TE Vfgh Beschluss 1990/11/30 B1147/90

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.11.1990
beobachten
merken

Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
VfGG §86
VfGG §88
ArbVG §106
ArbVG §122

Leitsatz

Einstellung eines Verfahrens infolge Klaglosstellung des Beschwerdeführers; Bescheidcharakter sowohl eines Schreibens hinsichtlich der Entlassung des in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehenden Beschwerdeführers als auch eines Schreibens hinsichtlich der formalen Zurücknahme des ersten Schreibens; Kostenzuspruch

Spruch

Das Verfahren wird eingestellt.

Das Land Kärnten ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seiner Vertreter die mit S 16.500,-- bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Begründung:

1. Dem Beschwerdeführer, der in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Kärnten steht und Vorsitzender des Angestelltenbetriebsrates des Landeskrankenhauses Klagenfurt sowie Vorsitzender des Zentralbetriebsrates der Kärntner Landes-Kranken-, Heil- und Pflegeanstalten ist, wurde am 27. September 1990 das Schreiben vom 25. September 1990, Z Pers-17662/2/90, zugestellt, das "Für die Kärntner Landesregierung: Der Landeshauptmann:

Dr. Haider eh." gefertigt ist und folgenden Wortlaut hat:

"In einem Artikel von Harald Raffer in der KTZ vom 20. September 1990 werden Sie wörtlich wie folgt zitiert:

'Die Sache wird untersucht! Kein Platz auf der Intensivstation, trotz Haiders Ankündigung, der Notstand auf dieser lebenswichtigen Abteilung sei beseitigt? Wen trifft es als nächsten ...?'

Angesichts dieser dem Personalreferenten gegenüber geäußerten erheblichen Ehrverletzung ist eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Ihnen und dem Rechtsträger nicht mehr zu erwarten.

Sie werden daher gemäß §§106 und 122 Abs1 Z5 des Arbeitsverfassungsgesetzes entlassen."

2. Der Beschwerdeführer erhob gegen dieses, von ihm als Bescheid gewertete Schreiben eine auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, mit der er die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend machte.

a) Nach Auffassung des Beschwerdeführers wurde er im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter deshalb verletzt, weil der belangten Behörde die (sachliche) Zuständigkeit zur Erlassung des angefochtenen Bescheides gefehlt hat. Im - für den Beschwerdeführer als Landesbeamten maßgebenden - Kärntner Dienstrechtsgesetz, LGBl. 35/1985, zuletzt geändert durch das Gesetz LGBl. 50/1990 (im folgenden: KDRG), sei eine (das [aktive] öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis beendende) Entlassung eines Beamten nur in zwei - hier von vornherein nicht in Betracht kommenden - Fällen vorgesehen; außerdem sei die Entlassung eine der (für Beamte des Dienststandes vorgesehenen) Disziplinarstrafen, zu deren Verhängung ausschließlich die Disziplinarkommission bzw. (im Instanzenzug) die Disziplinaroberkommission berufen sei.

Andererseits finde der für Mitglieder des Betriebsrates in §120 Arbeitsverfassungsgesetz - ArbVG, BGBl. 22/1974, zuletzt geändert durch das Arbeits- und Sozialgerichts-Anpassungsgesetz, BGBl. 563/1986, ua. vorgesehene Entlassungsschutz auf öffentlich-rechtliche Bedienstete offenkundig keine Anwendung. Bei dieser Rechtslage sei die Annahme einer Zuständigkeit der Landesregierung zur Entlassung eines Landesbeamten geradezu denkunmöglich.

b) Den Vorwurf einer Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz erhob der Beschwerdeführer der Sache nach mit der Begründung, die belangte Behörde habe, indem sie ungeachtet ihrer Unzuständigkeit und unter ausdrücklicher Berufung auf Vorschriften des hier keinesfalls anwendbaren ArbVG die Entlassung des Beschwerdeführers aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis aussprach, ihm gegenüber "einen offenen Willkürakt gesetzt". Dies werde insbesondere aus dem Umstand deutlich, daß der im gegebenen Fall für die Landesregierung tätig gewordene Landeshauptmann von leitenden Beamten des Amtes der Kärntner Landesregierung im vorhinein auf die Ungesetzlichkeit des von ihm beabsichtigten Vorgehens ausdrücklich hingewiesen worden sei.

3. Die Kärntner Landesregierung als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Äußerung (samt zwei Nachträgen) erstattet, in der sie jedoch zu den erwähnten Beschwerdevorwürfen inhaltlich nicht näher Stellung nahm.

4. Der Verfassungsgerichtshof wertet die Erledigung vom 25. September 1990, da sie nach ihrem deutlich erkennbaren objektiven Gehalt auf die Beendigung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses des Beschwerdeführers zum Land Kärnten gerichtet war, ungeachtet des Umstandes als Bescheid, daß sie nicht in die äußere Form eines solchen gekleidet war, der belangten Behörde jede Zuständigkeit zur Erlassung eines Bescheides dieses Inhaltes fehlte und sie sich auch darüber hinwegsetzte, daß die getroffene Maßnahme weder in den von ihr angeführten Vorschriften des ArbVG noch in anderen Rechtsvorschriften eine rechtliche Grundlage findet.

5. Erst nachdem der belangten Behörde in dieser Beschwerdesache bereits die Ladung zu der für 30. November 1990 anberaumten öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof zugestellt worden war (die Zustellung erfolgte am 19. November 1990), richtete sie an den Beschwerdeführer folgendes (ebenfalls "Für die Kärntner Landesregierung: Der Landeshauptmann: Dr. Haider eh." gefertigtes) Schreiben vom 22. November 1990, Z Pers-17662/23/90:

"Um sämtliche Unklarheiten zu beseitigen, wird ungeachtet des Punktes 2. des am 29. Oktober 1990 vor dem Landesgericht Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht geschlossenen Vergleiches das Schreiben vom 25. September 1990, Zl. Pers-17662/2/90, welche rechtliche Qualität Sie diesem auch beimessen, nunmehr formal zurückgenommen und für gegenstandslos erklärt."

Dieses Schreiben wurde dem Beschwerdeführer noch am selben Tag zugestellt.

6. Mit Schriftsatz vom 26. November 1990 legte der Beschwerdeführer dieses Schreiben dem Verfassungsgerichtshof zur Beurteilung vor, ob dadurch die Klaglosstellung des Beschwerdeführers bewirkt sei, und begehrte, nachdem er schon in der Beschwerdeschrift Kostenersatz beantragt hatte, den Zuspruch der Prozeßkosten.

7. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes kommt auch der Erledigung der belangten Behörde vom 22. November 1990 ungeachtet des Fehlens der Bescheidform Bescheidqualität zu, weil sie der Sache nach auf die Aufhebung des die Entlassung des Beschwerdeführers verfügenden Bescheides gerichtet war.

Da mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 22. November 1990 der in Beschwerde gezogene Bescheid zur Gänze aus dem Rechtsbestand beseitigt wurde, ist der Beschwerdeführer als klaglos gestellt anzusehen.

Das Verfahren war daher einzustellen.

8. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG (vgl. zB VfGH 23.11.1984 B116/79, 8.6.1985 B57/85, 22.11.1985 B454/85). Im zugesprochenen Kostenbetrag ist Umsatzsteuer in der Höhe von

S 2.750,-- enthalten.

9. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z3 und Abs5 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Bescheidbegriff, VfGH / Klaglosstellung, VfGH / Kosten, Arbeitsrecht, Kündigungs- und Entlassungsschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:B1147.1990

Dokumentnummer

JFT_10098870_90B01147_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten