TE Vwgh Erkenntnis 1993/5/11 90/08/0095

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Veröffentlicht am 11.05.1993
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §3 Abs1;
ASVG §3 Abs2 litd;
ASVG §3 Abs3;
ASVG §30 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde der Wiener Gebietskrankenkasse in Wien, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 5. April 1990, Zl. 121.079/8-7/1989, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1.) B, W; 2.) F, W; 3.) PVAng, zu Recht erkannt:

Spruch

1.) Die Beschwerde wird insoweit, als sie sich gegen die Versicherungspflicht der Erstmitbeteiligten in der Zeit vom 6. Juni 1988 bis 9. Juli 1989 richtet, gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückgewiesen.

2.) Soweit sich die Beschwerde gegen die Verneinung der Versicherungspflicht der Erstmitbeteiligten für die Zeit vom 5. Februar bis 5. Juni 1988 richtet, wird sie ebenfalls gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückgewiesen.

3.) Soweit die Beschwerde die Versicherungspflicht der Erstmitbeteiligten in der Zeit vom 9. Dezember 1987 bis 4. Februar 1988 bekämpft, wird sie als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der als "Gegenschrift" bezeichnete Schriftsatz der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Datum vom 11. Dezember 1987 wurde für die Erstmitbeteiligte durch eine Steuerberatungskanzlei eine Anmeldung bei der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse als Verkäuferin in der Buchhandlung des Zweitmitbeteiligten ab 9. Dezember 1987 erstattet.

Am 10. Dezember 1987 erlitt die Erstmitbeteiligte bei Filmarbeiten in Mexiko einen Unfall.

In einer Niederschrift vom 30. Mai 1988 gab der Zweitmitbeteiligte vor der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse im wesentlichen an, daß mit der Erstmitbeteiligten bereits einmal ein Dienstverhältnis bestanden habe, das jedoch am 26. September 1987 wegen rückläufigen Geschäftsganges gelöst worden sei. Der Zweitmitbeteiligte habe sich im Dezember 1987 auf einer Geschäftsreise in Mexiko befunden, um Einkäufe für seinen Betrieb zu tätigen. Er habe dabei auch historische Kultstätten gefilmt, um die Filmarbeiten in seinem Betrieb, einem Esoterikzentrum, zu verkaufen. Da er im Zuge der Filmarbeiten erkannt habe, daß er damit alleine nicht zurechtkomme, habe er seine Angestellte U angerufen und sie ersucht, die Erstmitbeteiligte zu fragen, ob sie ihm bei den Film- und Fotoarbeiten in Mexiko helfen könne. Nachdem die Erstmitbeteiligte zugesagt habe, sei durch Frau U auch eine entsprechende Anmeldung bei der Gebietskrankenkasse veranlaßt worden. Die Erstmitbeteiligte sei am 6. oder 7. Dezember 1987 nach Mexiko abgereist und dort am 8. Dezember 1987 angekommen. Ihren Dienst habe sie dann am 9. Dezember 1987 angetreten. Vor dem 9. Dezember 1987 habe die Erstmitbeteiligte nicht gearbeitet. Über die Höhe des Entgeltes sei nicht gesprochen worden, die Erstmitbeteiligte habe jedoch den gleichen Gehalt wie in ihrem ursprünglichen Beschäftigungsverhältnis in der Höhe von S 5.000,-- erhalten.

