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55 WirtschaftslenkungNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Feststellung der Gesetzwidrigkeit der Futterflächenübertragungsverordnung mangels gesetzlicher Grundlage im Marktordnungsgesetz; Verordnungsrang der in Prüfung gezogenen Norm nach Aufhebung einer Übergangsbestimmung in einer Novelle zum Marktordnungsgesetz, die bestimmte Verordnungen in Gesetzesrang erhoben hat; gesetzliche Verordnungsermächtigung nur hinsichtlich der Regelung des Überganges der Einzelrichtmenge im Fall von Pachtverträgen, nicht jedoch im Fall von EigentumsübertragungenSpruch
Die Z2 ("Eigentumsübertragung von Futterflächen") der Verordnung des geschäftsführenden Ausschusses des Milchwirtschaftsfonds vom 6. Oktober 1982, kundgemacht im Amtlichen Teil der "Österreichischen Milchwirtschaft" vom 7. November 1982, Beilage 15 (zu Heft 21), Nr. 65b, S. 212f, war gesetzwidrig.
Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu B398/89, 404/89, 405/89 und 842/89 Beschwerdeverfahren anhängig, in denen es um die Frage geht, inwieweit die den einzelnen Beteiligten zustehende Einzelrichtmenge im Sinne des §73 MOG 1985, BGBl. 210 (davor §57e Marktordnungsgesetz 1967) durch die von den Beteiligten (zum Teil mit dritten Personen) geschlossenen Vereinbarungen über die Verpachtung bzw. Eigentumsübertragung von Futterflächen bzw. durch Partnerschaftsvereinbarungen ab dem 29. November 1982 verändert wurde. Zur Vermeidung von Wiederholungen sei zur Vorgeschichte dieser Beschwerden auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 22. Juni 1988, V139,140/87, und vom 30. Juni 1988, B849/86, B850/86, sowie auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. November 1985, Z84/07/0288, Z85/07/0108 und vom 8. Juni 1988, Z86/17/0160 verwiesen.
Die Beschwerden wenden sich nunmehr gegen folgende Bescheide:
a) Mit dem bereits vorhin erwähnten Erkenntnis vom 22. Juni 1988, V139,140/87 wurde die Z4 der Verordnung des geschäftsführenden Ausschusses des Milchwirtschaftsfonds vom 22. März 1983 betreffend den Übergang der Einzelrichtmenge auf einen anderen Betrieb im Falle der Verpachtung oder der Eigentumsübertragung von Futterflächen, kundgemacht im Amtlichen Teil der "Österreichischen Milchwirtschaft" vom 7. April 1983, Beilage 4 (zu Heft 7), S. 41f, mit Ausnahme der Worte "und Eigentumsübertragungen" im ersten und zweiten Absatz der Z4, als gesetzwidrig festgestellt. Mit dem Erkenntnis vom 30. Juni 1988, B849/86, B850/86 wurden die unter anderem aufgrund dieser Verordnungsbestimmung ergangenen Bescheide des Geschäftsführers des Milchwirtschaftsfonds vom 29. Juli 1986 wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung aufgehoben.
Die zu B398/89 und B405/89 protokollierten Beschwerden derselben beiden Beschwerdeführer wenden sich gegen den nunmehr ergangenen Ersatzbescheid des Geschäftsführers des Milchwirtschaftsfonds vom 10. Februar 1989, mit dem die den Beschwerdeführern im Wirtschaftsjahr 1986/87 zustehende Einzelrichtmenge gem. §76 Abs1 MOG 1985, BGBl. 210 festgestellt wurde.
b) Die zu B404/89 protokollierte Beschwerde (desselben Beschwerdeführers wie der zu B405/89 protokollierten Beschwerde) wendet sich gegen einen in Bindung an die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. November 1985, Z85/07/0108, und vom 8. Juni 1988, Z86/17/0160, ergangenen Ersatzbescheid des geschäftsführenden Ausschusses des Milchwirtschaftsfonds, mit dem unter anderem die dem Beschwerdeführer für das Wirtschaftsjahr 1983/84 zustehende Einzelrichtmenge gemäß §76 Abs1 MOG 1985, BGBl. 210, festgestellt wurde.
c) Die zu B842/89 protokollierte Beschwerde (desselben Beschwerdeführers wie der zu B405/89 und B404/89 protokollierten Beschwerden) wendet sich gegen einen Bescheid des Geschäftsführers des Milchwirtschaftsfonds, mit dem - in Entsprechung der vom Verfassungsgerichtshof in den Erkenntnissen vom 22. Juni 1988, V139,140/87, und vom 30. Juni 1988, B849/86, B850/86, und vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 19. November 1985, Z84/07/0288, vertretenen Rechtsansicht - die dem Beschwerdeführer für das Wirtschaftsjahr 1988/89 zustehende Einzelrichtmenge gemäß §76 Abs1 MOG 1985, BGBl. 210, festgestellt wurde.
