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50/01 Gewerbeordnung;Norm
GewO 1859 §25;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte Dr. Weiss, DDr. Jakusch, Dr. Gruber und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der K-G.m.b.H. in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 16. September 1992, Zl. 315.211/1-III/3/92, betreffend Feststellung (Genehmigungspflicht einer gewerblichen Betriebsanlage), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 4. Oktober 1991 wurde auf Antrag der Beschwerdeführerin vom 28. November 1990 gemäß § 358 Abs. 1 GewO 1973 festgestellt, daß der Betrieb einer "Bar" und eines "Cafe-Restaurants" in W, der gewerbebehördlichen Genehmigung bedürfe. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, mit Dekreten vom 19. November 1990 sei der Beschwerdeführerin die Konzession zum Betrieb des Gastgewerbes in den Betriebsarten "Bar" und "Cafe-Restaurant" erteilt worden. Bei diesem Betrieb handle es sich um die Neueröffnung bzw. Weiterführung eines früher von Wa geführten Betriebes. Im Rahmen dieses Betriebes sei bereits vom Betriebsvorgänger eine Diskothekanlage betrieben worden. Bereits vor der Neueröffnung des Betriebes am 29. November 1990 seien von drei namentlich angeführten Nachbarn bei der Gewerbebehörde Bedenken wegen zu erwartender Störung der
Nachtruhe durch den Diskothekbetrieb ... deponiert worden;
diesen Bedenken hätten sich in der weiteren Folge auch der Elternverein und das Pfarramt W angeschlossen, wobei auch auf eine angeblich geplante Aufstellung von Spielautomaten Bezug genommen worden sei. Die Befürchtungen der Nachbarn hätten schließlich in der Gründung einer "Bürgerinitiative W" gegipfelt, welche in einer Unterschriftenaktion vom 2. November 1990 u.a. vorgebracht habe, "daß es bereits in den vergangenen Jahren durch einen ähnlichen Betrieb zu Störungen
der Nachtruhe ... durch Lärm aus der Diskothek gekommen sei.
Die gegenständliche Betriebsanlage sei unter dem Vorgänger Wa gewerbebehördlich nicht genehmigt worden. Seit der Neueröffnung des Betriebes sei es wiederholt zu Beschwerden von Nachbarn gekommen, die zu einer Reihe von Strafanzeigen geführt hätten; die diesbezüglichen Verfahren seien noch nicht abgeschlossen. Die Gendarmerie habe wiederholt und zuletzt ausführlich in einem Bericht des Bezirksgendarmeriekommandos Steyr-Land vom 27. Juni 1991 auf massive Beschwerde wegen "starker
Lärmbelästigung ... im Zusammenhang mit dem Diskothekbetrieb"
hingewiesen. Um die offenkundig unannehmbare Lage für die Nachbarn in absehbarer Zeit zu verbessern, habe die Gewerbebehörde gleich nach der Eröffnung des Betriebes beim Bezirksbauamt Steyr um ein Gutachten ersucht, um allfällige Maßnahmen nach § 360 Abs. 2 GewO 1993 setzen zu können. Da die hiefür erforderlichen Lärmmessungen relativ viel Zeit in Anspruch genommen hätten, liege das Gutachten des technischen Amtssachverständigen erst seit 26. Juni 1991 der Behörde vor. Dieses Gutachten sei in der weiteren Folge durch ein amtsärztliches Gutachten vom 30. August 1991 ergänzt worden. Beide Gutachten verwiesen auf unzumutbare Lärmbelästigungen für die Nachbarschaft und würden unabhängig von der vorliegenden Feststellung nach Abschluß des Verfahrens zu erforderlichen Maßnahmen durch die Gewerbebehörde führen. Die Beschwerdeführerin sei im Hinblick auf die massiv vorliegenden Beschwerden, die gutachtlich im wesentlichen bestätigt worden seien, eingeladen worden, ihren Antrag auf Feststellung zurückzuziehen und ehestens um die gewerbebehördliche Genehmigung anzusuchen. Die Beschwerdeführerin habe dies abgelehnt und als Begründung auf die Übergangsbestimmung des § 376 Z. 11 Abs. 2 GewO 1973 verwiesen. Dieser Argumentation könne nicht gefolgt werden. Die angeführte Übergangsbestimmung verweise auf Anlagen, die nach den bisher geltenden Bestimmungen nicht genehmigungspflichtig gewesen seien und nach den jetzt geltenden Bestimmung genehmigungspflichtig wären. Dies treffe aber im vorliegenden Fall nicht zu, da Gastgewerbebetriebe, die zu Bedenken bzw. Beschwerden der Nachbarn geführt hätten, auch bisher schon genehmigungspflichtig gewesen seien. Eine Genehmigung der Anlage unter dem Betriebsvorgänger sei nur deshalb unterblieben, weil solche Bedenken bzw. Beschwerden der Gewerbebehörde damals nicht bekannt geworden seien. Im Hinblick auf die Erfüllung der Voraussetzungen der §§ 74 ff GewO 1973 sei daher für den derzeitigen Betrieb zweifellos eine Genehmigungspflicht gegeben, sodaß spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 24. Februar 1992 wurde die Berufung gemäß § 358 i.V.m. § 376 Z. 11 Abs. 1 und 2 GewO 1973 abgewiesen. Auch dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung.
