Index
L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des B in Wien, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 4. Oktober 1990, Zl. MDR - B I - 18/90, betreffend die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 69 der Bauordnung für Wien (mitbeteiligte Partei: V-AG in Wien, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- sowie der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 28. April 1989 beantragte die mitbeteiligte Partei beim Wiener Magistrat die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung eines Büro- und Geschäftshauses auf den Liegenschaften X-Ring-Straße 5 - 7 und M-Straße 6 - 8. Zu der für 16. Februar 1990 anberaumten mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer als Nachbar (Miteigentümer der Liegenschaft M-Straße 3) ordnungsgemäß unter Hinweis auf die Rechtsfolgen nach § 42 AVG 1950 geladen. Bei dieser Verhandlung brachte der Vertreter des Beschwerdeführers vor, durch die zylinderförmigen Aufbauten an der Front M-Straße werde die "Umhüllende" erheblich überschritten, sodaß der bauordnungsmäßige Lichteinfall für Eigentumsobjekte im Hause M-Straße 3 nicht gewährleistet sei.
Mit Bescheid vom 26. Juni 1990 erteilte der Bauausschuß der Bezirksvertretung für den 1. Bezirk gemäß § 69 Abs. 1 lit. l und n der Bauordnung für Wien (BO) für das anhängige Bauvorhaben Bewilligungen zur Abweichung von den Bebauungsvorschriften. Hiebei wurde unter Punkt 2 des Spruches folgendes festgehalten: "Die straßenseitige Gebäudehöhe und die hofseitige Gebäudehöhe darf die bauklassenmäßige Gebäudehöhe von 26,00 m max. 2,6 m bzw. 3,5 m überschreiten." Die Einwendungen des Beschwerdeführers wurden als im Gesetz nicht begründet abgewiesen. Nach Wiedergabe des Gesetzestextes des § 69 Abs. 1 BO führte die Erstinstanz aus, daß die Ausnahmebewilligung zu erteilen gewesen sei, da öffentliche Rücksichten nicht entgegenstehen und der Baukörper nach der gutächtlichen Stellungnahme der Architekturabteilung des Wiener Magistrats dem Maßstab der Ringstraße voll entspreche, trotz der kompromißlosen neuen Formensprache eine überzeugende maßgebliche Einfügung in das Erscheinungsbild der Ringstraße zeige, und daher dieser Neubau durch sein architektonisches Aussehen überwiegend im öffentlichen Interesse des örtlichen Stadtbildes liege. Die Einwendungen des Beschwerdeführers seien als im Gesetz nicht begründet abzuweisen gewesen, da der gemäß § 78 BO für Hauptfenster vorgeschriebene freie Lichteinfall durch das Bauvorhaben nicht beeinträchtigt werde bzw. der freie Lichteinfall gesichert bleibe.
Die dagegen erhobene Berufung wies die Bauoberbehörde für Wien mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet ab, änderte jedoch den Punkt 2 des erstinstanzlichen Spruches wie folgt ab: "Die straßenseitigen Gebäudehöhen dürfen die bauklassenmäßige Gebäudehöhe von 26,00 m max. 2,60 m, die hofseitigen Gebäudehöhen dürfen die bauklassenmäßige Gebäudehöhe von 26,00 m max. 3,50 m überschreiten." Die Berufungsbehörde bejahte zunächst die Parteistellung des Beschwerdeführers, erachtete jedoch die Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes als nicht gegeben, weil jener Teil des projektierten Gebäudes, welcher den gemäß § 81 BO ohne die beantragte Ausnahmegenehmigung zulässigen Gebäudeumriß überragen würde, ca. 26 m von nächstgelegenen Punkt der Liegenschaft des Beschwerdeführers entfernt sei. Eine solche Distanz enspreche jedenfalls einer im Baugebiet gegebenen Liegenschaftsbreite, sodaß eine subjektiv-öffentliche Nachbarrechte beeinträchtigende Wirkung nicht eintrete. Keinesfalls trete eine Beeinträchtigung des vorgeschriebenen freien Lichteinfalles für die Liegenschaft des Beschwerdeführers ein, da die gemäß § 78 Abs. 1 BO zu bildenden Lichtprismen weder beim seitlichen und schon gar nicht beim direkten Lichteinfall jene Bereiche des Bauprojektes erfassen, welche den maximal zulässigen Gebäudeumriß überschreiten. Seien aber durch die gewährte Ausnahmegenehmigung Einwirkungen auf seine Liegenschaft nicht gegeben, könne er auch nicht mit Erfolg rügen, daß die sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 69 Abs. 1 BO nicht vorgelegen seien.