Die Erstmitbeteiligte gab in einer Niederschrift vor der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse am 7. Juni 1988 an, sie sei ein paar Tage vor dem 7. Dezember 1987 von Frau U gefragt worden, ob sie nach Mexiko reisen könne, um für den Zweitmitbeteiligten Fotoaufnahmen zu machen. Sie habe zugesagt und sei am 7. Dezember 1987 von Schwechat abgeflogen. Am 8. Dezember 1987 sei sie in Mexiko angekommen und vom Zweitmitbeteiligten zu diversen Kultstätten gebracht worden. Sie sei ausschließlich für Foto- und Filmaufnahmen in Mexiko aufgenommen worden. Ihre Tätigkeit habe sie am 9. Dezember 1987 angetreten. In Österreich selbst habe sie keine Tätigkeit ausgeübt. Am 10. Dezember 1987 sei sie dann beim Filmen ausgerutscht und gestürzt. Aufgrund ihres Unfalls sei sie bis 6. Juni 1988 arbeitsunfähig gewesen. Seit 7. Juni 1988 arbeite sie im Betrieb des Zweitmitbeteiligten als Verkäuferin. Über die Höhe des Lohnes sei bei der Aufnahme der Beschäftigung nicht gesprochen worden; sie habe jedoch ihr Gehalt Ende Dezember 1987 auf ihr Konto angewiesen erhalten.

Mit Bescheid vom 22. Juli 1988 sprach die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse aus, daß die Erstmitbeteiligte aufgrund ihrer Tätigkeit für den Zweitmitbeteiligten ab 9. Dezember 1987 gemäß §§ 1 und 3 Abs. 3 ASVG nicht der Versicherungspflicht unterliege; die am 15. Dezember 1987 für die Erstmitbeteiligte erstattete Anmeldung ab 9. Dezember 1987 werde abgelehnt. Nach der Begründung hätten die Erst- und der Zweitmitbeteiligte übereinstimmend angegeben, daß die Erstmitbeteiligte ihre Tätigkeit ausschließlich für die Zeit während des Auslandsaufenthaltes habe ausüben sollen. Die Erstmitbeteiligte sei nur für eine befristete Arbeitsleistung im Ausland aufgenommen worden.

Die Erst- und der Zweitmitbeteiligte erhoben in einem gemeinsamen Schriftsatz Einspruch, worin sie im wesentlichen betonten, die Erstmitbeteiligte sei sowohl als Verkäuferin im Geschäft des Zweitmitbeteiligten als auch für Aufgaben des Einkaufs und Aushilfe bei Foto- und Filmherstellung in Mexiko ohne zeitliche Begrenzung aufgenommen worden. Es sei bereits vor der Auslandsreise im Inland ein nichtbefristetes Dienstverhältnis begründet worden. Als wichtiges Indiz dafür sei darauf hingewiesen worden, daß die Erstmitbeteiligte nach ihrer Genesung nach wie vor im Unternehmen des Zweitmitbeteiligten angestellt sei. Wenn in den Niederschriften vor der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse davon die Rede sei, daß die Erstmitbeteiligte ausschließlich für die Zeit während ihres Auslandsaufenthaltes angestellt worden sei, so entspreche dies nicht den Tatsachen. Der Begriff "ausschließlich" beziehe sich einzig und alleine auf die Tätigkeit der Foto- und Filmarbeiten. Wenn ferner davon die Rede sei, daß die Erstmitbeteiligte vor dem 9. Dezember 1987 keine Arbeitsleistung erbracht habe, so beziehe sich diese Aussage nur auf die Reise und die Reisevorbereitungen. Die Erstmitbeteiligte habe allerdings vor ihrer Ankunft in Mexiko bereits in Österreich gewisse Arbeiten bzw. innerbetriebliche Reisevorbereitungsmaßnahmen getroffen. So habe die Erstmitbeteiligte etwa am 4. oder 5. Dezember 1987 eine Kundin bedient, während Frau U auf der Toilette gewesen sei.

