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L55007 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Tirol;Norm
NatSchG Tir 1991 §43 Abs1 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des W in N, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 24. September 1992, Zl. 2/27-2/1992, betreffend Übertretung des Tiroler Naturschutzgesetzes, (weitere Partei: Tiroler Landesregierung) zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Bezirkshauptmannschaft erteilte mit Bescheid vom 1. Oktober 1991 der X-AG über deren Antrag gemäß § 6 Abs. 1 lit. d und e des Tiroler Naturschutzgesetzes 1991, LGBl. für Tirol Nr. 29, die Bewilligung für die Vornahme von Geländekorrekturen auf dem Grundstück Nr. 1190/1 der KG K zum Zwecke der Verbesserung der Schiabfahrt "Y". Auf den von diesem Bescheid unter anderem erfaßten Teilflächen Nr. 5, 8 und 9 sollten dort vorhandene Steine bzw. Felsrippen entfernt werden, um eine bessere Präparierbarkeit bzw. Befahrbarkeit der Piste zu gewährleisten. Auflagepunkt 2 dieses Bescheides betrifft die Teilfäche 5 und schreibt vor, daß das Gelände "östlich des S" nur händisch entsteint werden darf und daß die unterhalb der Quellflur zu entfernenden Steine in den darunter gelegenen Vertiefungen zu deponieren, zu humusieren und zu begrünen sind. Für die Teilfläche 8 und 9 sieht Auflagepunkt 4 vor, daß die hier vorgesehenen Felsabtragungen nur in Handarbeit (ohne Bagger- und Raupenfahrzeuge) vorgenommen werden dürfen. Gegen diesen Bescheid berief der Landesumweltanwalt von Tirol; die Berufung wurde mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 4. März 1992 abgewiesen.
Auf Grund der Wahrnehmungen des Naturschutzbeauftragten und eines Organes der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel am 12. und 16. Oktober 1991 über Arbeitsmaßnahmen im Bereich der gegenständlichen Flächen leitete die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel ein Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer ein. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 24. September 1992 sprach der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol aus, der Beschwerdeführer habe als zur Vertretung nach außen berufenes Vorstandsmitglied der X-AG zu verantworten, daß im Herbst 1991, insbesondere auch am 12. und 16. Oktober 1991, durch Arbeiter der X-AG auf dem Grundstück 1190/1 der KG K die beantragten Geländekorrekturen im Bereich der Teilflächen 5, 8 und 9 (Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 1. Oktober 1991) vorgenommen worden seien, obwohl hiefür keine rechtskräftige naturschutzrechtliche Bewilligung vorgelegen sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch gegen die §§ 6 Abs. 1 lit. d und e in Verbindung mit 43 Abs. 1 lit. a des Tiroler Naturschutzgesetzes 1991 verstoßen. Nach der zweitgenannten Bestimmung wurde über ihn eine Geldstrafe von S 10.000,-- verhängt (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Tage).
In der Begründung dieses Bescheides stellte die belangte Behörde auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, insbesondere der mündlichen Verhandlung vom 24. September 1992, fest, daß auf den vom Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 1. Oktober 1991 erfaßten Teilflächen 5, 8 und 9 durch Entnahme von Steinen die beantragte Geländekorrektur zum Teil vorgenommen worden sei, und zwar seien von der Teilfläche 5 die mit diesem Bescheid bewilligten Arbeiten bis auf die Begrünung zur Gänze durchgeführt worden. Auf den Teilflächen 8 und 9 seien jeweils bereits Steine entnommen worden. Durch das Entsteinen der Piste und durch die - wenn auch geringfügigen - Planierungsarbeiten seien das äußere Erscheinungsbild der Anlage erheblich verändert und in § 1 Abs. 1 des Tiroler Naturschutzgesetzes 1991 angeführte Interessen berührt worden, sodaß die durchgeführten Arbeiten der Bewilligungspflicht unterlägen.
Der Beschwerdeführer sei unbestritten Mitglied des aus drei Personen bestehenden Vorstandes der X-AG; er sei hauptsächlich für Personalangelegenheiten, sowie für juristische und kaufmännische Belange zuständig. Das zweite Vorstandsmitglied, Dipl.Ing. R, sei für die technischen Belange verantwortlich. Die Vertretungsbefugnis sei so geregelt, daß der Vorstandsvorsitzende immer gemeinsam mit einem weiteren Vorstandsmitglied zeichnungsbefugt sei. Dem Einwand des Beschwerdeführers, er sei mit der technischen Abwicklung des gegenständlichen Vorhabens nicht befaßt gewesen, hielt die belangte Behörde entgegen, daß dann, wenn bei einer juristischen Person die Vertretungsbefugnis einem Kollektivorgan übertragen sei, die Strafbestimmungen auch auf ein einzelnes Mitglied des Kollektivorgans Anwendung fänden. Die Vertretungsbefugnis durch ein Kollektivorgan könne nur für die Frage des Verschuldens eine Rolle spielen.
