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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
BAO §111 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde des Dipl.Ing. A in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 18. April 1990, GZ. 6/1-1242/89-15, betreffend Festsetzung einer Zwangsstrafe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Zivilingenieur für Bauwesen. Am 13. Oktober 1988 wurde dem steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers die Durchführung einer abgabenbehördlichen Prüfung insbesondere für die Jahre 1982 bis 1984 angekündigt. Das Finanzamt richtete danach an den Beschwerdeführer wiederholt die Aufforderung, "alle Buchhaltungsunterlagen samt Belegen und sonstigen Unterlagen im Original für die Jahre 1982 bis 1984" vorzulegen.
Mit einem Vorhalt vom 31. Oktober 1988 wurde der Beschwerdeführer unter anderem aufgefordert, folgende Fragen zu beantworten:
"1. Auftraggeber gegliedert nach öffentlichen und privaten Auftraggebern mit Namen und Anschriften,
2. Bezeichnung und Lage (Ort) der Projekte (einschließlich etwaiger betriebsinterner Bezeichnung bzw. Numerierung),
3.
Beginn und Ende der Arbeiten,
4.
Name und Anschrift der Projektleiter,
5.
maßgebliche in- und ausländische Subunternehmerleistungen zu den einzelnen Projekten unter Angabe der Namen und Anschriften (Architekten, Ingenieure, Baumeister, etc.),
6. Aufbewahrungsort der Pläne und dazugehörigen Bauordner."
Nach weiteren "Besprechungen" forderte das Finanzamt den Beschwerdeführer am 28. Juli 1989 auf, die "für die Durchführung des Betriebsprüfungsverfahrens, d.h. zur Sachverhaltsermittlung und Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen sowie zur Erteilung der erforderlichen Auskünfte, notwendigen Unterlagen vollständig und im Original bis zum 23. August 1989 vorzulegen." Für den Fall, daß dieser Aufforderung nicht entsprochen werden würde, wurde eine Zwangsstrafe in Höhe von S 3.000,-- angedroht.
Da der Beschwerdeführer der Aufforderung vom 28. Juli 1989 nicht nachkam, setzte das Finanzamt die Zwangsstrafe von S 3.000,-- mit Bescheid vom 7. September 1989 fest. Nach der Begründung des Bescheides habe dem Pauschaleinwand der beruflichen Verschwiegenheitspflicht nicht gefolgt werden können. Es könne nicht erkannt werden, wie und in welchem Ausmaß durch die Vorlage der abverlangten Unterlagen schutzwürdige Interessen Dritter verletzt werden könnten.
In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde die Ansicht vertreten, die Abgabenbehörde könne die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht eines Ziviltechnikers und damit den Vertrauensschutz seiner Klienten nicht durch die Verhängung einer "Ordnungsstrafe" durchbrechen. Bei der Interessenabwägung zwischen dem Vertrauensschutz der Klienten und der abgabenrechtlichen Offenlegungspflicht werde der Vertrauensschutz als das höherwertige Rechtsgut angesehen.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde insbesondere die Auffassung vertreten, daß die den Ziviltechnikern durch § 18 Ziviltechnikergesetz, BGBl. Nr. 146/1957 (ZTG), auferlegte Verschwiegenheitspflicht gegenüber der in § 119 BAO normierten Offenlegungspflicht zurückzutreten habe. Die einem Ziviltechniker zur Kenntnis gelangten Informationen über seinen Auftraggeber seien im Verhältnis zu Informationen gegenüber einem Arzt, einem Rechtsanwalt oder einem Notar von wesentlich anderer Qualität, weshalb sie keinen Vertrauensschutz gegenüber den Abgabenbehörden erforderten.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde von diesem Gerichtshof mit Erkenntnis vom 16. Oktober 1991, B 663/90-9, abgewiesen und antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
In der Beschwerdeergänzung werden vor dem Verwaltungsgerichtshof die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 111 Abs. 1 BAO sind die Abgabenbehörden berechtigt, die Befolgung ihrer auf Grund gesetzlicher Befugnisse getroffenen Anordnungen zur Erbringung von Leistungen, die sich wegen ihrer besonderen Beschaffenheit durch einen Dritten nicht bewerkstelligen lassen, durch Verhängung einer Zwangsstrafe zu erzwingen.