Der Landeshauptmann von Wien führte ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durch, in dessen Rahmen der Zweitmitbeteiligte am 22. Dezember 1988 niederschriftlich erklärte, daß die Erstmitbeteiligte seit ca. 2 Jahren seine Lebensgefährtin sei. Das erste Beschäftigungsverhältnis mit ihr sei wegen rückläufigen Geschäftsganges beendet worden. Die Erstmitbeteiligte leide im übrigen seit ca. 3 Jahren an paranoider Psychose, weshalb sie nur sehr schwer in der Lage sei, Tätigkeiten auszuführen. Ursprünglich habe der Zweitmitbeteiligte Frau U nach Mexiko holen wollen. Er habe jedoch der Erstmitbeteiligten die Führung des Geschäftes nicht anvertrauen wollen, da sie infolge ihres gesundheitlichen Zustandes dazu seiner Ansicht nach nicht in der Lage gewesen wäre. Die Entscheidung, die Erstmitbeteiligte nach Mexiko zu holen, sei letztlich auch deshalb getroffen worden, weil diese 5 Jahre lang einen Freund gehabt habe, der ein Fotostudio besessen hätte.

Mit Bescheid vom 23. Dezember 1988 gab der Landeshauptmann von Wien dem Einspruch Folge und stellte in Abänderung des Bescheides der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse fest, daß die Erstmitbeteiligte zum Zweitmitbeteiligten ab 7. Dezember 1987 in einem die Vollversicherung- (Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung) und Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a des Arbeitslosenversicherungsgesetzes begründenden Beschäftigungsverhältnis stehe.

Nach der Begründung ergebe sich aufgrund des festgestellten Sachverhaltes, daß die Erstmitbeteiligte offensichtlich nicht nur für eine Tätigkeit im Ausland verpflichtet worden sei. Infolge der Beschaffenheit ihres Beschäftigungsverhältnisses (Weisungsgebundenheit, Kontrolle sowie mangelnde Vertretungsbefugnis) unterliege sie der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht. Die kurzfristige Aushilfstätigkeit der Erstmitbeteiligten am

4. bzw. 5. Dezember 1987, welche ohne Wissen des Dienstgebers erfolgt sei, könne kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründen. Nach Auffassung des Landeshauptmannes sei vielmehr der Tag der Abreise nach Mexiko am 7. Dezember 1987 als Beginn der Versicherungspflicht anzusehen, da mit diesem Zeitpunkt die Aufnahme der Tätigkeit erfolgt sei.

Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse erhob Berufung, wobei sie im wesentlichen darauf hinwies, daß der Zweitmitbeteiligte die Kosten der Reise nach Mexiko aus seinem Privatvermögen bezahlt habe. Es fehlten jegliche Angaben über Spesen und Diäten, welche aufgrund einer Dienstreise anfallen müßten. Die Anmeldung für die Erstmitbeteiligte sei offensichtlich erst erfolgt, nachdem der Unfall in Mexiko passiert sei. Es bestehe der Eindruck, daß der Zweitmitbeteiligte die auflaufenden Kosten bezüglich des Unfalles seiner Lebensgefährtin durch die Anmeldung zur Sozialversicherung abzudecken beabsichtige. Wenn es der schlechte Geschäftsgang nicht erlaubt habe, die Erstmitbeteiligte für ein Gehalt in der Höhe von monatlich S 5.000,-- brutto zu beschäftigen, sei es verwunderlich, daß eine wesentlich kostenaufwendigere Geschäftsreise möglich gewesen sei. Die Erstmitbeteiligte sei für eine Tätigkeit im Ausland nach bereits erfolgtem Unfall zur Sozialversicherung angemeldet worden. Eine Entsendung sei nur aufgrund einer bestehenden Beschäftigung im Inland möglich. Da der Zweitmitbeteiligte die Erstmitbeteiligte für Foto- und Filmaushilfsarbeiten in Mexiko angestellt habe, sei dies nicht als eine Entsendung gemäß § 3 ASVG zu werten. Die für die Erstmitbeteiligte neuerlich erstattete Anmeldung ab 1. Juni 1988 als Verkäuferin sei ab 6. Juni 1988 zur Kenntnis genommen worden, da die Erstmitbeteiligte bis 5. Juni 1988 arbeitsunfähig gewesen sei.

