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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
StVO 1960 §4 Abs5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des M in I, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in A, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 7. November 1991, Zl. IIb2-V-8965/3-1991, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 7. November 1991 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe am 30. September 1990 um 11.05 Uhr in Innsbruck an einem bestimmten Ort als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws beim Rückwärtsfahren einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht, wobei er es unterlassen habe, ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle zu verständigen. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 begangen, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO 1960 eine Geldstrafe in der Höhe von S 2.000,-- (3 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht und beantragt wird, diesen kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer rügt zunächst, daß die belangte Behörde die Straf("satz")bestimmung des § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 auf § 99 Abs. 3 lit. b leg. cit. ohne nähere Begründung abgeändert habe. Hiedurch ist der Beschwerdeführer jedoch nicht belastet: Da die Einleitung des Abs. 3 des § 99 StVO 1960 einen einheitlichen Strafrahmen für alle Deliktsfälle dieser Gesetzesstelle festlegt, reicht es im Sinne des § 44a lit. c VStG 1950 schon aus, wenn von der Behörde als angewendete Gesetzesbestimmung für die Verhängung der Strafe § 99 Abs. 3 StVO 1960 zitiert wird. Wenn die belangte Behörde an Stelle der von der Erstbehörde zitierten "lit. a" richtigerweise "lit. b" anführte, überschritt sie damit nicht ihre Befugnisse, weil sie nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes berechtigt war, die Strafbestimmung zu berichtigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. September 1985, Zl. 84/03/0356).
Der Beschwerdeführer wendet sich weiters dagegen, daß weder im angefochtenen Erkenntnis noch im erstinstanzlichen Straferkenntnis im Spruch der Sachschaden am Vermögen einer dritten Person aufgenommen wurde. Da dies zur Verwirklichung der Verwaltungsübertretung gemäß § 4 Abs. 5 StVO 1960 als Tatbildmerkmal zu gelten habe, liege darin ein Verfahrensmangel. Hiezu ist zu bemerken, daß schon aus dem Straferkenntnis erster Instanz, das durch die belangte Behörde bestätigt wurde, einwandfrei ersichtlich ist, daß der "Geschädigte", also die Person, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist (§ 4 Abs. 5 letzter Satz StVO 1960), eine vom Beschwerdeführer verschiedene Person ist, mit der der Beschwerdeführer einen "Identitätsaustausch" nicht vorgenommen hatte. Abgesehen davon, daß die Erstbehörde ohnehin den Sachschaden im Straferkenntnis näher präzisierte, ist weiters zu berücksichtigen, daß es für die Meldepflicht nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 nicht auf die Art der Beschädigung ankommt, zumal Art und Ausmaß des Schadens keine wesentlichen Tatbestandselemente einer Übertretung nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 sind, und es genügt, daß überhaupt ein Sachschaden eingetreten ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. Feber 1992, Zl. 92/02/0020, und vom 30. April 1992, Zl. 92/02/0045). Der Beschwerdeführer wurde somit auch nicht durch einen mangelhaften Spruch in seinen Rechten verletzt.
Insoweit der Beschwerdeführer rügt, daß die belangte Behörde im angefochtenen Erkenntnis wesentliche Teile zur Sachverhaltsfeststellung aus dem Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 19. März 1991, Zl. 15 C 2094/90w-6, übernommen hat, ist dem zu entgegnen, daß die belangte Behörde sich nicht mit einer undifferenzierten Übernahme von Teilen aus der Begründung des Gerichtsurteiles begnügt hat, sondern einwandfrei dargelegt hat, daß die Feststellungen des Gerichtes mit den im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens gewonnen Erkenntnissen übereinstimmen. Dies macht deutlich, daß die belangte Behörde, wenn sie auch teilweise die Formulierungen aus dem Gerichtsurteil übernommen hat, die getroffenen Feststellungen aus eigenem gemacht hat und auch keine Gründe gefunden hat, von der Beweiswürdigung des Gerichtes abzuweichen. Inwieweit diesbezüglich der belangten Behörde ein konkreter Verfahrensmangel, der für den Ausgang des Verfahrens relevant ist, unterlaufen sein soll, vermag der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen.
