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66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;Norm
BSVG §12 Abs1;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 93/08/0106 E 11. Mai 1993Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt der Bauern in Wien, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 2. März 1993, Zl. 5 - 230 Sto 4/9 - 92, betreffend Formalversicherung in der Unfallversicherung gemäß § 12 BSVG (mitbeteiligte Partei: E in K), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der vorliegenden Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt der Bauern, dem ihr beigeschlossenen Anstaltsakt und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:
Mit Schreiben vom 3. April 1984 forderte die Beschwerdeführerin den Mitbeteiligten auf, die für die Feststellung der Pflichtversicherung nach dem BSVG erforderliche Meldung mittels eines dem Mitbeteiligten übermittelten Vordruckes zu erstatten, weil er laut Kaufvertrag vom 27. Dezember 1983 0,4585 ha landwirtschaftliche Flächen zugekauft habe. Der Mitbeteiligte übermittelte der Beschwerdeführerin am 7. Juni 1984 das Formblatt "Anmeldung" bzw. "Ermittlungen" zur Kranken-, Pensions- und Unfallversicherung der Bauern (ein auf diesem Formblatt enthaltener Vermerk läßt darauf schließen, daß es im Parteienverkehr übergeben wurde). In diesem Formblatt war von den beiden zur Verfügung stehenden Alternativen "Anmeldung" bzw. "Ermittlungen" keine angekreuzt; es war die Rubrik "Zu- und Vorname des Eigentümers, Miteigentümers, Pächters, Fruchtgenußberechtigten usw." mit Namen und Anschrift des Mitbeteiligten und die Rubrik "Name des (der) Betriebsführer(s), Eigentümer(s), Pächter(s) bzw. des Fruchtgenußberechtigten oder Teilnehmers an einer Erwerbsgesellschaft" mit Vor- und Zunamen sowie Geburtsdaten des Mitbeteiligten und seiner Ehegattin ausgefüllt. Unter "Angaben über andere Berufstätigkeiten" war vermerkt, daß der Mitbeteiligte "von 1967 bis lfd." als Zimmermann und seine Ehegattin als Hausfrau tätig seien. Im Akt der mitbeteiligten Partei findet sich ferner die Kopie eines am 27. Dezember 1983 geschlossenen Kaufvertrages, mit welchem der Mitbeteiligte und seine Ehegattin von A je zur Hälfte das "Grundstück Nr. 146/1 LN im unverbürgten Ausmaß von 4585 m2" aus der Liegenschaft EZ 22, KG K, gekauft haben.
Mit (formlosem) Schreiben vom 16. Juli 1984 teilte die Beschwerdeführerin dem Mitbeteiligten mit, daß er für die Zeit vom "1.1.1984 bis lfd." Beiträge zur Unfallversicherung nach dem BSVG zu entrichten habe , und für die Berechnungen ein Einheitswert "von S 2.000,-- ab 1/84" herangezogen worden sei.
Am 30. September 1991 forderte die Beschwerdeführerin den Mitbeteiligten auf, "sämtliche Einheitswertbescheide ab 1.1.1984" betreffend diese Grundflächen vorzulegen und ersuchte im Urgenzschreiben vom 30. Oktober 1991, "falls das Grundstück nicht nachhaltig landwirtschaftlich genutzt" werde, so "möge dies bitte unbedingt mitgeteilt werden".
Mit Schreiben vom 15. Jänner 1992 legte der Mitbeteiligte den Einheitswertbescheid (Feststellungsbescheid
- Wertvorschreibung gemäß § 21 Abs. 1 Bewertungsgesetz - und Grundsteuermeßbescheid zum 1. Jänner 1984) vom 27. Juni 1984 vor, worin als Art des Grundstückes "Einfamilienhaus" und ein Einheitswert von S 254.000,-- festgestellt wurden.
Mit Schreiben vom 28. März 1992 meldete sich der Mitbeteiligte "bei der Unfallversicherung ab" und ersuchte um Rückerstattung der Unfallversicherungsbeiträge. Am 29. Juni 1992 ergänzte der Mitbeteiligte dieses Ansuchen um die Mitteilung, daß das Grundstück "nie nachhaltig landwirtschaftlich genutzt wurde".