In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend; er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer meint, er sei einerseits gemäß § 9 Abs. 1 VStG nicht für die ihm zur Last gelegte Tat verantwortlich und andererseits nach Abs. 2 dieses Paragraphen exkulpiert. Da er nur gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Vorstandes zur Vertretung nach außen berufen sei, könne er begrifflich nicht allein strafrechtlich verantwortlich sein. Die technische Durchführung des gegenständlichen Vorhabens sei dem mit technischen Angelegenheiten befaßten Vorstandsmitglied Dipl.Ing. R oblegen. Mit der Durchführung der inkriminierten Maßnahmen sei der Betriebsleiter der X-AG Ing. P betraut worden; dieser sei damit zum verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG bestellt worden. Im übrigen habe sich die belangte Behörde mit dieser Bestimmung gar nicht befaßt.
Bei der Beurteilung dieses Vorbringens ist von den Regelungen des § 9 VStG über die Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen auszugehen. Nach dem Abs. 1 dieses Paragraphen ist dafür strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind. Nach Abs. 2 erster Satz sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das gesamte Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Nach dem zweiten Satz dieser Gesetzesstelle können für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.
Wie der Verwaltungsgerichtshof dazu in ständiger Rechtsprechung erkennt (siehe die Erkenntnisse vom 10. Juli 1962, Slg. 5844/A, und vom 20. Oktober 1992, Zl. 90/04/0266) finden auch im Falle der Übertragung der Vertretungsbefugnis einer juristischen Person auf ein Kollektivorgan die Strafbestimmungen auf das einzelne Mitglied des Kollektivorganes Anwendung. Angesichts dieser Rechtslage hat die belangte Behörde mit Recht dem Umstand, daß der Beschwerdeführer nur gemeinsam mit dem Vorstandsvorsitzenden zeichnungsbefugt ist, nicht eine die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers gemäß § 9 VStG ausschließende Bedeutung beigemessen. Dies gilt in gleicher Weise für die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte interne Aufteilung der Wirkungsbereiche der Vorstandsmitglieder (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juli 1990, Zl. 90/19/0178, und vom 24. Juli 1991, Zl. 91/19/0111).
Daß ein anderes Mitglied des Vorstandes im Sinne des § 9 Abs. 2 erster Satz VStG zum verantwortlichen Beauftragten für die Einhaltung der von der Bergbahn X-AG zu beachtenden Verwaltungsvorschriften (einschließlich jener des Tiroler Naturschutzgesetzes 1991) bestellt worden sei, wird in der Beschwerde nicht behauptet.
Eine den Beschwerdeführer entlastende Berufung auf einen verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 zweiter Satz VStG hätte zur Voraussetzung, daß bei der Behörde spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens ein aus der Zeit vor der Begehung der dem Beschwerdeführer angelasteten Verwaltungsübertretung stammender Zustimmungsnachweis (etwa in Form einer Urkunde oder einer Zeugenaussage) eines derartigen verantwortlichen Beauftragten einlangte (vgl. zur diesbezüglichen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes neben dem vom Beschwerdeführer genannten Erkenntnis vom 22. März 1991, Zl. 90/19/0597, auch das Erkenntnis vom 25. Jänner 1993, Zl. 92/10/0467, mit weiteren Judikaturhinweisen). In der Beschwerde wird nun nicht konkret behauptet, daß ein solcher Zustimmungsnachweis vorhanden gewesen sei, geschweige denn, daß er im Verwaltungsstrafverfahren der Behörde vorgelegt worden wäre. Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Aussagen im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens kommen, weil es sich hiebei nicht um aus der Zeit vor der Begehung der Tat stammende Beweismittel handelt, von vornherein nicht als tauglicher Zustimmungsnachweis im Sinne des § 9 Abs. 4 VStG in Betracht. (Im übrigen erklärte der mit der Durchführung der gegenständlichen Maßnahmen unmittelbar betraute Betriebsleiter der X-AG Ing. P bei seiner Vernehmung am 24. September 1992 ausdrücklich, daß ihm im Sinne des § 9 VStG keine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit übertragen worden sei.)