Die beiden Beschwerdeführer behaupten jeweils, durch die von ihnen angefochtenen Bescheide in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen in ihren Rechten verletzt zu sein und beantragen die Aufhebung der angefochtenen Bescheide, in eventu die Abtretung der Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof.
2. Unter anderem aus Anlaß dieser Beschwerden leitete der Verfassungsgerichtshof mit Beschlüssen vom 7. Dezember 1989 gemäß Art140 Abs1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "Verordnungen (allgemein verbindliche Anordnungen) der Verwaltungskommissionen der Fonds gelten als Bundesgesetze bis zur Erlassung neuer Verordnungen durch die zuständigen Organe der Fonds weiter und" in ArtVII Abs1 der Marktordnungsgesetz-Novelle 1988, BGBl. 330, ein. Mit Erkenntnis vom 3. März 1990, G2/90 ua., hob er diese gesetzliche Bestimmung als verfassungswidrig auf.
3. Im fortgesetzten Beschwerdeverfahren entstanden beim Verfassungsgerichtshof Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Z2 ("Eigentumsübertragung von Futterflächen") der Verordnung des geschäftsführenden Ausschusses des Milchwirtschaftsfonds vom 6. Oktober 1982, kundgemacht im Amtlichen Teil der "Österreichischen Milchwirtschaft" vom 7. November 1982, Beilage 15 (zu Heft 21), Nr. 65b, S. 212f, weswegen er mit Beschluß vom 15. März 1990 gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen das vorliegende Verordnungsprüfungsverfahren einleitete.
4. Im Verordnungsprüfungsverfahren haben der geschäftsführende Ausschuß des Milchwirtschaftsfonds und der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Äußerungen abgegeben, in denen sie (der geschäftsführende Ausschuß des Milchwirtschaftsfonds mit teilweise von den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes abweichender Begründung) die vorläufige Auffassung des Verfassungsgerichtshofes teilen, die in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung sei gesetzwidrig.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die in Prüfung gezogene Z2 der Verordnung des geschäftsführenden Ausschusses des Milchwirtschaftsfonds vom 6. Oktober 1982 (im folgenden als Futterflächenübertragungsverordnung bezeichnet) hat folgenden Wortlaut:
"Eigentumsübertragung von Futterflächen
a) Im Falle der Eigentumsübertragung von Futterflächen geht die Einzelrichtmenge an den oder die neuen Eigentümer über. Soferne das Eigentum über Futterflächen an mehrere übertragen wird, ist weitere Voraussetzung, daß vereinbart wird, wie die Einzelrichtmenge aufgeteilt wird, wobei die einzelnen Teilmengen jeweils zur Gänze durch zwölf teilbare Mengen sein müssen und in Summe die bisherige Einzelrichtmenge ergeben müssen.
b) Zur Überprüfung der Einhaltung dieser Bestimmungen wird festgelegt, daß die in lita genannten Eigentumsübertragungen durch das in der Beilage enthaltene Formblatt an den zuständigen Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb zu melden sind. Dieses Formblatt kann von den Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieben selbst aufgelegt oder beim Milchwirtschaftsfonds bestellt werden.
Nach Vorlage des Formblattes an den zuständigen Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb mit vollständig ausgefüllten und von der zuständigen Landwirtschaftskammer (oder deren Bezirksstelle) und dem zuständigen Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb vollständig bestätigten Angaben geht die Einzelrichtmenge an den oder die neuen Eigentümer mit dem der Eigentumsübertragung und der Einstellung der Milcherzeugung auf dem landwirtschaftlichen Betrieb des bisherigen Eigentümers folgenden Wirtschaftsjahr (frühestens 1. Juli 1982) über. Soferne jedoch vom landwirtschaftlichen Betrieb des bisherigen Eigentümers im Wirtschaftsjahr der Eigentumsübertragung keine Milch übernommen wurde, kann die Einzelrichtmenge über Antrag bereits mit Beginn des laufenden Wirtschaftsjahres (frühestens 1. Juli 1982) übergehen, in welchem die Eigentumsübertragung wirksam geworden ist und am landwirtschaftlichen Betrieb des bisherigen Eigentümers die Milcherzeugung eingestellt wurde.
Die Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetriebe haben diese Formblätter gesammelt aufzubewahren. Die Formblätter werden von den Fondsprüfern anläßlich der jährlichen Revision daraufhin überprüft, ob für alle vorgenommenen Übertragungen von Einzelrichtmengen vollständig ausgefüllte und bestätigte Formblätter vorliegen.
c) Der landwirtschaftliche Betrieb des bisherigen Eigentümers ist innerhalb von 4 Jahren ab Verlust seiner Einzelrichtmenge vom Erwerb einer neuen Einzelrichtmenge gemäß §57g Abs4 MOG ausgeschlossen."