Mit Bescheid vom 21. Juli 1992 stellte die Beschwerdeführerin fest, daß der Mitbeteiligte "vom 1.1.1984 bis laufend" nicht in der Unfallversicherung der Bauern pflichtversichert, aber "vom 1.1.1984 bis zur Zustellung dieses Bescheides in der Unfallversicherung der Bauern formalversichert" sei. Dieser Bescheid wurde im wesentlichen damit begründet, daß (zwar) anzunehmen sei, daß eine nachhaltige landwirtschaftliche Nutzung der Grundflächen nicht erfolgt sei und somit die Voraussetzung für eine Pflichtversicherung in der Unfallversicherung fehle, die Anmeldung jedoch "vorbehaltlos nicht unrichtig erstattet" worden sei und die Landesstelle die Beiträge unbeanstandet entgegengenommen habe, woraus sich der Eintritt einer Formalversicherung gemäß § 12 BSVG ergebe.
Gegen die Feststellung der Formalversicherung erhob der Mitbeteiligte Einspruch, welchem die belangte Behörde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 2. März 1993 stattgegeben und den Ausspruch der Beschwerdeführerin über die Formalversicherung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 182 BSVG und den §§ 413 Abs. 1 Z. 1 und 414 ASVG (ersatzlos) aufgehoben hat. In der Begründung dieses Bescheides heißt es u. a., daß sich der Mitbeteiligte überhaupt nur deshalb zur Sozialversicherung gemeldet habe, weil ihn die Beschwerdeführerin mehrfach dazu aufgefordert hätte. Die Anmeldung selbst sei "in wesentlichen Punkten mangelhaft"; so fehlten Angaben über den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, weil es keinen gebe. Dies hätte der Beschwerdeführerin auffallen müssen. Jedenfalls wäre die Beschwerdeführerin gegenüber dem rechtsunkundigen und unvertretenen Mitbeteiligten zur Manuduktion verpflichtet gewesen und hätte im Hinblick auf das weitgehend unvollständig ausgefüllte Anmeldungsformular weitere Erhebungen durchführen müssen. Eine vom Willen des Mitbeteiligten getragene vorbehaltlose Anmeldung liege nicht vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Anstaltsbeschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Bestimmung des § 12 Abs. 1 BSVG (ebenso wie jene des § 21 Abs. 1 ASVG) stellt ihrem klaren Wortlaut nach bei der Umschreibung der Tatbestandsvoraussetzungen für den Eintritt der Formalversicherung auf eine Parteihandlung, nämlich die Anmeldung zur Pflichtversicherung ab. Die in diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage ist daher - zunächst - für den Eintritt der Formalversicherung maßgebend.
§ 12 Abs. 1 BSVG in der - bezogen auf den maßgebenden Zeitpunkt der Anmeldung - anzuwendenden Fassung des Stammgesetzes, BGBl. Nr. 559/1978, lautet:
"Hat der Versicherungsträger bei einer nicht der Pflichtversicherung unterliegenden Person aufgrund der bei ihm vorbehaltlos erstatteten, nicht vorsätzlich unrichtigen Anmeldung den Bestand einer Pflichtversicherung als gegeben angesehen und für den vermeintlich Pflichtversicherten sechs Monate ununterbrochen die Beiträge unbeanstandet angenommen, so besteht ab dem Kalendermonat, für den erstmals Beiträge entrichtet worden sind, eine Formalversicherung. In der Pensionsversicherung bleibt die Geltung der Ausnahmegründe gemäß § 5 unberührt."
Die Beschwerdeführerin vertritt - zusammengefaßt und sinngemäß - die Auffassung, daß sich - ungeachtet der Unvollständigkeit der Angaben im Anmeldeformular - aus dem dieser Anmeldung beigeschlossenen Text des Kaufvertrages ergebe, daß die Liegenschaft die Bezeichnung ""LN" = landwirtschaftliche Nutzung" ausweise. Das Ausmaß der Liegenschaft in der Größenordnung von 4585 m2 decke eine derartige Nutzung und entspreche jedenfalls nicht einer Liegenschaft, die für Bauzwecke vorgesehen sei. Auch der Kaufpreis von S 200.000,--, somit S 43,60/m2, sei für ein Baugrundstück atypisch. Demgegenüber sei die Anmeldung des Mitbeteiligten offenbar vorbehaltlos und auch nicht vorsätzlich unrichtig erstattet worden. Die Beschwerdeführerin habe den Mitbeteiligten jedenfalls nicht in Irrtum geführt.
