eigenen Einkommen zählt, da diese

unter Punkt 8 im Antragsformular nicht aufscheint";

andererseits seien ihre "Deutschkenntnisse gering" und es

bereite ihr "daher besondere Schwierigkeiten ... , amtliche

Formulare auszufüllen." Diesen beiden Motiven für die objektiv unrichtige Beantwortung der im Antragsformblatt gestellten Frage hat die belangte Behörde zu Recht keine die Beschwerdeführerin exkulpierende Bedeutung beigemessen.

Was zunächst die Behauptung mangelnder Deutschkenntnisse betrifft, ist der Begründung des angefochtenen Bescheides beizupflichten, wonach es der Beschwerdeführerin als einer über ein Jahrzehnt tätigen Bankangestellten "möglich" gewesen sein müsse (das heißt von ihr nach allgemeiner Lebenserfahrung die notwendigen Deutschkenntnisse hätten erwartet werden müssen), den Sinn der in Punkt 8 des Antragsformulares gestellten einfachen Frage, ob sie ein eigenes Einkommen habe, zu erfassen (vgl. dazu das Erkenntnis vom 15. Jänner 1987, Zl. 86/08/0006).

Aber auch die behauptete rechtsirrige Auffassung, eine Witwenpension stelle kein eigenes Einkommen des Arbeitslosen dar, vermochte die Beschwerdeführerin nicht zu exkulpieren. Denn gerade die ganz allgemein gehaltene Frage nach einem "eigenem Einkommen" im Antragsformblatt im Zusammenhang mit beispielsweise aufgezählten Arten des Einkommens (z. B. Alterspension, Invaliditätspension, Rente aus der Kriegsopferversorgung oder aus der Opferfürsorge, Unterhaltsleistung, Alimente, Erziehungsbeitrag, Unfallrente, Einkommen aus Vermietung oder Hausbesorgertätigkeit u.ä.) hätte die Beschwerdeführerin - ungeachtet des behaupteten Rechtsirrtums - veranlassen müssen, entsprechend dem Zweck der Angaben im Antragsformblatt, die Behörde in die Lage zu versetzen, ihrerseits zu beurteilen, ob ein Anspruch besteht (vgl. dazu unter anderem die Erkenntnisse vom 21. November 1989, Zl. 88/08/0287, vom 12. Dezember 1989, Zl. 88/08/0285, und vom 16. Oktober 1990, Zl. 89/08/0286), durch die Anführung des Wortes "Witwenpenion" die Entscheidung dieser Rechtsfrage der Behörde selbst zu überlassen (vgl. dazu das Erkenntnis vom 19. Februar 1987, Zl. 85/08/0186).

Der Verpflichtung zum Rückersatz stand - entgegen dem Beschwerdevorbringen - auch nicht entgegen, daß die Beschwerdeführerin ihrer Behauptung nach die Notstandshilfe, der Unterhaltscharakter zukomme, in der Zwischenzeit verbraucht habe. Denn der Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG differenziert, anders als dies bei Leistungen mit Unterhaltscharakter im Zivilrecht der Fall ist, nicht danach, ob ein gutgläubiger Verbrauch der nichtgebührenden Geldleistung erfolgt ist, sondern nur danach, ob die Leistung gutgläubig empfangen wurde; ein solcher gutgläubiger Empfang ist aber dann nicht anzunehmen, wenn einer der in § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG angeführten Rückforderungstatbestände gegeben ist (vgl. das schon zitierte Erkenntnis vom 30. März 1993, Zl. 92/08/0183).

Sofern die Beschwerdeführerin schließlich eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin erblickt, daß in dem mit diesem Bescheid bestätigten erstinstanzlichen Bescheid die Rückzahlungsverpflichtung an das Landesinvalidenamt für Kärnten ausgesprochen worden sei, von dem sie keine Leistung erhalten habe, so kommt diesem Einwand schon deshalb keine Bedeutung zu, weil nicht erkennbar ist, inwiefern die Beschwerdeführerin durch die Benennung eines nicht auf die erstinstanzliche oder belangte Behörde lautenden Kontos, auf das sie mit zweifelsfrei schuldbefreiender Wirkung den ihr vorgeschriebenen Rückzahlungsbetrag zu leisten habe, in ihren Rechten verletzt sein kann.

Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992080087.X00

Im RIS seit

25.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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