Mit Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 16. September 1992 wurden der zweit- und der erstbehördliche Bescheid behoben und das Ansuchen um Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 358 Abs. 1 GewO 1973 zurückgewiesen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, es könne als zweifelsfrei angenommen werden, daß mit dem Betrieb einer Gastgewerbebetriebsanlage in der Form einer Diskothek in verbautem Gebiet Lärm- und Geruchsimmissionen für die Nachbarn verbunden sein könnten. Schon aus diesem Grund bedürfe eine derartige Anlage einer gewerbebehördlichen Genehmigung nach der Gewerbeordnung 1973. Aber auch gemäß § 25 der Gewerbeordnung von 1859 habe für eine solche Gastgewerbebetriebsanlage schon auf Grund der für die Darbietung von Musik erforderlichen Musikanlage eine Genehmigungspflicht bestanden. Hiebei sei es nicht von rechtlicher Bedeutung, ob diese Immissionen mit Sicherheit auftreten würden oder ob ihnen gesundheitsgefährdender oder unzumutbar belästigender Charakter zukomme. Diese Fragen seien nämlich im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zu erörtern. Für die Genehmigungspflicht genüge vielmehr die bloße Möglichkeit dieser Auswirkungen, die im vorliegenden Fall als offenkundig angenommen werden könne. Bei Offenkundigkeit der Genehmigungspflicht einer Betriebsanlage sei jedoch kein Feststellungsbescheid gemäß § 358 Abs. 1 GewO 1973 zu erlassen, weshalb das gegenständliche Ansuchen zurückzuweisen gewesen sei.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin nach ihrem Vorbringen in dem Recht auf meritorischen Abspruch nach § 358 Abs. 1 GewO 1973 unter Abstandnahme von dem herangezogenen Zurückweisungsgrund als verletzt.
Sie trägt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes vor, dem angefochtenen Bescheid könne nicht entnommen werden, inwieweit die gegenständliche Betriebsanlage vor der neuen Gewerbeordnung im Jahre 1973 bzw. vor mehr als 30 Jahren nach § 25 der Gewerbeordnung von 1859 genehmigungspflichtig hätte gewesen sein sollen. Die belangte Behörde habe die hiefür erforderlichen Feststellungen unterlassen. Die belangte Behörde habe (ebenso wie die Unterbehörden) vielmehr den aus den Akten hervorgehenden Umstand, daß die von der Beschwerdeführerin gepachtete Betriebsanlage seit bereits mehr als 30 Jahren von den inzwischen tödlich verunglückten Eltern der minderjährigen Verpächter betrieben worden sei und daß darüber hinaus von der Beschwerdeführerin nach Pachtbeginn lärmschützende Maßnahmen gesetzt worden seien, durch die gegenüber der Situation bei Eröffnung der Diskothekenanlage, aber auch in den letzten rund 30 Jahren das Ausmaß der Lärmbelästigung bzw. Beeinträchtigung sogar noch wesentlich herabgesetzt worden sei, in Verkennung der Rechtslage unberücksichtigt gelassen. Sie habe damit den Bescheid mit einer Mangelhaftigkeit belastet, den der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Entscheidungen in vergleichbaren Fällen bereits moniert habe. So habe der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. Jänner 1987, Zl. 85/04/0207, eben auf Grund einer mangelnden Konkretisierung die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beschlossen (vgl. auch die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. März 1982, Zl. 81/04/0116, und vom 20. Oktober 1987, Zl. 86/04/0085).