Die Erzwingung einer unvertretbaren Leistung im Sinne dieser Vorschrift kann insbesondere dazu dienen, den Abgabepflichtigen zur Erfüllung seiner Offenlegungs- und Wahrheitspflichten zu verhalten. In derartigen Fällen ist davon auszugehen, daß durch die Androhung und Verhängung von Zwangsstrafen gesetzliche Verschwiegenheitspflichten nicht umgangen und verletzt werden dürfen (vgl. Stoll, BAO-Handbuch, S. 256).
Im Beschwerdefall ist der Beschwerdeführer den wiederholten Aufforderungen im Prüfungsverfahren, Ausgangsrechnungen und Bankbelege ohne Abdeckung von Belegdaten vorzulegen, nicht nachgekommen. Desgleichen hat er Informationen über Projekte und Aufträge im Prüfungszeitraum entgegen der Aufforderung der Abgabenbehörde nicht dargelegt. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, daß durch die Offenlegung dieser Geschäftspapiere und sonstigen Schriften eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht im Sinne des Ziviltechnikergesetzes verletzt werden würde.
Nach § 18 Abs. 1 ZTG sind Ziviltechniker unter anderem zur strengsten Verschwiegenheit in Angelegenheiten ihrer Betätigung eidlich zu verpflichten. Nach der in § 18 Abs. 2 ZTG festgelegten Eidesformel verpflichtet sich der Ziviltechniker durch seinen Eid unter anderem auch dazu, daß er "alle Gesetze ... unverbrüchlich einhalten" und "die gebotene Verpflichtung zur Verschwiegenheit strenge beachten werde". Nach Punkt 3.4. der auf Grund des § 30 Ingenieurkammergesetz, BGBl. Nr. 71/1969, erlassenen Verordnung der Bundes-Ingenieurkammer vom 27. Juni 1972 bzw. vom 30. Oktober 1973, Amtliche Nachrichten der Bundes-Ingenieurkammer Nr. 10/1974, bindet die Verschwiegenheitspflicht gemäß § 18 ZTG den Ziviltechniker gegenüber dem Auftraggeber. Eine Aussage dürfe nur mit dessen Zustimmung erfolgen. Nach Punkt 3.5. dieser Verordnung ist der Ziviltechniker jedoch zur Abwendung eigener straf-, zivil-, verwaltungsrechtlicher und disziplinärer Nachteile oder zur Durchsetzung seiner mit der entfalteten Tätigkeit im Zusammenhang stehenden Ansprüche, wie Honorarforderungen, Schadenersatz und dgl. berechtigt, die erforderlichen Angaben in einem hiefür unumgänglich notwendigen Ausmaß zu machen.
Im Hinblick auf diese Rechtsvorschriften ist die belangte Behörde zutreffend zu der Auffassung gelangt, daß die Verschwiegenheitspflicht der Ziviltechniker keine absolute ist. Insbesondere aus Punkt 3.5. der angeführten Standesregeln ist ersichtlich, daß die Verschwiegenheitspflicht in einem nicht unbeträchtlichen Ausmaß durchbrochen werden kann, wobei die Beurteilung der hiefür maßgebenden Kriterien dem Ziviltechniker selbst obliegt. Schon aus diesen Regelungen über die Durchbrechung der Verschwiegenheitsverpflichtung zur Abwehr verwaltungsrechtlicher Nachteile einerseits und zur Durchsetzung der Ansprüche des Ziviltechnikers anderseits ist ersichtlich, daß der Vorlage von Ausgangsrechnungen und den damit in Zusammenhang stehenden Geschäftspapieren eine Verschwiegenheitsverpflichtung des Ziviltechnikers nicht entgegensteht.
