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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §140;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder sowie die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Dr. Baumann und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des A in B, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg, Berufungssenat, vom 18. März 1991, 110-2/91, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1988, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von 10.500 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer erzielt als Transportunternehmer Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Seine am 3. Mai 1972 geborene Tochter C (in der Folge: Tochter) besuchte von September 1986 bis Juli 1990 die Schihandelsschule in Stams. Für den Besuch dieser Schule und die damit verbundene Unterbringung in dem der Schule angeschlossenen Internat machte der Beschwerdeführer im Streitjahr, in dem ihm der Alleinverdienerabsetzbetrag zustand, Aufwendungen von 39.000 S als außergewöhnliche Belastung geltend.
Strittig ist, ob diese Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 EStG 1972 anzuerkennen sind, weil eine tägliche Rückkehr der Tochter von Stams zu ihrem Wohnort unbestrittenermaßen nicht möglich war, der Besuch einer Handelsschule am Wohnort bzw in dessen Nähe hingegen die sportliche Ausbildung nicht ermöglicht hätte (Ansicht des Beschwerdeführers) oder nicht, weil die Finanzierung dieser Ausbildung über die Unterhaltspflicht des Beschwerdeführers hinausgegangen sei (Ansicht der belangten Behörde).
Gegen den im Spruch dieses Erkenntnisses genannten Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 34 EStG 1972 mindern außergewöhnliche Belastungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen, auf Antrag die Einkommensteuerbemessungsgrundlage.
Unbestritten ist, daß die dem Beschwerdeführer im Streitjahr erwachsenen Aufwendungen außergewöhnlich im Sinn der genannten Bestimmung waren. Strittig ist hingegen, ob sie auch zwangsläufig waren.
Zwangsläufig entsteht eine Belastung dann, wenn der Steuerpflichtige sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (Abs 3 leg cit).
Der Beschwerdeführer meint, er sei aus rechtlichen Gründen verpflichtet gewesen, seiner Tochter, die nunmehr Schirennläuferin sei, den Besuch der Schihandelsschule zu ermöglichen. In die Schihandelsschule in Stams würden nur Jugendläufer aufgenommen, die die Aufnahmeprüfung sowohl in schifahrerischer, als auch in schulischer Hinsicht bestünden. Die Schule ermögliche den Jugendlichen neben dem Schulabschluß auch das erforderliche Training für die schifahrerische Ausbildung. Um diese beiden Ziele zu vereinen, seien der Besuch der Schihandelsschule in Stams und die damit verbundene Unterbringung im Internat unabdingbar gewesen. Die rechtliche Verpflichtung, seiner Tochter den Besuch der Schihandelsschule zu finanzieren, habe auf Grund ihrer besonderen sportlichen Begabung bestanden. In diesem Zusammenhang weist der Beschwerdeführer auf ein Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 24. November 1988, 44 R 3504/88, hin, wonach der Besuch einer Sporthauptschule ohnedies nur bei einer besonderen sportlichen Begabung möglich sei, weshalb die dadurch entstehenden Mehrkosten der Förderung der Anlagen des Unterhaltsberechtigten dienten und damit als sogenannter "Individualbedarf" die Unterhaltspflicht (der Eltern) erhöhten.
Gemäß § 140 Abs 1 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften anteilig beizutragen.
In dieser Bestimmung kommt unter anderem der im Bundesgesetz über die Neuordnung des Kindschaftsrechtes vom 30. Juni 1977, BGBl Nr 403/1977, betonte Grundsatz des Kindeswohls zum Ausdruck. Der Begriff des "Kindeswohls" wird im Gesetz zwar nicht ausdrücklich definiert, ist im § 178a ABGB aber näher umschrieben. Dabei sind die Persönlichkeit des Kindes und seine Bedürfnisse, besonders seine Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten, aber auch die Lebensverhältnisse der Eltern zu berücksichtigen (vgl in diesem Sinne Schüch, ÖA 1980, Seite 31 und insbesondere die Seiten 55 ff). Die Berücksichtigung des Kindeswohls ist keineswegs auf den Bereich der personenrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf die vermögensrechtliche Seite des Eltern-Kind-Verhältnisses (vgl Eypeltauer, ÖA 1988, Seite 91 und insbesondere Seite 92).
Je größer somit eine besondere Begabung des Kindes und je besser die wirtschaftliche Situation der Unterhaltspflichtigen ist, umso eher wird dem Kind auch eine besondere, kostspieligere Ausbildungs- bzw Entfaltungsmöglichkeit zu finanzieren sein.
Unbestritten ist im vorliegenden Fall, daß die Tochter des Beschwerdeführers außergewöhnlich begabt ist. Das geht nicht zuletzt aus den unwidersprochen gebliebenen Ausführungen des Beschwerdeführers hervor, seine Tochter sei eine der talentiertesten Jugendläuferinnen des österreichischen Schiverbandes und ihr stehe voraussichtlich eine erfolgreiche Laufbahn als A-Kaderläuferin bevor. Bei dem dem Beschwerdeführer für die Kosten der Lebensführung einer fünfköpfigen Familie zur Verfügung stehenden Betrag von rund 349.000 S im Jahr 1988 sind Aufwendungen von 39.000 S (Internatskosten ohne Berücksichtigung der noch abzuziehenden Haushaltsersparnis) - in Anbetracht des zu fördernden Talentes - nicht als unangemessen hoch zu bezeichnen. Dem Beschwerdeführer ist daher insofern zuzustimmen, als er im Rahmen der gesetzlichen Unterhaltspflicht gegenüber seiner Tochter den Besuch der Schihandelsschule in Stams finanzieren mußte. Die dem Beschwerdeführer erwachsenen Aufwendungen (Internatskosten abzüglich Haushaltsersparnis), stellen daher eine außergewöhnliche Belastung im Sinn des § 34 EStG 1972 dar.
Der Beschwerdeführer war somit bereits aus rechtlichen Gründen verpflichtet, die strittigen Aufwendungen zu tragen, weswegen es sich erübrigte, auf die Ausführungen hinsichtlich des Vorliegens von tatsächlichen bzw sittlichen Gründen einzugehen.
Da die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1991140085.X00Im RIS seit
26.02.2001