Die Betriebsanlage sei in Form einer Diskothek schon seit mehr als 30 Jahren betrieben worden, ohne daß es jemals zu einem Betriebsanlagengenehmigungsverfahren gekommen sei. Die Beschwerdeführerin habe, als sie diesen Betrieb gepachtet habe, darauf vertrauen können, daß für einen lebenden Betrieb, der schon so lange sowohl von den Anrainern, als auch von den Behörden nicht beanstandet worden sei, keine (neue) Betriebsanlagengenehmigung erforderlich sei. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung habe im vorliegenden Fall die Übergangsbestimmung des § 376 Z. 11 Abs. 2 GewO 1973 zur Anwendung zu gelangen. Konkrete Feststellungen über den Istzustand vor 30 Jahren seien mit Ausnahme der Feststellung der ständigen Inbetriebnahme seit mehr als 30 Jahren sogar entbehrlich.
Die Behörde hätte hiebei auch berücksichtigen müssen, daß nach § 25 der Gewerbeordnung von 1859 (zum Unterschied zu § 74 GewO 1973) eine Genehmigungspflicht nur bei einer Gefährdungs- oder Belästigungseignung durch ungewöhnliches Geräusch erforderlich sei. (Die übrigen Einflüsse, die diese Gesetzesstelle zum Anlaß für eine Genehmigungspflicht genommen habe, könnten dahingestellt bleiben, weil sie im konkreten Fall nicht vorlägen und daher außer Bedacht bleiben könnten.) Die Beschwerdeführerin vertrete die Auffassung, daß ein im konkreten Fall mögliches, für Nachbarn wahrnehmbares Musikgeräusch aus einem Diskothekenbetrieb kein "ungewöhnliches" Geräusch darstelle, und daß dies umso weniger als solches bezeichnet werden könne, wenn - wie im vorliegenden Fall - dieses Geräusch schon seit mehr als 30 Jahren für die Nachbarn zur Gewohnheit geworden sein müsse. Insoferne erscheine der lange Zeitraum der Inbetriebnahme im Zusammenhang mit der rechtlichen Beurteilung von wesentlicher Bedeutung, weshalb die Beschwerdeführerin neben der auf Grund der obzitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes doch recht eindeutigen Mangelhaftigkeit des Bescheides auch die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend mache.
Werden Umstände bekannt, die die Genehmigungspflicht einer Anlage im Sinne des § 74 begründen könnten, zieht aber der Inhaber der Anlage in Zweifel, daß die Voraussetzungen für die Genehmigungspflicht gegeben seien, so hat die Behörde (§§ 333, 334 und 335) im Grunde des § 358 Abs. 1 GewO 1973 auf Antrag des Inhabers der Anlage die Anlage oder das Vorhaben zu prüfen und durch Bescheid festzustellen, ob die Errichtung und der Betrieb der Anlage der Genehmigung bedürfen. Ein Feststellungsbescheid ist jedoch nicht zu erlassen, wenn die Genehmigungspflicht der Anlage offenkundig ist.
Nach § 74 Abs. 2 GewO 1973 dürfen gewerbliche
Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334,
und 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der
Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer
Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet
sind, u.a. 1. das Leben oder die Gesundheit ... der
Nachbarn ... zu gefährden, 2. die Nachbarn durch ... Lärm ...
zu belästigen.
Die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes (1. August 1974) errichteten Betriebsanlagen, die nach den bisher geltenden Vorschriften nicht genehmigungspflichtig waren und nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes genehmigungspflichtig wären, bedürfen gemäß § 376 Z. 11 Abs. 2 GewO 1973 keiner Genehmigung gemäß § 74 Abs. 2; § 79 und § 81 finden sinngemäß Anwendung.