Vor der belangten Behörde vernommen, erklärte die Angestellte des Zweitmitbeteiligten, U, am 5. Juli 1989, daß zunächst sie nach Mexiko hätte fliegen sollen, um dort bei Filmaufnahmen zu helfen. Der Zweitmitbeteiligte habe sich dann jedoch entschlossen, die Erstmitbeteiligte nachzuholen, da diese bereits Erfahrungen bei Filmarbeiten gehabt habe und sie (Zeugin) besser in der Lage gewesen sei, in der Zwischenzeit das Geschäft weiterzuführen. Sie habe vom Zweitmitbeteiligten den Auftrag erhalten, die Erstmitbeteiligte unmittelbar nach ihrer Abreise zur Sozialversicherung anzumelden. Aufgrund des starken Arbeitsanfalles sei dies jedoch nicht möglich gewesen, außerdem habe sie zunächst auch keine Formulare gefunden. Deshalb sei schließlich die Anmeldung von der Steuerberatungskanzlei durchgeführt worden. Nach ihrer Erinnerung müßte die Anmeldung aber jedenfalls vor dem Unfall der Erstmitbeteiligten in Mexiko erfolgt sein. Über die näheren Vereinbarungen im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis zwischen der Erstmitbeteiligten und dem Zweitmitbeteiligten wisse sie nicht Bescheid. Soweit ihr bekannt, hätte die Erstmitbeteiligte ab dem Zeitpunkt der Abreise nach Mexiko angestellt sein sollen. Über die Höhe des vereinbarten Entgeltes sei sie nicht informiert. Sie sei von der Erstmitbeteiligten vor deren Abreise ein- oder zweimal im Geschäft besucht worden, wobei diese etwa auf das Telefon aufgepaßt habe. Die Erstmitbeteiligte sei aber damals nicht Angestellte im Geschäft gewesen. Es sei zu keiner Aushilfe gekommen, die über kleine Gefälligkeiten hinausgegangen sei, sodaß sich die Frage nach einer Bezahlung nicht gestellt habe. Nach ihrer Rückkehr nach Österreich sei die Erstmitbeteiligte sofort ins Spital gebracht worden. Nach ihrer Genesung sei sie wieder ins Geschäft gekommen.

Der Zweitmitbeteiligte gab am 2. Oktober 1989 vor der belangten Behörde im wesentlichen an, mit der Erstmitbeteiligten die Höhe des Entgeltes nicht ausdrücklich besprochen zu haben. Beide seien jedoch davon ausgegangen, daß das Entgelt ungefähr so hoch sein werde, wie bei der vorangegangenen Beschäftigung. Für die Spesen in Mexiko sei er aufgekommen. Ob sich der Unfall der Erstmitbeteiligten vor oder nach der Anmeldung bei der Gebietskrankenkasse ereignet habe, könne er nicht sagen. Er habe seiner Sekretärin jedenfalls einige Tage vor dem Unfall telefonisch den Auftrag zur Anmeldung erteilt. Die Erstmitbeteiligte sei bei ihrer Tätigkeit in Mexiko nicht an eine im vorhinein festgesetzte Arbeitszeit gebunden gewesen. Sie seien beide jedoch fast ständig mit dem Filmen von Kultstätten und Einkäufen beschäftigt gewesen. Er habe der Erstmitbeteiligten nicht ausdrückliche Weisungen erteilt, sondern es habe zwischen ihnen ein stillschweigendes Übereinkommen bestanden. Er habe aber letztlich bestimmt, welche Tätigkeiten vorzunehmen gewesen seien. Die Kosten der Reise seien voll in seine Buchhaltung aufgenommen worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse teilweise Folge gegeben und in Abänderung des Bescheides des Landeshauptmannes festgestellt, daß die Erstmitbeteiligte aufgrund ihrer Beschäftigung beim Zweitmitbeteiligten vom 9. Dezember 1987 bis 4. Februar 1988 und vom 6. Juni 1988 bis 9. Juli 1989 der Vollversicherung nach § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG unterliege. Eine Versicherungspflicht für die Zeit vom 5. Februar bis 5. Juni 1988 wurde jedoch abgelehnt.

Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensgeschehens und der zur Anwendung gebrachten gesetzlichen Bestimmungen vertrat die belangte Behörde im wesentlichen die Auffassung, daß die Erstmitbeteiligte ab 9. Dezember 1987 in Mexiko als Angestellte bei den Filmarbeiten und Einkäufen für das Unternehmen des Zweitmitbeteiligten in einer sich nach den jeweiligen Erfordernissen richtenden Arbeitszeit und unter einer weitgehend als stille Autorität wirkenden Weisungsbefugnis des Zweitmitbeteiligten mitgewirkt habe. Angesichts des vorangehenden Beschäftigungsverhältnisses könne das Vorbringen, daß stillschweigend ein Entgelt von monatlich S 5.000,-- vereinbart gewesen sei, als erwiesen angenommen werden. Der Umstand, daß die Anmeldung zur Sozialversicherung erst am 11. Dezember 1987, somit einen Tag nach dem Unfall, erfolgt sei, biete aufgrund der Angaben der Zeugin U keinen Anhaltspunkt dafür, daß erst der Unfall die Absicht zur Anmeldung ausgelöst habe. Da sich der Zweitmitbeteiligte aus überzeugenden geschäftlichen Gründen für die Erstmitbeteiligte entschieden habe, begründe auch das angebliche Bestehen einer Lebensgemeinschaft zwischen diesen Personen nicht den Verdacht, ein Beschäftigungsverhältnis sei in Wahrheit gar nicht beabsichtigt gewesen. Angesichts der finanziellen Schwierigkeiten und der geringen Größe des Betriebs des Zweitmitbeteiligten könne auch nicht aus dem Umstand, daß die Reisekosten erst später in die Buchhaltung des Unternehmens aufgenommen worden seien, geschlossen werden, daß die Reise nicht geschäftlichen Zwecken gedient habe. Es lägen im übrigen keine Beweisergebnisse vor, die der Glaubwürdigkeit der Erst- und des Zweitmitbeteiligten entgegenstünden. Zum Einwand, daß eine Entsendung nach § 3 Abs. 2 lit. d ASVG den Beginn einer Beschäftigung im Inland voraussetze, sei zu bemerken, daß die belangte Behörde dieser Bestimmung eine derartige Voraussetzung nicht entnehmen könne. Da der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach Ablauf von 8 Wochen ab dem Unfall, somit am 5. Februar 1988, auf den halben Betrag gesunken und deshalb unter der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG gelegen sei, unterliege die Erstmitbeteiligte von diesem Zeitpunkt bis zum Ende ihrer Arbeitsunfähigkeit am 5. Juni 1988 nach § 5 Abs. 1 Z. 2 ASVG nicht der Pflichtversicherung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde, die von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand nahm, hat die Verwaltungsakten vorgelegt. Von den mitbeteiligten Parteien wurde keine Gegenschrift erstattet.

Von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt wurde ein als "Gegenschrift" bezeichneter Schriftsatz vorgelegt, in dem sich diese aufgrund der Sach- und Rechtslage der von der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse vertretenen Rechtsansicht vollinhaltlich anschließt.

Als mitbeteiligte Partei im Sinne des § 21 Abs. 1 VwGG kann jedoch nur eine solche Person angesehen werden, die schon Rechte erlangt hat, welche durch die Aufhebung des Bescheides verletzt werden könnten. Wer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt, kann nicht Mitbeteiligter im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sein (vgl. z. B. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, wiedergegebene Rechtsprechung zu § 21 VwGG). Die Gegenschrift der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt war daher zurückzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bekämpft - undifferenziert - den gesamten Bescheid der belangten Behörde. Dabei übersieht die Beschwerdeführerin jedoch, daß sie in ihrer Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes die für die Erstmitbeteiligte ab 6. Juni 1988 erstattete Anmeldung "zur Kenntnis genommen" hat. Der Bescheid des Landeshauptmannes ist daher insofern in Rechtskraft erwachsen. Soweit sich die Beschwerde gegen die Versicherungspflicht der Erstmitbeteiligten ab 6. Juni 1988 richtet, war sie daher in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

