TE Vwgh Erkenntnis 1993/5/18 93/05/0071

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Veröffentlicht am 18.05.1993
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Index

L82407 Abfall Müll Sonderabfall Sondermüll Tirol;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AWG Tir 1990 §27 Abs1 litg;
VStG §6;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Hauer und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des E in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 20. Jänner 1993, Zl. 1/55-5/1992, betreffend Verwaltungsstrafe wegen Übertretung des § 27 Abs. 1 lit. g des Tiroler Abfallwirtschaftsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach dem in der Beschwerde angegebenen Sachverhalt betreibt der Beschwerdeführer seit 1. Jänner 1992 eine Biokompostieranlage in P. Bei dieser Anlage handle es sich um ein Pilotprojekt, welches ab dem Jahr 1989 vom Abfallwirtschaftsverband X betrieben worden sei und mit welcher ursprünglich Biomüll im Umfang von 4000 EGW (Einwohnergleichwerte) kompostiert worden sei. Mit Jahreswechsel 1991/92 sei "sodann" der Vollanschluß der Stadtgemeinde S erfolgt, sodaß sich eine Erhöhung auf 12000 EGW ergeben habe. Der Bezirkshauptmannschaft S sei am 17. Februar 1992 mitgeteilt worden, daß das bewilligte Areal zur Lagerung des Kompostes nicht mehr ausreiche und eine Umwidmung angrenzender Grundflächen unabdingbar sei. Zur Bewältigung der anfallenden Unmengen von Biomüll sei der Beschwerdeführer gezwungen gewesen, die beiden Grundparzellen Nr. 1612 und 1616 der KG P als Rottefläche zu verwenden. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft S vom 27. Juli 1992, TAWG-90.109/1a-92, sei der Beschwerdeführer gemäß § 27 Abs. 2 der Tiroler Abfallwirtschaftsgesetzes zu einer Geldstrafe von S 30.000,--, im Nichteinbringungsfalle zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Wochen, verpflichtet worden. Aus dem mit der Beschwerde vorgelegten Berufungserkenntnis ergibt sich, daß der Beschwerdeführer im angefochtenen Straferkenntnis für schuldig erkannt wurde, er habe Ende Februar bzw. Anfang März 1992 im Osten der Grundparzellen 1612 und 1616 der KG P im Ausmaß von rd. 1000 m2 Planier- und Aufschüttungsarbeiten durchgeführt und in weiterer Folge die genannte Fläche als Rottefläche für die öffentliche Kompostieranlage P bis zum 9. Juni 1992 verwendet und damit eine öffentliche Kompostieranlage ohne Errichtungsbewilligung errichtet.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers insoferne Folge, als die Geldstrafe von S 30.000,-- auf S 15.000,--, die Ersatzfreiheitsstrafe auf sieben Tage herabgesetzt wurde. Im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnises erfolgten Präzisierungen dahingehend, daß der Beginn der Tatzeit auf "Ende Februar 1992" eingegrenzt und nach dem Wort:

"Errichtungsbewilligung" die Wortfolge: "des Bürgermeisters der Gemeinde P" eingefügt wurde.

Soweit in der Berufung Notstand geltend gemacht wurde, stellte die belangte Behörde fest, daß das Pilotprojekt der Biokompostieranlage P vorerst vom Abfallwirtschaftsverband X betrieben wurde, die Übernahme durch den Beschuldigten erst mit Jahreswechsel 1991/92 erfolgte und zu dieser Zeit auch der Vollanschluß der Stadtgemeinde S von ursprünglich 4000 EGW auf 12000 EGW erfolgte, sodaß dem Beschuldigten klar sein mußte, daß damit ein erheblich größerer Anfall von zu kompostierendem Material auf ihn zukommen würde. Daher könne von einer unverschuldeten Zwangslage nicht gesprochen werden.

In seiner dagegen gerichteten Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht "auf Straflosigkeit wegen Notstand gemäß § 6 VStG" verletzt und beantragt die Aufhebung des Berufungserkenntnisses der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Über diese Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist. Das Verwaltungsstrafgesetz enthält keine eigene Definition des Begriffes "Notstand"; nach der bei Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, RZ. 752 wiedergegebenen hg. Judikatur wird Notstand als schwere und unmittelbare (nicht bloß mögliche) Gefahr, die zu einem "unwiderstehlichen Zwang" führt, qualifiziert. Der Beschuldigte muß sich aus der Gefahr "einzig und allein" durch die strafbare Tat retten können. Notstand wird ausgeschlossen, wenn sich der Beschuldigte selbst in die Zwangslage versetzt hat.

Eingangs seiner Sachverhaltsdarstellung gibt der Beschwerdeführer bekannt, daß er die verfahrensgegenständliche Kompostieranlage seit 1. Jänner 1992 betreibe. Er bekämpft die Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Bescheid, daß zu dieser Zeit der Vollanschluß der Stadtgemeinde S mit entsprechender Erhöhung der Müllmenge erfolgte, nicht. Die Beschwerde enthält auch keinerlei Vorbringen, daß es der Beschwerdeführer nicht freiwillig übernommen hätte, für die Kompostierung auch der gesteigerten Menge Sorge zu tragen.

Selbst wenn nach den Angaben in der Beschwerde die Gefahr bestanden haben sollte, daß die Gemeinde S im "Müll erstickt", enthält die Beschwerde keinerlei Ausführungen dahingehend, daß ausschließlich der Beschwerdeführer zu einer Beseitigung dieser Gefahr im Stande gewesen wäre und daß diese Beseitigung ausschließlich durch die Ausweitung auf nicht genehmigte Grundparzellen möglich war. Vielmehr muß nach dem Beschwerdevorbringen davon ausgegangen werden, daß der Beschwerdeführer trotz Kenntnis der geringen Kapazitäten den Kompostierungsauftrag in dem durch den Vollanschluß der Stadtgemeinde S erreichten Umfang übernommen hat.

Da sich der Beschwerdeführer freiwillig in die behauptete Zwangslage versetzt hat, kommt es nicht darauf an, ob Ende Februar 1992 der der Gemeinde S drohenden Gefahr nur durch (rechtswidrige) Ausweitung der Rotteflächen begegnet werden konnte.

Da schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

W i e n , am 18. Mai 1993

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993050071.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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