In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem aus § 134 Abs. 3 BO erfließenden Recht auf Einräumung der Parteistellung und voller Mitsprache "bei der Einhaltung der Bauvorschriften am Nachbargrundstück", in seinen aus § 69 Abs. 1 BO erfließenden Rechten und in seinem Recht auf sorgfältige Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und auf Parteiengehör verletzt. Der Beschwerdeführer beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, in eventu wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Aus Anlaß dieser Beschwerde beantragte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 23. April 1991 gemäß Art. 140 B-VG beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung von Teilen des § 69 BO. Auch in anderen Beschwerdefällen hatte der Verwaltungsgerichtshof einen derartigen Antrag an den Verfassungsgerichtshof gestellt. Mit Erkenntnis vom 11. Dezember 1991, G 74 und 178/90, hob der Verfassungsgerichtshof § 69 Abs. 1 BO als verfassungswidrig auf, wobei bestimmt wurde, daß diese Aufhebung mit Ablauf des 30. November 1992 eintrete. Den im Beschwerdefall gestellten Antrag des Verwaltungsgerichtshofes wies der Verfassungsgerichtshof jedoch mit Beschluß vom 22. März 1993, G 213/91-3, zurück.
Über die Beschwerde, über die von der belangten Behörde und der mitbeteiligten Partei erstatteten Gegenschriften sowie über die Gegenäußerungen des Beschwerdeführers und der mitbeteiligten Partei hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Nach § 134 Abs. 3 BO in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 28/1987 sind Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften im Baubewilligungsverfahren dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre in diesem Gesetz festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte berühren. Solche Rechte werden durch jene Bestimmungen begründet, die dem Schutz der Nachbarn dienen; hiezu zählen jedenfalls alle Bestimmungen des Bebauungsplanes für die Bebauung der Liegenschaft sowie alle jene Bestimmungen, die Rechte zum Schutz vor Gefahren und Belästigungen, die sich auf die Nachbargrundstücke erstrecken können, zum Inhalt haben. Diese gesetzliche Regelung läßt erkennen, daß einem Nachbarn im Baubewilligungsverfahren nur eine beschränkte Parteistellung zukommt, sodaß er nur in jenem Bereich ein Mitspracherecht besitzt, in dem es um eine Verletzung eines rechtzeitig geltend gemachten subjektiv-öffentlichen Rechtes geht (vgl. das Erkenntnis des verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Dezember 1980, Slg. N.F. Nr. 10.317/A, und die ständige Rechtsprechung seither). Wie in der Sachverhaltsdarstellung ausgeführt, hat der Beschwerdeführer bei der durchgeführten mündlichen Verhandlung vor der Behörde erster Instanz ausschließlich eine Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe geltend gemacht. Hinsichtlich der Einhaltung der maximal zulässigen Gebäudehöhe besitzt nun der Beschwerdeführer zweifelsfrei als Nachbar ein Mitspracherecht, weil seine Liegenschaft von der zu bebauenden Liegenschaft der mitbeteiligten Partei nur durch eine 15 m breite Verkehrsfläche getrennt ist, nach dem geltenden Bebauungsplan aber die maximal zulässige Gebäudehöhe 26 m beträgt. Nach dem Wortlaut der erteilten Ausnahmebewilligung darf die straßenseitige Gebäudehöhe die bauklassenmäßige Gebäudehöhe von 26,00 m maximal 2,60 m überschreiten, was nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu führen müßte, daß der Beschwerdeführer in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt wäre, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Ausnahmebewilligung nicht gegeben sind (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 13. November 1957, Slg. N.F. Nr. 4474/A, vom 28. Mai 1958, Slg. N.F. Nr. 4663/A). Nun hat allerdings der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, daß das subjektiv-öffentliche Recht des Nachbarn auf Einhaltung einer maximal zulässigen Gebäudehöhe nur dann verletzt wird, wenn eine solche Überschreitung an einer dem Nachbarn zugekehrten Front des Gebäudes erfolgt (vgl. etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Mai 1980, Slg. N.F. Nr. 10.127/A, vom 24. Jänner 1984, Zl. 83/05/0173, BauSlg. Nr. 178, u.a.). Die belangte Behörde hat in ihrer Gegenschrift dargelegt - die mitbeteiligte Partei in gleicher Weise in ihrer Gegenäußerung -, daß hinsichtlich der dem Beschwerdeführer zugewandten Front M-Straße die maximal zulässige Gebäudehöhe gar nicht überschritten werde, wie der Schnittdarstellung in der Planparie C19 zu entnehmen ist. Tatsächlich läßt dieser Plan erkennen, daß lediglich im Bereich der Straßenfront X-Ring-Straße die maximal zulässige Gebäudehöhe um 2,60 m überschritten werden soll, sowie hofseitig im Ausmaß von 3,50 m, dagegen nicht im Bereich der Front M-Straße. Der erstinstanzliche Bescheid betreffend die erteilte Ausnahmebewilligung hat nun ausdrücklich auf dieses Projekt verwiesen, sodaß entgegen den Befürchtungen des Beschwerdeführers die erteilte Ausnahmebewilligung nicht die Front M-Straße betrifft, was zur Folge hat, daß er durch die erteilte Ausnahmebewilligung in keinem Recht verletzt worden ist. Bei einer solchen Situation hatte der Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdefall nicht zu prüfen, ob überhaupt die Voraussetzungen für eine Anwendung der Ausnahmebestimmung des § 69 BO vorlagen. Es erübrigte sich daher eine Auseinandersetzung mit dem diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers.
Auf Grund der dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde in allen Punkten als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung für eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erforderlich ist.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG sowie die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete BaurechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993050064.X00Im RIS seit
03.05.2001