2.1. Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid

"insofern in ihrem Recht verletzt, als ihr hiedurch das Recht aberkannt wird, die Anmeldung der (Erstmitbeteiligten) zur Sozialversicherung abzulehnen und diese in die Vollversicherung nach dem ASVG einbezogen wird und hiedurch in den Genuß der Rechte, welche das ASVG im Bereich der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung bzw. des AlVG im Bereiche der Arbeitslosenversicherung vorsieht, kommt, ohne tatsächlich dem Versichertenkreis anzugehören. Bei richtiger Anwendung der Bestimmungen der §§ 1 und 3 Abs. 3 ASVG hätte die belangte Behörde zum Ergebnis kommen müssen, daß (die Erstmitbeteiligte) nicht der Versicherungspflicht nach obigen Bestimmungen unterliegt. Wenn man aber nun davon ausgeht, daß - entgegen der Auffassung der (Beschwerdeführerin) - tatsächlich ab 9. Dezember 1987 eine Versicherungspflicht bestanden haben sollte, erweist sich der in Beschwerde gezogene Bescheid ebenfalls als rechtswidrig; dies deswegen, weil das Ende der Versicherungspflicht mit 4. Februar 1988 und nicht mit dem Ende des Beitragszeitraumes (= 28. Februar 1988) festgestellt wurde und weil weiters für die Zeit vom 4. Februar bis 5. Juni 1988 eine Ausnahme von der Pflichtversicherung festgestellt wurde, weil das Vorliegen einer geringfügigen Beschäftigung angenommen wurde. In diesen beiden Fällen erachtet sich die (Beschwerdeführerin) insofern in ihren Rechten verletzt, als zu Unrecht ein Nichtvorliegen der Vollversicherung für die Zeit vom 5. Februar 1988 bis 5. Juni 1988 in eventu bis 28. Februar 1988 festgestellt wurde und hiemit der Kasse das Recht genommen wurde, für diese Zeiten die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge vorzuschreiben und einzuheben."

Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bringt die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse in diesem Zusammenhang vor, als Ende der Pflichtversicherung hätte gemäß § 11 Abs. 4 ASVG nicht der 5. Februar 1988, sondern der 28. Februar 1988 festgestellt werden müssen. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin sei analog zur Bestimmung des § 5 Abs. 2 letzter Absatz, erster Satz ASVG eine Beschäftigung auch dann nicht als geringfügig anzusehen, wenn 50 % des Entgeltes im Falle der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit unter die Geringfügigkeitsgrenze falle. Danach hätte auch die Versicherungspflicht der Erstmitbeteiligten für die Zeit vom 5. Februar bis 5. Juni 1988 bejaht werden müssen.

2.2. Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG hat die Beschwerde die bestimmte Bezeichnung des Rechtes, in dem der Beschwerdeführer verletzt zu sein behauptet (Beschwerdepunkte), zu enthalten. Die Bezeichnung des Beschwerdepunktes (der Beschwerdepunkte) ist nicht Selbstzweck, sondern vielmehr unter dem Gesichtspunkt von rechtlicher Bedeutung, daß es dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 VwGG nicht zu prüfen obliegt, ob irgendein subjektives Recht des Beschwerdeführers, sondern nur, ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung er behauptet. Durch den Beschwerdepunkt wird somit der Prozeßgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides gebunden ist (vgl. z. B. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Dezember 1984, VwSlg. 11.525/A).

Nach dem ausdrücklichen und unmißverständlich bezeichneten, oben wiedergegebenen Beschwerdepunkt, der deshalb einer hievon abweichenden Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Beschwerde nicht zugänglich ist (vgl. das Erkenntnis vom 16. Jänner 1984, VwSlg. 11.283/A) erachtet sich die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse durch den angefochtenen Bescheid insofern in ihrem Recht verletzt, "als ihr hiedurch das Recht aberkannt wird, die Anmeldung der (Erstmitbeteiligten) zur Sozialversicherung abzulehnen und diese in die Vollversicherung nach dem ASVG einbezogen wird ... ".