2.a) Die Zulässigkeit der diesem Verordnungsprüfungsverfahren zugrundeliegenden Beschwerden hat der Verfassungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 3. März 1990, G2/90 ua., im Rahmen der Prüfung der Prozeßvoraussetzungen des aus Anlaß dieser Beschwerden eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahrens festgestellt.
b) Es hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung zweifeln ließe.
c) Der Verfassungsgerichtshof hat (unter anderem aus Anlaß der zugrundeliegenden Beschwerden) ArtVII Abs1 der Marktordnungsgesetz-Novelle 1988, BGBl. 330, mit Erkenntnis vom 3. März 1990, G2/90 ua., teilweise aufgehoben. Diese Bestimmung hatte folgenden Wortlaut (die aufgehobene Wortfolge ist hervorgehoben):
"Verordnungen (allgemein verbindliche Anordnungen) der Verwaltungskommissionen der Fonds gelten als Bundesgesetze bis zur Erlassung neuer Verordnungen durch die zuständigen Organe der Fonds weiter und die in den Geschäftsordnungen der Fonds am 30. Juni 1988 enthaltenen Aufgaben der Verwaltungskommissionen gelten bis zur Neuerlassung der Geschäftsordnungen der Fonds als Aufgaben der geschäftsführenden Ausschüsse."
Wie der Verfassungsgerichtshof in diesem Erkenntnis festgestellt hat, wurden durch diese gesetzliche Bestimmung alle Verordnungen der Verwaltungskommissionen und der (von den Verwaltungskommissionen delegierten) geschäftsführenden Ausschüsse in den Gesetzesrang gehoben, somit auch die Futterflächenübertragungsverordnung. Da diese gesetzliche Bestimmung aber der Futterflächenübertragungsverordnung inhaltlich nicht derogierte, sondern lediglich den Rang dieser Norm im Stufenbau der Rechtsordnung veränderte, ist die Verordnung als solche mit der Aufhebung der genannten Wortfolge in ArtVII leg.cit. nicht weggefallen. Nach Art140 Abs7 B-VG ist die Rechtslage im vorliegenden Fall nun so zu beurteilen, als ob die aufgehobene gesetzliche Bestimmung niemals bestanden hätte. Dies hat zur Folge, daß die Futterflächenübertragungsverordnung nunmehr wieder als Verordnung in Kraft steht.
d) Da auch alle übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.
3.a) Der Verfassungsgerichtshof äußerte im Einleitungsbeschluß gegen die in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung das Bedenken, sie sei ohne gesetzliche Grundlage erlassen worden und daher wegen Widerspruchs zu Art18 B-VG gesetzwidrig.
Die Verordnung stütze sich nach ihrer Präambel auf §57e Abs5 Z2 MOG 1967 idF BGBl. 309/1982. Der Verfassungsgerichtshof habe bereits im Erkenntnis VfSlg. 10835/1986, das eine denselben Gegenstand regelnde, spätere Verordnung betraf, festgestellt, daß sich die in dieser Gesetzesbestimmung enthaltene Ermächtigung an den Verordnungsgeber zur Regelung des Überganges der Einzelrichtmenge nur auf Fälle von Pachtverträgen an Futterflächen erstrecke, nicht aber solche von Eigentumsübertragungen.
Wie in dem genannten Erkenntnis prüfte der Verfassungsgerichtshof im Einleitungsbeschluß weiters, ob der Abs2 des §57e MOG idF BGBl. 309/1982 (der während des gesamten zeitlichen Anwendungsbereiches der Futterflächenübertragungsverordnung galt) eine gesetzliche Grundlage der Verordnung bieten könnte, und kam zu dem vorläufigen Ergebnis, daß dies nicht der Fall sei.
b) Auch der geschäftsführende Ausschuß des Milchwirtschaftsfonds räumt in seiner Äußerung ein, für die in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung gebe es keinerlei gesetzliche Grundlage. Dabei vertritt der Milchwirtschaftsfonds eine andere (nämlich engere) Interpretation des §57e Abs2 MOG, die aber nichts daran ändert, daß die in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung darauf nicht gestützt werden kann.
Diese wurde folglich ohne gesetzliche Grundlage erlassen und ist daher wegen Widerspruchs zu Art18 B-VG gesetzwidrig.
4. Da diese Verordnungsbestimmung mittlerweile nicht mehr in Kraft steht, ist gemäß Art139 Abs4 B-VG auszusprechen, daß die Z2 der Verordnung des geschäftsführenden Ausschusses des Milchwirtschaftsfonds vom 7. November 1982, betreffend die Eigentumsübertragung an Futterflächen, gesetzwidrig war.
Der Ausspruch über die Kundmachung stützt sich auf Art139 Abs5 zweiter Satz B-VG.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.
Schlagworte
VfGH / Aufhebung Wirkung, Marktordnung, Rechtsquellensystem, Stufenbau der RechtsordnungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1990:V181.1990Dokumentnummer
JFT_10098870_90V00181_00