Diesen Ausführungen der Beschwerdeführerin ist nur insoweit beizupflichten, als das Verhalten des Mitbeteiligten bei der Anmeldung zur Unfallversicherung nicht jenen Kriterien entsprochen hat, die der Verwaltungsgerichtshof (unter anderem in seinem Erkenntnis vom 5. März 1982, Zl. 81/08/0127, unter Berufung auf Krejci, Das Sozialversicherungsverhältnis, 352 f) zu § 21 ASVG (der inhaltlich § 12 Abs. 1 BSVG entspricht) für einen Vorbehalt anläßlich einer Meldung zur Sozialversicherung als wesentlich erachtet hat, enthält sie doch keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, daß der Mitbeteiligte das Bestehen einer Sozialversicherungspflicht in der Sozialversicherung der Bauern in Zweifel gezogen hätte.
Primäre Voraussetzung, daß eine - insoweit vorbehaltlos erstattete und nicht vorsätzlich unrichtige - Anmeldung zur Sozialversicherung die in § 12 Abs. 1 BSVG genannten Rechtsfolgen auslöst, ist aber, daß eine Meldung im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften überhaupt vorliegt.
§ 19 Abs. 1 BSVG (in der - bezogen auf den Zeitpunkt der Erstattung der Meldung im Jahre 1984 - noch anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 678/1991) ordnet an, daß Meldungen gemäß § 16 mit dem vom Versicherungsträger aufzulegenden Vordruck zu erstatten sind; auch ohne Vordruck schriftlich erstattete Meldungen gelten als ordnungsgemäß erstattet, wenn sie alle wesentlichen Angaben enthalten, die für die Durchführung der Versicherung notwendig sind.
Aus dem ausdrücklichen Erfordernis der Vollständigkeit einer (sonstigen) schriftlichen Meldung in den für die Durchführung der Versicherung WESENTLICHEN BELANGEN ergibt sich, daß der Gesetzgeber bei Verwendung des vom Versicherungsträger aufgelegten Vordruckes ebenfalls voraussetzt, daß dieser Vordruck (zumindest in den für die Durchführung der Versicherung wesentlichen Punkten, falls darin auch andere Fragen enthalten sind) vollständig ausgefüllt zu sein hat, um als Meldung im Sinne dieser Gesetzesstelle zu gelten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die für die Erstattung einer Meldung geltenden Formvorschriften bei Beurteilung der Frage, ob eine ORDNUNGSGEMÄßE Meldung zur Sozialversicherung erstattet wurde, im Zusammenhang mit jenen Bestimmungen, die an die Erstattung einer solchen Meldung anknüpfen, für bedeutsam angesehen (vgl. die zum - inhaltlich § 19 Abs. 1 BSVG entsprechenden - § 41 Abs. 1 ASVG ergangenen Erkenntnisse vom 22. November 1967, Zl. 933/67, und vom 23. Mai 1985, Zl. 83/08/0169, sowie das zu § 19 Abs. 1 BSVG ergangene Erkenntnis vom 16. April 1991, Zl. 89/08/0199). Dies gilt auch für den Eintritt der Formalversicherung: Nur wenn dem Sozialversicherungsträger alle für die Versicherungspflicht bedeutsamen Umstände gemeldet wurden (Vollständigkeit der Angaben) und nichts vorgebracht wurde, das gegen die Versicherungspflicht sprechen würde (Fehlen eines Vorbehaltes), dann soll eine irrtümliche Bejahung der Versicherungspflicht durch den Sozialversicherungsträger nicht zum nachträglichen, rückwirkenden Verlust des Versicherungsschutzes führen, wenn dieser einige Zeit hindurch bereits bestanden hat, es sei denn, die Meldung enthielte vorsätzlich unrichtige Angaben.