Ausgehend von der getroffenen Feststellung, daß der Beschwerdeführer versuchte, seinen Pkw nach rückwärts auszuparken, wobei er mit seinem Fahrzeug gegen das linke hintere Stoßstangeneck des Pkws der Geschädigten stieß, sodaß deren Fahrzeug durch die Berührung in Bewegung geriet und die hintere Stoßstange samt den umliegenden Trägerteilen dadurch beschädigt wurde, kam es im vorliegenden Fall nicht allein darauf an, ob der Beschwerdeführer von dieser Beschädigung auch tatsächlich Kenntnis hatte. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zur Begründung der in § 4 Abs. 5 StVO 1960 genannten Pflichten nicht unbedingt das positive Wissen vom Verkehrsunfall und vom ursächlichen Zusammenhang erforderlich, sondern es genügt - da der Anwendungsbereich des § 4 leg. cit. in diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich auf die Schuldform des Vorsatzes beschränkt ist -, wenn die Person, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, BEI GEHÖRIGER AUFMERKSAMKEIT den Verkehrsunfall und den ursächlichen Zusammenhang hätte erkennen können (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 25. März 1992, Zl. 91/03/0041, mit weiteren Judikaturhinweisen). Ist einem an dem Unfall unbeteiligten Zeugen möglich, einen bei dem Unfall verursachten Schaden wahrzunehmen, so trifft den Lenker des den Schaden verursachenden Fahrzeuges in der Regel ein Verschulden, wenn er diesen Schaden nicht wahrgenommen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1993, Zl. 92/02/0231). So konnte sich auch im vorliegenden Fall die belangte Behörde darauf stützen, daß zwei am Unfall unbeteiligte Personen, nämlich die Zeugen A. und I.R., den Unfall beobachteten, wenn auch einer dieser beiden Zeugen einräumte, daß der Beschwerdeführer den Anstoß nicht bemerkt haben könnte. Die Zeugin R. sagte wörtlich, daß der Beschwerdeführer beim Ausparken "sozusagen an der Stoßstange des abgestellten Pkws hängen" blieb. Beide Zeugen bestätigten auch die Richtigkeit der von ihnen in der Anzeige wiedergegebenen Angaben, wonach sie sahen, daß die Stoßstange des abgestellten Fahrzeuges beschädigt wurde. Aus den Aussagen der beiden Zeugen geht hervor, daß die Beifahrerin des Beschwerdeführers (es war dies seine Ehefrau) nach dem Anstoß die Beifahrertür öffnete und in Richtung der Anstoßstelle blickte. Die Ehefrau des Beschwerdeführers selbst sagte aus, daß sie "zurückgeschaut" habe, weil der Beschwerdeführer zu ihr gesagt hatte, sie solle "zur Sicherheit am anderen Fahrzeug nachschauen". Daß die Beweiswürdigung der belangten Behörde, die der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers, er hätte von einem Unfall überhaupt nichts bemerkt, nicht Glauben schenkte, nicht verfehlt ist, wird schon aus diesen Umständen deutlich. Daß die Ehefrau des Beschwerdeführers den Schaden nicht bemerkt hat, entkräftet nicht die Darlegung der Zeugen A. und I.R. sowie des Meldungslegers, durch die der Schaden objektiviert wurde. Auf die Gummiabriebspuren und in welcher Höhe sich die an beiden Fahrzeugen befunden haben, kommt es schon im Hinblick auf die gleichfalls festgestellte Verformung der Stoßstange nicht an. Der amtswegigen Einholung eines kraftfahrtechnischen Sachverständigengutachtens bedurfte es bei dieser Sachlage nicht. Es bestand für die Behörde auch kein Anlaß, den Beschwerdeführer zur Stellung eines entsprechenden Beweisantrages anzuleiten.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Andere Einzelfragen in besonderen Rechtsgebieten Straßenpolizei KraftfahrwesenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992030021.X00Im RIS seit
12.06.2001