In diesem Recht kann die Beschwerdeführerin aber nur durch den Ausspruch des angefochtenen Bescheides verletzt werden, daß die Erstmitbeteiligte vom 9. Dezember 1987 bis 4. Februar 1988 und vom 6. Juni 1988 bis 9. Juli 1989 der Vollversicherungspflicht nach dem ASVG unterliegt. Durch eine allfällige Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wegen einer zu frühen Festsetzung des Endes der Pflichtversicherung (nur bis 4. und nicht bis 28. Februar 1988) bzw. einer Verneinung der Pflichtversicherung für die Zeit vom 5. Februar bis 5. Juni 1988 kann die Beschwerdeführerin aber im bezeichneten Beschwerdepunkt deshalb nicht verletzt sein, da die Versicherungspflicht der Erstmitbeteiligten in den genannten Zeiten ohnedies verneint worden ist.

Soweit sich die Beschwerde gegen die Verneinung der Versicherungspflicht der Erstmitbeteiligten nach dem 4. Februar 1988 und der Zeit zwischen 5. Februar und dem 5. Juni 1988 richtet, war sie mangels Rechtsverletzungsmöglichkeit im Beschwerdepunkt gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in einem ebenfalls nach § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

3. In Ausführung des Beschwerdepunktes vertritt die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse die Auffassung, eine Entsendung nach § 3 Abs. 2 lit. d ASVG setze den Beginn einer Beschäftigung im Inland voraus.

Nach § 1 ASVG regelt dieses Bundesgesetz die allgemeine Sozialversicherung im Inland beschäftigter Personen. Gemäß § 3 Abs. 1 ASVG in der Fassung BGBl. Nr. 704/1976 gelten als im Inland beschäftigt unselbständig Erwerbstätige, deren Beschäftigungsort (§ 30 Abs. 2) im Inland gelegen ist.

§ 3 Abs. 2 und 3 ASVG in der Fassung BGBl. Nr. 13/1962 lautet auszugsweise:

"(2) Als im Inland beschäftigt gelten auch

a) ...

...

d) Dienstnehmer, deren Dienstgeber den Sitz in Österreich haben und die ins Ausland entsendet werden, sofern ihre Beschäftigung im Ausland die Dauer von zwei Jahren nicht übersteigt; das Bundesministerium für soziale Verwaltung kann, wenn die Art der Beschäftigung es begründet, diese Frist entsprechend verlängern;

...

(3) Als im Inland beschäftigt gelten unbeschadet und unvorgreiflich einer anderen zwischenstaatlichen Regelung insbesondere nicht die Dienstnehmer inländischer Betriebe für die Zeit ihrer dauernden Beschäftigung im Ausland, ..."

§ 30 Abs. 2 ASVG bestimmt:

"(2) Beschäftigungsort ist der Ort, an dem die Beschäftigung ausgeübt wird. ..."

Nach § 10 Abs. 1 ASVG beginnt die Pflichtversicherung der Dienstnehmer - unabhängig von der Erstattung einer Anmeldung - mit dem Tag des Beginnes der Beschäftigung.