Eine in wesentlichen Punkten unvollständige (d.h. objektiv zur Beurteilung der Sozialversicherungspflicht gar nicht geeignete, sondern - gegebenenfalls - einem Mängelbehebungsverfahren im Sinne des § 13 AVG zuzuführende) Meldung führt hingegen auch dann nicht zur Formalversicherung, wenn der Versicherungsträger die Meldung trotz dieser Unvollständigkeit entgegennimmt, und sich die - durch keine Angaben im Formular gedeckten - Annahmen des Sozialversicherungsträgers in für das Bestehen der Versicherung bedeutsamen Umständen im nachhinein als unzutreffend herausstellen.
Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Z. 1 BSVG (in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 592/1983) sind aufgrund dieses Bundesgesetzes in der Unfallversicherung Personen pflichtversichert, "die auf ihre Rechnung und Gefahr einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb im Sinne der Bestimmungen des Landarbeitsgesetzes vom 2. Juni 1948, BGBl. Nr. 140, führen oder auf deren Rechnung und Gefahr ein solcher Betrieb geführt wird", wobei gemäß § 3 Abs. 2 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 BSVG der Einheitswert nach dem Bewertungsgesetz in der Höhe von mindestens S 2.000,-- dafür maßgebend ist, ob überhaupt (zumindest) die Pflichtversicherung in der Unfallversicherung besteht.
Da in der Anmeldung des Mitbeteiligten vom 7. Juli 1984 die auf die näheren Umstände eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes abstellenden Fragen (so jene nach der Größe der bewirtschafteten Flächen, aber auch die mit "ja/nein" zu beantwortete Frage 11, ob der landwirtschaftliche Betrieb auf gemeinsame Rechnung und Gefahr der Ehegatten geführt bzw. bewirtschaftet wird) nicht beantwortet wurden, läßt sich daraus weder die Existenz eines solchen Betriebes entnehmen, noch, für welchen Zeitraum die Anmeldung überhaupt gelten sollte, da auch die Frage nach dem Datum der Betriebsübernahme unbeantwortet geblieben ist. Ebensowenig wurde die Frage nach dem Aktenzeichen des Einheitswertbescheides beantwortet, dem nach der dargestellten Rechtslage ebenfalls wesentliche Bedeutung für die Beurteilung der Versicherungspflicht zukommt.
Der Umstand, daß im aktenkundigen Kaufvertrag das Grundstück mit "LN" für landwirtschaftliche Nutzung bezeichnet ist, sagt hingegen - entgegen den diesbezüglichen Beschwerdeausführungen - nichts darüber aus, ob der Mitbeteiligte auf diesen land- und forstwirtschaftlichen Flächen im beschwerdegegenständlichen Zeitraum auch tatsächlich einen landwirtschaftlichen Betrieb geführt hat.
Schon aufgrund der Unvollständigkeit des Antragsformulars in wesentlichen Punkten kann daher von einer dem § 19 Abs. 1 BSVG entsprechenden Meldung (als Grundvoraussetzung für den Eintritt einer Formalversicherung) nicht die Rede sein, weshalb die belangte Behörde das Vorliegen von Formalversicherung im Ergebnis zu Recht verneint hat. Entgegen dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen ist dem Verwaltungsgerichtshof auch nicht erkennbar, daß der angefochtene Bescheid - in Verletzung von Verfahrensvorschriften - die Sache (des Einspruchsverfahrens) nicht erledigt hätte: während der Mitbeteiligte die ersatzlose Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides im Abspruch über die Formalversicherung beantragt hatte, begehrte die Beschwerdeführerin, den "bekämpften Bescheid vollinhaltlich aufrechtzuerhalten". Da die belangte Behörde das Einspruchsbegehren - zu Recht - als begründet angesehen hat, hat sie nicht rechtswidrig gehandelt, wenn sie mit einer ersatzlosen Behebung des erstinstanzlichen Bescheides im bekämpften Umfang gemäß § 66 Abs. 4 AVG vorgegangen ist. Sollte die Beschwerdeführerin aber meinen, die belangte Behörde hätte auch über die vom Mitbeteiligten beantragte Beitragsrückzahlung absprechen müssen, so ist sie darauf hinzuweisen, daß dies nicht Gegenstand des Abspruches des erstinstanzlichen Bescheides war und daher auch nicht "Sache" des Einspruchsverfahrens werden konnte. Über diesen Antrag des Mitbeteiligten wird die Beschwerdeführerin vielmehr gesondert abzusprechen haben.
Da somit bereits die Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993080105.X00Im RIS seit
20.11.2000