Nach § 25 der Gewerbeordnung von 1859 war die Genehmigungspflicht der Betriebsanlage bei allen Gewerben
notwendig, welche u.a. ... durch ungewöhnliches Geräusch die
Nachbarschaft zu gefährden oder zu belästigen geeignet sind.
Zur Rechtslage ist ferner festzuhalten, daß das Feststellungsverfahren nach § 358 GewO 1973 auch für die Beurteilung der Frage anwendbar ist, ob die Voraussetzungen für die Genehmigungspflicht der Änderung einer Betriebsanlage nach § 81 leg. cit. gegeben sind (siehe hiezu den in Slg. N.F. Nr. 11562/A abgedruckten Rechtssatz aus dem hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 1984, Zl. 83/04/0305).
Weiters ist zum normativen Gehalt der vorangeführten Bestimmungen festzuhalten, daß bei Abspruch über ein auf § 358 Abs. 1 GewO 1973 gestütztes Feststellungsbegehren, wie sich aus dem in Ansehung der "Genehmigungspflicht einer Anlage im Sinne des § 74" nicht differenzierenden Wortlaut des § 358 Abs. 1 GewO 1973 ergibt, sämtliche für die Genehmigungspflicht einer bestimmten, vom Feststellungsantrag erfaßten Betriebsanlage maßgeblichen Merkmale, also nicht etwa lediglich die des § 74 Abs. 2, sondern auch die der Bestimmung des § 376 Z. 11 Abs. 2 GewO 1973, zu prüfen sind. Nach der Regelung des § 25 der Gewerbeordnung von 1859 und des § 74 Abs. 2 Z. 1 und Z. 2 GewO 1973 war und ist die Genehmigung einer Betriebsanlage bei gegebener Eignung, die in diesen Gesetzesstellen näher bezeichneten Auswirkungen, insbesondere auch Lärmimmissionen, bei Nachbarn hervorzurufen, erforderlich. Die Genehmigungspflicht war und ist daher dann gegeben, wenn solche Auswirkungen nicht auszuschließen sind. Bestehen sohin bei Bedachtnahme auf den der Partei und der Behörde offenliegenden Sachverhalt keine Zweifel daran, daß solche Auswirkungen nicht auszuschließen sind, so kommt eine Prüfung der Anlage oder des Vorhabens im Sinne des ersten Satzes des § 358 Abs. 1 GewO 1973 nicht in Betracht. In einem solchen Fall ist die Genehmigungspflicht der Anlage offenkundig und es ist im Sinne des zweiten Satzes dieser Gesetzesbestimmung kein Feststellungsbescheid zu erlassen (siehe hiezu das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1982, Zl. 81/04/0230).
Die Anwendbarkeit der Übergangsbestimmung des § 376 Z. 11 Abs. 2 GewO 1973 setzt voraus, daß eine Anlage, die am 1. August 1974 errichtet war, vor diesem Tag nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung von 1859 nicht genehmigungspflichtig war, hingegen mit diesem Tag am Maßstab der damals in Kraft getretenen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1973 als genehmigungspflichtig zu qualifizieren gewesen wäre. Nur für solche Fälle schafft die in Rede stehende Übergangsbestimmung eine Ausnahme von der Genehmigungspflicht. In solchen Fällen ist - ungeachtet des auf "eine genehmigte Anlage" abstellenden einleitenden Satzteiles und ungeachtet des auf "die bereits genehmigte Anlage" abstellenden zweiten Satzes des § 81 - die Bestimmung des § 81 (erster und zweiter Satz) GewO 1973 auf eine spätere Änderung einer - nicht genehmigten, weil eben nach der zitierten Übergangsbestimmung nicht genehmigungspflichtigen - gewerblichen Betriebsanlage, insofern die betreffende Änderung die im § 81 leg. cit. umschriebenen Auswirkungen hervorrufen kann, sinngemäß anzuwenden. Anlagen, die am 1. August 1974 errichtet und weder vor diesem Tag nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung von 1859, noch zunächst ab diesem Tag am Maßstab der damals in Kraft getretenen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1973 genehmigungspflichtig waren, fallen hingegen nicht unter die Übergangsregelung des § 376 Z. 11 Abs. 2 GewO 1973. Wurde eine solche Anlage nach dem ersten August 1974 derart verändert, daß mit dieser späteren Veränderung die Genehmigungspflicht nach der Gewerbeordnung 1973 neu eingetreten ist, so hat die behördliche Entscheidung über die Erteilung der Genehmigung im unmittelbaren Anwendungsbereich der §§ 74 und 77 GewO 1973, nicht jedoch auf der Grundlage des § 81 GewO 1973 zu ergehen. Eine Betriebsanlage schließlich, die am 1. August 1974 errichtet und die bereits nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung von 1859 genehmigungspflichtig war und die seit dem ersten August 1974 nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung von 1973 als genehmigungspflichtig zu qualifizieren ist, die jedoch weder einem Genehmigungsverfahren nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung von 1859, noch bisher einem solchen Verfahren nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung 1973 unterzogen wurde, fällt ebenfalls nicht unter die Übergangsbestimmung des § 376 Z. 11 Abs. 2 GewO 1973. Eine behördliche Entscheidung über die Erteilung der Genehmigung hat ebenfalls im unmittelbaren Anwendungsbereich der §§ 74 und 77 GewO 1973, nicht jedoch auf der Grundlage des § 81 GewO 1973 zu ergehen (siehe hiezu das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 1984, Zl. 83/04/0305).
Die Beschwerdeführerin wird in ihrer vorliegenden Beschwerde der Rechtslage im Anwendungsbereich des § 25 der Gewerbeordnung von 1859 nicht gerecht. Der in § 25 leg. cit. vorgesehenen Ungewöhnlichkeit von Geräuschen wohnt begrifflich ein ungebührlicher und die Nachbarschaft belästigender Charakter inne (vgl. hiezu Laszky-Nathansky, Kommentar zur Gewerbeordnung, Wien 1937, Seite 709 u.a.: "Der Umstand, daß eine bestimmte Betriebsart eine Belästigung" (sic) "durch ungewöhnliches Geräusch erwarten läßt, rechtfertigt immer die
Einleitung des Genehmigungsverfahrens ... Für die Qualifikation
eines Geräusches als "ungewöhnlich" im Sinne des § 25 ist ferner der Umstand maßgebend, daß durch die zu geräuschvolle Betriebsführung im konkreten Fall eine "ungebührliche" Einwirkung auf die Nachbarschaft erfolgt").
Der Ansicht der Beschwerdeführerin, ein für Nachbarn wahrnehmbares Musikgeräusch aus einem Diskothekenbetrieb stelle kein "ungewöhnliches" Geräusch dar, ist insofern nicht zu folgen, als einem solchen Musikgeräusch ein ungebührlicher und für die Nachbarschaft belästigender Charakter zukommen kann und eine solche Eigenschaft insbesondere bereits im zeitlichen Anwendungsbereich der Gewerbeordnung von 1859 haben konnte. Ein solcher Charakter von Geräuschen und damit die Genehmigungspflicht wird durch ein Auftreten während mehrerer Jahre auch ungeachtet eines - weder nach der Gewerbeordnung von 1859, noch nach der Gewerbeordnung 1973 und insbesondere nach der darin enthaltenen Übergangsbestimmung des § 376 Z. 11 Abs. 2 rechtlich relevanten - allfälligen Gewöhnungseffektes im Nachbarschaftsbereich nicht ausgeschlossen. Dem angefochtenen Bescheid läßt sich nicht entnehmen, daß die belangte Behörde die im Sinne der vorstehenden Ausführungen maßgebende Rechtslage nach § 25 der Gewerbeordnung von 1859 verkannt hätte.
Den in der Beschwerde zu § 376 Z. 11 Abs. 2 GewO 1973 enthaltenen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß diese Übergangsbestimmung einzig und allein objektiv einerseits auf die Genehmigungstatbestände nach der Gewerbeordnung von 1859 und andererseits nach der Gewerbeordnung 1973, nämlich einerseits auf das Fehlen der Genehmigungspflicht nach der früheren Regelung und andererseits auf das Zutreffen der Merkmale der Genehmigungspflicht nach den §§ 74 ff GewO 1973 abstellt; einen Vertrauenstatbestand im Hinblick darauf, daß früher ein Einschreiten der Behörde unterblieben sei, enthält § 376 Z. 11 Abs. 2 GewO 1973 nicht. Auch unter diesem Gesichtswinkel vermag die Beschwerdeführerin somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.
Die vorliegende Beschwerde erscheint in sich widersprüchlich, wenn darin einerseits die Meinung vertreten wird, die Übergangsbestimmung des § 376 Z. 11 Abs. 2 GewO 1973 mache "konkrete Feststellungen über den Zustand vor 30 Jahren mit Ausnahme der Feststellung der ständigen Inbetriebnahme seit mehr als 30 Jahren sogar entbehrlich" und wenn andererseits eine Verletzung von Verfahrensvorschriften im Sinne des hg. Erkenntnisses vom 20. Jänner 1987, Zl. 85/04/0207, geltend gemacht wird. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof nämlich die Auffassung vertreten, daß es "im Anwendungsbereich des § 25 GewO 1859 (in Verbindung mit § 376 Z. 11 Abs. 2 GewO 1973) darauf" ankommt, "ob sich im jeweiligen Einzelfall der gesetzliche Tatbestand der "besonderen Sicherheitsgefährlichkeit" oder der der "Eignung" konkretisiert hatte"; einem "Bescheid, der davon ausgeht, daß eine gewerbliche Betriebsanlage nach § 25 GewO 1859 genehmigungspflichtig gewesen sei, muß daher entnommen werden können, inwieweit die betreffenden Tatbestände vor dem 1. August 1974 erfüllt waren".
Im vorliegenden Fall ging die belangte Behörde davon aus, daß sich die Betriebsanlage schon im zeitlichen Anwendungsbereich der Gewerbeordnung von 1859 im verbauten Gebiet befunden habe. Dem angefochtenen Bescheid läßt sich allerdings - nachdem die Erstbehörde den (wenn auch rechtlich an sich nicht relevanten) Umstand hervorgehoben hatte, daß früher Bedenken bzw. Beschwerden nicht bekannt geworden seien - nicht entnehmen, auf Grund welcher Ermittlungsergebnisse die belangte Behörde zu ihrer Sachverhaltsannahme kam. Den Akten des Verwaltungsverfahrens läßt sich entnehmen, daß die Betriebsanlage der Beschwerdeführerin - gegenwärtig - im Ortszentrum von U in einer Landgemeinde gelegen sei (siehe die Stellungnahme der Abteilung Raumordnung und bautechnischer Sachverständigendienst vom 13. August 1991 und die Äußerung des medizinischen Amtssachverständigen vom 30. August 1991); andererseits etwa gaben JF und MF anläßlich ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 25. Oktober 1990 an, erst seit ca. 2 Jahren dort zu wohnen; inwieweit der heute als Ortszentrum bezeichnete örtliche Bereich bereits vor dem 1. August 1974 besiedelt war, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht festzustellen. Die belangte Behörde unterließ es, - bezogen auf die Tatbestandsmerkmale des § 376 Z. 11 Abs. 2 GewO 1973 in Verbindung mit § 25 der Gewerbeordnung von 1859 - in den angefochtenen Bescheid schlüssige Darlegungen darüber aufzunehmen, ob sich im zeitlichen Anwendungsbereich der Gewerbeordnung von 1859 der Lärm der Betriebsanlage in deren örtlicher Umgebung auf bereits damals dort lebende Nachbarn auswirken konnte (siehe hiezu auch das bereits vorstehend zitierte hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1987, Zl. 85/04/0207).
Aus den dargelegten Erwägungen blieb der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig. Außerdem entsprach die belangte Behörde ihrer Begründungspflicht nach § 60 AVG nicht, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Einhaltung der zitierten Verfahrensvorschrift zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992040259.X00Im RIS seit
06.02.2002Zuletzt aktualisiert am
20.01.2011