Die §§ 1, 3 Abs. 1 und 3 Abs. 3 erster Satz 1. Fall ASVG normieren für die Anwendbarkeit des ASVG grundsätzlich das Territorialitätsprinzip, wobei an den Ort der Beschäftigung im Inland angeknüpft wird. Dabei verweist § 3 Abs. 1 ASVG zunächst auf § 30 Abs. 2 leg. cit., der eine nähere Bestimmung des Begriffes des Beschäftigungsortes enthält. § 3 Abs. 2 ASVG sieht sodann Ausnahmen vom Territorialitätsgrundsatz vor und regelt eine Reihe von Tatbeständen, denen zufolge Dienstnehmer auch dann, wenn die Voraussetzungen nach § 3 Abs. 1 ASVG nicht erfüllt sind, als im Inland beschäftigt gelten; hiezu zählen gemäß § 3 Abs. 2 lit. d ASVG die ins Ausland entsendeten Dienstnehmer bis zur Dauer von 2 Jahren. In § 3 Abs. 3 erster Satz 1. Fall ASVG wird sodann korrespondierend zu dieser zuletzt genannten Ausnahmebestimmung klargestellt, daß insbesondere Dienstnehmer inländischer Betriebe für die Zeit ihrer dauernden Beschäftigung im Ausland nicht als im Inland beschäftigt gelten, dies ungeachtet und unvorgreiflich einer anderen zwischenstaatlichen Regelung (vgl. das Erkenntnis vom 17. Dezember 1991, Zl. 86/08/0139).

Zwischen Mexiko und der Republik Österreich besteht keine solche Regelung, weshalb von der uneingeschränkten Geltung der zitierten Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes auszugehen ist.

Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides ist die belangte Behörde offensichtlich vom Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses iS des § 4 Abs. 2 ASVG zwischen der Erst- und dem Zweitmitbeteiligten ausgegangen, in dessen Rahmen eine Entsendung der Erstmitbeteiligten nach § 3 Abs. 2 lit. d ASVG erfolgt ist. Der Bestand eines solchen Beschäftigungsverhältnisses wird von der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse nicht in Zweifel gezogen. Strittig ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens lediglich, ob (wie die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse meint) ein Dienstnehmer unmittelbar vor seiner Entsendung ins Ausland im Inland beschäftigt gewesen sein muß oder (wie die belangte Behörde meint) dies nicht erforderlich ist. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes erweist sich dabei die Rechtsmeinung der belangten Behörde als zutreffend:

Eine Entsendung nach § 3 Abs. 2 lit. d ASVG erfordert nur, daß ein Dienstnehmer vom Dienstgeber zur Erbringung einer bestimmten und gelegentlichen Arbeit ins Ausland entsendet wird. Die voraussichtliche Dauer der Entsendung darf dabei grundsätzlich die Dauer von 2 Jahren nicht übersteigen. Daß der Dienstnehmer unmittelbar vor der Entsendung im Inland beschäftigt gewesen sein muß, ist der genannten Bestimmung - wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat - nicht zu entnehmen. Wesentlich ist vielmehr, daß das Schwergewicht der Beschäftigung im Gebiet des Entsendestaates liegen muß und die Zeit der Beschäftigung im Ausland nicht dauernd (vgl. § 30 Abs. 3 leg. cit.), sondern nur vorübergehend sein darf. Nicht wesentlich ist, ob ein Dienstverhältnis, das an sich seinen Schwerpunkt im Inland hat, bereits mit der Entsendung beginnt oder die Entsendung erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt.

Die genannten Voraussetzungen treffen im Beschwerdefall zu, da die Erstmitbeteiligte für die Tätigkeit des Filmens, die für den im Inland befindlichen Betrieb erfolgte, aufgenommen worden ist, und nach den Feststellungen der belangten Behörde die Aufnahme dieser Tätigkeit bereits in der Absicht erfolgt ist, diese Beschäftigung im Inland fortzusetzen. Ob die Tätigkeit der Erstmitbeteiligten dabei im Zeitpunkt ihrer Abreise von Österreich (am 7. Dezember 1987) oder erst im Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme im Ausland (am 9. Dezember 1987) im Sinne des § 10 Abs. 1 ASVG aufgenommen worden ist, kann im Hinblick auf den oben wiedergegebenen Beschwerdepunkt dahinstehen.

Aufgrund dieser Erwägungen erweist sich die Beschwerde insofern, als sie sich gegen die Versicherungspflicht der Erstmitbeteiligten in der Zeit vom 9. Dezember 1987 bis 4. Februar 1988 richtet, als unbegründet; sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

4. Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1990080095.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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