Mangels eines Anhaltspunktes für das Vorhandensein eines verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG und im Hinblick auf das Fehlen einer abweichenden Regelung in den im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Tiroler Naturschutzgesetzes 1991 erweist sich die Annahme der belangten Behörde als zutreffend, der Beschwerdeführer sei als Mitglied des Vorstandes der X-AG für die gegenständliche Verwaltungsübertretung im Sinne des § 9 VStG verantwortlich.
Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde weiters vor, sie habe sich nicht mit der Frage befaßt, "daß und ob der Beschwerdeführer von der inkriminierten Maßnahme Kenntnis hatte oder haben konnte und daß und ob diese von den kollektiv vertretungs- und geschäftsführungsbefugten beiden anderen Mitgliedern des Kollektivorganes ohne oder sogar gegen seinen Willen angeordnet worden sind". Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, daß eine allfällige (unverschuldete) Unmöglichkeit, die ihm zur Last gelegten Maßnahmen zu verhindern, für die Frage seines Verschuldens von Bedeutung wäre. Für die belangte Behörde bestand aber nach Lage des Falles mangels eines entsprechenden Vorbringens des Beschwerdeführers kein Anlaß, sich mit dieser Frage zu befassen. Da der im Beschwerdefall anzuwendende § 43 Abs. 1 lit. a des Tiroler Naturschutzgesetzes 1991 über das Verschulden nichts bestimmt und zu diesem Tatbestand der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört, lag es gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG am Beschwerdeführer glaubhaft zu machen, daß ihn an der Verletzung dieser Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Der Beschwerdeführer hätte daher von sich aus darlegen müssen, daß und weshalb ihm die Einhaltung der verletzten Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich war. Er hat jedoch ein derartiges Vorbringen im Verwaltungsverfahren nicht erstattet, wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zu Recht ausführt. Sie durfte daher gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG ohne weiteres Fahrlässigkeit annehmen. Der gerügte Verfahrensmangel liegt sohin nicht vor.
Der Beschwerdeführer bemängelt schließlich die Nichtbeiziehung eines Sachverständigen für Kulturbautechnik zur Klärung der Frage, ob die gegenständlichen Maßnahmen überhaupt naturschutzrechtlich bewilligungspflichtig seien. Hiefür seien der Naturschutzbeauftragte (Gymnasiallehrer) wie auch der Sachbearbeiter der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel (Jurist) nicht kompetent. Hingegen hätten die auf dem Gebiet der Kulturbautechnik sicher professionellen Zeugen Dipl.Ing. R und Ing. P erklärt, daß die gesetzten Maßnahmen einerseits der Erfüllung eines behördlichen Auftrages entsprächen und anderseits für sich allein sicher nicht naturschutzrechtlich bewilligungspflichtig seien.
Diesem Vorbringen ist zum einen entgegenzuhalten, daß von der Erfüllung eines behördlichen Auftrages keine Rede sein kann. Richtig ist, daß die zuletzt genannten zwei Zeugen bei ihrer Vernehmung am 24. September 1992 aussagten, es sei in dem naturschutzrechtlichen Verfahren betreffend näher genannte Liftanlagen der X-AG aufgetragen worden, für die Böschung bei der Bergstation Natursteine aus der Umgebung zu verwenden. Keiner dieser beiden Zeugen gab jedoch an, daß die Entnahme von Steinen unter anderem von den gegenständlichen Flächen vorgeschrieben worden wäre, bzw. daß es überhaupt konkrete Vorschreibungen über den Entnahmeort gegeben habe. Zum anderen ist unerfindlich, warum der Naturschutzbeauftragte der Erstbehörde und deren Sachbearbeiter, der mit dem naturschutzrechtlichen Bewilligungsverfahren für die in Rede stehende Schipiste befaßt war, nicht in der Lage sein sollten, kompetent darüber Auskunft zu geben, ob es sich bei den gegenständlichen, auf den Teilflächen 5, 8 und 9 vorgenommenen Arbeiten um solche Maßnahmen handelt, die Gegenstand des naturschutzrechtlichen Bewilligungsverfahren waren und die im besonderen Anlaß gaben für bestimmte Vorschreibungen im Bewilligungsbescheid vom 1. Oktober 1991. Daß die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten zwei Zeugen die getroffenen Maßnahmen als für sich allein nicht bewilligungspflichtig werteten, ist hiebei unerheblich und ändert insbesondere nichts an deren Charakter als (Teil-)Maßnahmen im Zug der - unbestritten bewilligungspflichtigen - Errichtung bzw. Änderung einer bestehenden Schipiste. Daher liegt auch der insoweit behauptete Verfahrensmangel nicht vor.
Aus diesen Erwägungen ist die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992100471.X00Im RIS seit
20.11.2000