Auch die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung im Vergleich zu anderen, einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegenden Berufsgruppen unterstützt ihren Standpunkt: Die Regelung über die ärztliche Verschwiegenheitspflicht (vgl. nunmehr § 26 Ärztegesetz 1984, BGBl. Nr. 373) zielt erkennbar darauf ab, dem Patienten einen möglichst weitgehenden Vertrauensschutz zu gewähren (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. September 1986, 85/14/0007). Die den Parteienvertretern (Notare, Rechtsanwälte, Wirtschaftstreuhänder) auferlegte Geheimhaltungspflicht ist zum Schutz und im Interesse jener Parteien festgelegt worden, die den Parteienvertreter im Vertrauen auf eben diese Geheimhaltungspflicht in ihre Privatangelegenheiten einschalten und ihm Einblick in ihre Privatsphäre gewähren (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Mai 1964, 184/64, Slg. Nr. 3083/F). So dient etwa im Strafverfahren die Befreiung der Verteidiger, Rechtsanwälte etc. von der Verbindlichkeit zur Ablegung eines Zeugnisses über das ihnen in dieser Eigenschaft vom Beschuldigten Anvertraute nicht nur dem Schutz des Zeugen, vielmehr auch im Interesse eines fairen Verfahrens dem verfassungsgesetzlich gesicherten Recht des Beschuldigten auf seine Verteidigung (vgl. das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 23. April 1991, 14 Os 20,21/91, AnwBl 1991, S. 644). Im Vergleich hiezu hat die belangte Behörde die dem Ziviltechniker zukommende Information zutreffend als weniger schutzwürdig angesehen. Sie hat daher bei der Abwägung zwischen den Interessen des Auftraggebers des Beschwerdeführers an der Geheimhaltung der diesen betreffenden Daten und dem öffentlichen Interesse an der Offenlegung der für die Abgabenerhebung beim Ziviltechniker maßgebenden Tatsachen der Offenlegungspflicht richtigerweise das größere Gewicht beigemessen. Dieser Auffassung der belangten Behörde steht auch nicht entgegen, daß der Verschwiegenheitspflicht des Ziviltechnikers in vielen Bereichen - wie etwa in dem vom Beschwerdeführer hervorgehobenen Beispiel der Erstellung von Flächenwidmungsplänen und anderen Großprojekten - eine weitreichende wirtschaftliche Bedeutung zukommt.
Auch § 171 Abs. 1 lit. c BAO, wonach von einem Zeugen die Aussage über Fragen verweigert werden darf, die er nicht beantworten könnte, ohne eine ihm obliegende gesetzlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit zu verletzen, stützt den Standpunkt des Beschwerdeführers nicht. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Bestimmung für den Beschwerdefall präjudiziell ist: Stoll vertritt im BAO-Handbuch, S. 341, die Auffassung, daß die gemäß § 143 Abs. 3 BAO sinngemäß heranzuziehenden Vorschriften über Aussageverweigerungsrechte der Zeugen im Abgabenverfahren nicht gelten, wenn die Auskunftsperson selbst Abgabepflichtiger ist. Auch die Bestimmung des § 171 Abs. 1 lit. c BAO ist aber insoferne an den standesrechtlichen Bestimmungen zu messen, nach welchen eben einem Ziviltechniker in seiner Eigenschaft als Abgabepflichtigen keine absolute Verpflichtung zur Verschwiegenheit auferlegt ist.
Schließlich ist aus dem Umstand, daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auf die die Organe der Abgabenbehörden treffenden Verschwiegenheitspflichten im Sinne des Art. 20 Abs. 3 B-VG und § 48a BAO hingewiesen hat, für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen: Es ist zwar richtig, daß eine Verschwiegenheitspflicht grundsätzlich auch gegenüber Personen besteht, denen selbst wieder eine Verschwiegenheitspflicht obliegt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. September 1986, 85/14/0007); aus dem angefochtenen Bescheid ist aber deutlich erkennbar, daß die belangte Behörde ihre Entscheidung keineswegs auf eine Verschwiegenheitspflicht der Organwalter gestützt hat.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1991130249.X00Im RIS seit
20.11.2000